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Notiz 076: Übergänge#

von Martin Krusche

Meine letzte Ausfahrt mit dem amtlichen BMW i3 führte mich ins Johann Puch Museum Graz. Ein angemessenes Setting. Dort ist gerade die Mila-Familie fast komplett aufgestellt. Das Kürzel steht für Magna Innovative Lightweight Auto, bezeichnet eine Serie von Standmodellen und Prototypen. (Ich zähle zu den Begünstigten, die den ersten Mila fahren durften.)

Nachts unter Strom: die letzte Ausfahrt. (Foto: Martin Krusche)
Nachts unter Strom: die letzte Ausfahrt. (Foto: Martin Krusche)

Letzte Ausfahrt, weil ich vom Vermieter eben die Nachricht bekam: „…es freut uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass ab 1. Jänner 2020 für das Car-Sharing-System nicht mehr, wie gewohnt, der BMW i3 sondern ein neuer E-Golf zur Verfügung gestellt wird. Ihre Mobilitätskarte behält auch weiterhin ihre Gültigkeit.“ (Das heißt, im Inneren etwas mehr Platz.)

Es ist rundum noch etwas gewöhnungsbedürftig, daß man sich solche Güter teilt. So war ich vor etwa zehn Tagen ziemlich überrascht, als ich zu einem Termin fahren wollte, was nicht klappte, da vor mir jemand schlicht vergessen hatte, die Karre anzustecken. Ich stand bei 20 Prozent Ladung. Da war ich zwar etwas unrund, aber mehr noch amüsiert, daß jemand ein Elektroauto wie einen Benziner benutzt und einfach so abstellt. Rührend!

Ein Weilchen davor wollte ich losfahren, aber das System hat mir die Türe nicht entriegelt. Originell! Dalls Sie nun denken, ich bringe hier Gründe gegen ein Car-Sharing-System oder gegen Elektroautos vor, falsch gedacht! Ich möchte bloß kurz daran erinnern, daß hundert Prozent Komfort eine Illusion bleibt. Schon gar in der Einkommenskategorie von Leuten wie mir.

Wer, wie ich, in den 1970er Jahren sein erstes Auto hatte, wird sich ja erinnern, daß technische Pannen häufig vorkamen. Unter anderem deshalb, weil in meinem Milieu niemand ein fabrikneues Auto fuhr. Wir hatten, je nach Kontostand, oft die übelsten Grammeln unterm Hintern. Wenn also heute etwas klemmt, sollte das keine große Sache sein. In komplexen Systemen gibt es eben Pannen.

Bin auch schon ohne Strom heimgefahren. War etwas mehr Aufwand. (Foto: Martin Krusche)
Bin auch schon ohne Strom heimgefahren. War etwas mehr Aufwand. (Foto: Martin Krusche)

Dank Facebook habe ich inzwischen von allerhand verhaltensoriginellen Leuten erfahren, die meist kleine Angestellte sind, sich aber bezüglich Autos aufführen, als wären sie Millionäre. Zickige Leute mit Attitüden. Der Automobilismus war über ein halbes Jahrhundert lang sehr wohlhabenden Leuten vorbehalten.

Inzwischen hat uns eine umfassende Volksmotorisierung skurrile ideologische Konzepte beschert. Ich verfolge gelegentliche staunend dieses Gezeter, wonach es anscheinend Teil der Menschenrechte wurde, eine fette Karre zu besitzen, überall freie Bahn und genügend Parkraum zu haben, auf keinem Fall von Speed Limits gehemmt.

Dazu kommt: wer das nötige Geld für einen repräsentativen Wagen nicht aufbringen kann, wird sich wenigstens aus dem Zubehörhandel Teile beschaffen, die dann einen kleinen Hatchback wie eine Sportwagen grollen lassen. Das Traurigste in diesem Segment sind die derzeit boomenden Kombis, die klingen, als würde ein räudiger Dodge Charger daherkommen. Ein verlöteter Bürgerkäfig macht auf Terminator. Lustig! (Und aufschlußreich, was den Fahrer angeht.)

Zur Erinnerung: Im Jahr 1900 ließ Johann Puch seine erste Voiturette am Grazer Schloßberg erproben. Vor dem Ende der 1950er Jahre waren Automobile bloß für einen sehr kleinen, überschaubaren Teil der Bevölkerung leistbar. In den 1970ern brach das umfassend auf. Natürlich werden sich derlei Verhältnisse erneut ändern. Warum sollte irgendetwas bleiben wie es ist?

Über den drei Mila-Modellen am Südrand der Halle sieht man auf dem historischen Foto den Puch Rekordwagen, mit dem Karl Slevogt im Jahr 1909 (!) 130,4 km/h gemacht hat. (Foto: Martin Krusche)
Über den drei Mila-Modellen am Südrand der Halle sieht man auf dem historischen Foto den Puch Rekordwagen, mit dem Karl Slevogt im Jahr 1909 (!) 130,4 km/h gemacht hat. (Foto: Martin Krusche)

Mit dem Auto ausfahren, um ein soziales Statement abzugeben und seinen Mitmenschen etwas mitzuteilen… Kann man machen. Wer hat, der kann. Oder auch nicht. Kennen Sie dieses Bonmot? Viele von uns leihen sich Geld, um sich Dinge zu kaufen, die sie eigentlich nicht brauchen, damit sie Menschen beeindrucken könnten, denen das völlig egal ist.

Gut, wie dem auch sei, mein Modus ist derzeit folgender: „Sehr geehrter Nutzer/In des E-Car-Sharings in der Stadtgemeinde Gleisdorf. Danke für die Nutzung des innovativen Mobilitätskonzeptes in Ihrer Gemeinde. Anbei erhalten Sie eine elektronische Rechnung als PDF. Der Betrag wird in den nächsten Tagen von Ihrem Konto abgebucht.“ Wie mag das in zehn, in 15 Jahren aussehen? Das weiß ich nicht. Ich staune aber über jene Hobbyexperten, die derzeit bei jeder Gelegenheit verlautbaren, was die Zukunft sei und was man aktuell als Blödsinn abtun müsse.

Ich befasse mich nun seit so vielen Jahren mit dem Automobilismus, hab ein anregendes Umfeld, in dem es versierte Profis aus der Entwicklung und aus der Produktion gibt. Wir erörtern laufend, was sich in der Branche tut. Aber ich wüßte nicht zu sagen, wie diese nahe Zukunft individueller Mobilität auf technischer Ebene aussehen wird. Das wird sich zeigen. Wie Prof. Hermann Maurer (TU Graz) gerne sagt: „Wir haben zu wenig Fantasie. Vieles, was vorhergesagt wurde, ist nicht gekommen. Vieles, was gekommen ist, hat niemand vorhergesagt.“

Weiterführend#