Einübung in das Elektrische#
Große Sache oder kleine Lückenbüßerei?#
von Martin KruscheOh, was für ein Thema! Wer immer derzeit mit wenig Mühe in den aktuellen Mobilitätsfragen eine Fahne aus dem Fenster hängen oder ein kleines Budget lukrieren möchte, kommt mir mit E-Mobilität. Aber kein Profi aus der Branche hat mir bisher bestätigen wollen, daß dies die Zukunft der Massenmobilität sein werde.
Anders ausgedrückt, E-Mobility ist das Lieblingsthema vieler, die zu brennenden Mobilitätsfragen etwas vorbringen sollen, aber mich beschleicht oft das Gefühl, so zeigt sich eine wohlfeile Ersatzhandlung, um das eigentliche Kampfthema zu meiden. Stehen wir vor dem Aus des Autos, wie es uns seit etwa eine halben Jahrhundert ans Herz gewachsen ist?
Die Botschaft könnte lauten: Liebe Leute! Wenige Jahrzehnte durftet Ihr den individuellen Privatbesitz von Kraftfahrzeugen als ein Massenphänomen genießen. Auch mehrere Automobile pro Haushalt waren kurze Zeit möglich. So blieb persönliche Mobilität als Ausdruck von Freiheit auf vier Rädern machbar.
Es ist ein verführerisches Thema. Autos konnten stets mit einer ganzen Reihe symbolischer Zwecke befrachtet werden. Aber dieser Modus hat ein Ablaufdatum. Wir sind an das Donnern von Verbrennungsmotoren gewöhnt. Das Summen von Elektromotoren stimmt mißtrauisch. Gewohnheiten sind zäh!
Ich hab übrigens bei weitem unterschätzt, wie viel Vergnügen mir elektrisches Fahren macht. Wer die Gelegenheit dazu findet, sollte es jederzeit ausprobieren. Mir war diese Fahrzeugvariante ursprünglich aus meinen Kindertagen nur flüchtig vertraut. Einerseits liefen in Graz prächtige gelbe Brocken der Post, mit denen Pakete zugestellt wurden, die ÖAF Typ 2 ENO. Andrerseits wurde am Hauptbahnhof Gepäck mit Elektrokarren transportiert.
Die Vollelektriker verschwanden schließlich, tauchten bestenfalls in Nischen wieder auf, etwa als Behindertenfahrzeuge. Dann die kleine Gedanken-Sensation, als selbst Laien erfuhren, daß etwa Ferdinand Porsche schon Ende des 19. Jahrhunderts mit Elektrikern unterwegs gewesen sei, von Radnabenmotoren bewegt.
Zum Auftakt dieser Ära, in welcher die Elektromobilität sich im Straßenbild wieder abzeichnete, standen Fahrzeuge, die eher für unansehnlich gehalten wurden, wie etwa der Hybrid Honda Insight. Schließlich wurde Toyota Prius zum gängigen Hauptdarsteller im Thema. Da blieb noch ein weiter Weg, bis Tesla und Fisker zur Sprache kamen.
Derweil hatte die Steyr-Daimler-Puch AG in Graz so manches Versuchsfahrzeug, von dem heute nur noch Kenner wissen, mit Elektromotoren aufgerüstet. Im Johann Puch Museum Graz können Sie sogar zwei Moped-Modelle finden, die mit fetten Autobatterien bestückt werden, um einige Kilometer zu machen.
Pedelec sind heute Standard. Solche Fahrräder mit Elektromotoren unterscheiden sich vom Elektro-Scooter dadurch, daß der Motor nur dann eingreift, wenn man selbst auch strampelt. Ein interessantes Konzept, das einen selbst leiblich aktiv bleiben läßt. Eine elektrifizierte Mensch-Maschinen-Symbiose. Im Geländesport werden übrigens längst elektrische Motorräder erprobt. Zwischen all dem wuseln elektrische Mini-Scooter durch das Stadtleben, kaum größer als klassische Tretroller.
