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Kontext Volkskultur#

Worauf wir uns hier konzentrieren#

von Martin Krusche

Die Projektvorbereitung und die erste Praxis-Phase von „Mensch und Maschine“ haben uns klar zum Schluß gebracht, daß wir in dieser Arbeit ein besonderes Augenmerk auf das Thema Volkskultur legen wollen.

Dabei brauchen wir uns nicht jener Inhalte anzunehmen, die schon seit Jahrzehnten von bewährten Einrichtungen begleitet und betreut werden. Diesbezüglich reicht für uns eine kursorische Kenntnis der laufenden Debatten und Inhalte.

Klassiker-Treffen in Thannhausen (Oststeiermark) - Foto: Martin Krusche
Klassiker-Treffen in Thannhausen (Oststeiermark) - Foto: Martin Krusche

Wir konzentrieren uns auf Bereiche eines großen Themenfeldes, die zwar in der Steiermark gelebt werden, aber in der öffentlichen Wahrnehmung kaum dem Genre Volkskultur zugezählt werden. Das betrifft den Komplex „Volkskultur in der technischen Welt“, wie er seit den 1960er Jahren von der Wissenschaft gewürdigt wird.

Dazu paßt außerdem eine steirische Besonderheit. Wir leben seit rund 200 Jahren in einer permanenten technischen Revolution, von der die Gesellschaft stellenweise massiv überfordert wird. Darin spielt historisch „Der steirische Prinz“ eine spezielle Rolle.

Das wurde bloß bisher nicht in größerem Umfang wahrgenommen, weil Johann von Österreich in der Steiermark derart populär ist, daß gerade diese Popularität etwas den Blick auf fundamentale Leistungen des Erzherzogs verstellt.

Für unser Projekt trifft es sich vorzüglich, daß er in der Technologiefrage regional eine ebenso bedeutende Rolle spielte wie bezüglich der Volkskultur. Wir haben heute keine brauchbare Vorstellung davon, wie ungewöhnlich es war, daß der Bruder des Kaisers sich tatsächlich für das Leben der „einfachen Leute“ interessierte und sich mit den Bedingungen deren Lebens so vielfältig wie detailliert auseinandersetzte. Wir haben keine Vorstellung von der enormen sozialen Distanz, die zwischen Hochadel und Landbevölkerung oder Handwerksleuten herrschte.

Wir dürfen seine Geschichte allerdings nicht zu einer Art steirischem Nationalkitsch umkupfern. Wären die Napoleonischen Kriege etwas anders verlaufen und hätte Johann von Österreich damals nicht auf gefährliche Art politischen Schiffbruch erlitten, seine Visionen, seine Kraft und seine erheblichen Mittel dürften wohl eher in Tirol zur Entfaltung gekommen sein.

Aber in der Geschichtsbetrachtung ist ein „Es hätte“ ziemlich belanglos. Er hat; und zwar in der Steiermark gewirkt. Beispielsweise vor rund 200 Jahren, als er England, die damals führende Industrienation, bereiste. Seine Reiseaufzeichnungen wurden transkribiert und sind als Buch erhältlich. Eine atemberaubende Lektüre: „Ein Land, wo ich viel gesehen“, Graz 2010.

Erzherzog Johann (Public Domain)
Erzherzog Johann (Public Domain)
Johann Puch (© Österreichische Post)
Johann Puch (© Österreichische Post)

Über einen anderen populären Johann im Steirischen, nämlich Altmeister Johann Puch, haben wir ein paar exemplarische Entwicklungslinien jener nächsten Industriellen Revolution, deren Konsequenzen der Steiermark