Die vergangenen Jahrzehnte gehörten hauptsächlich den Verbrennern. Der Rückblick zeigt, erst waren Automobile in Europa ein halbes Jahrhundert lang für die meisten Privatpersonen unerschwinglich, wären auch in den Erhaltungskosten zu teuer gewesen, kamen auf unseren Straßen kaum vor. Die meisten Autos waren Firmen-, oder Behördenfahrzeug.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setze auf dem alten Kontinent eine atemberaubende Massenmotorisierung ein, die von einer ideologisch geprägten Propaganda begleitet wurde, welche so gut wie alle unsere Lebensbereiche durchdrang. Die Attraktivität des dröhnenden Automobils wurde in allen Medienbereichen verkündet, inszeniert. Das Leitmotiv lautet bis heute „Freie Fahrt für freie Bürger“, auch wenn unsere Verkehrsnetze das längst nicht mehr zulassen.
Inzwischen kennen wir vermutlich kein Städtchen, in dem der Platz für Autos noch nicht zu eng geworden wäre. Techniker Wolfgang Wister erläuterte mir eines der Grundprobleme. Im halbwegs optimalen Geschwindigkeitsbereich zwischen 60 und 80 Km/h lassen sich auf einer Fahrbahn pro Stunde rund 2.000 Autos bewegen. Mehr geht nicht, außer man kann zusätzliche Fahrbahnen anlegen.
Wenn solcher Verkehr in geschlossenen Ortschaften ankommt, werden Fahrbahnen und Parkflächen schnell zu knapp. Die Konsequenzen sind uns allen vertraut. Die Kummernummer trägt den Titel „Stop and go“. Dazu kommt die Zersiedelung Österreichs mit einem sehr weit verzweigten Straßennetz, daß inzwischen sehr veraltet ist. Viele Gemeinden haben keine ausreichenden Mittel, dieses Wegenetz umfassend zu erneuern. Da kommt man ins Grübeln, wenn man sich freie Fahrt auf die alte Art erträumt.
Wenn mir nun also E-Mobilität auch noch von niemandem verläßlich als die Zukunft der Massenmobilität bestätigt wird, so hilft sei einem doch dabei, über die vertrauten Bilder und Vorstellungen ein wenig hinauszukommen.
Als ich eine Woche lang mit einem Mitsubishi i-MiEV die Praxis der Stille erkunden konnte, war ich verblüfft, wie sehr mir vollelektrisches Fahren zusagt. Ich kenne zwar nach wie vor nichts spannenderes, als mit einem einem dreiachsigen Steyr-Puch Pinzgauer durch schweres Gelände zu kriechen. Ich finde es auf freier Strecke unübertrefflich, von einem V8-Triebwerk mit fünf bis sieben Litern Hubraum getragen zu werden. Allein die Klangkulisse macht mir schon vergnügen.
Ich mag aber auch den Postbus, der mich vollkommen sorgenfrei über die Ries nach Graz schaukelt; übrigens einst, als Altmeister Johann Puch noch wirkte, eine legendäre Rennstrecke. Ich finde im Nahverkehr die Eisenbahn sehr behaglich und mag sie auf weiten Strecken am meisten, wenn ich dabei nicht umsteigen muß. Doch in der Provinz hab ich allerhand Orte anzusteuern, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen sind.
So beginne ich zu ahnen, daß ich es höchst komfortabel fände, wenn ich innerhalb eines netten Radius um meine Wohnung adäquate Fahrzeuge mieten könnte. Kleine Vollelektriker für die kurzen Strecken, diverse Mietwagen, wenn es weiter reichen soll. Ein feines Fahrrad hab ich selbst im Vorhaus stehen und Pedelec gibt’s vor Ort im Verleih.
Das heißt, ich denke, wir sollten uns langsam in anderen Mobilitätskonzepte einüben, denn die Herrlichkeit der Verbrenner als Basis individuell gestalteter Massenmobilität scheint ein absehbares Ende zu haben. Wir gehen vermutlich auf ein komplexes Puzzle von individuellen Fahrzeugnutzungen zu. Das erscheint mir spannend, denn ich hab es immer schon gemocht, ganz unterschiedliche Vehikel zu benutzen. Und gerade fällt mir ein, daß ich schon als Kind viel Vergnügen hatte, in Elektroautos herumzuteufeln. Und zwar Auf der Grazer Messe beim Autodrom. (Nächster Beitrag)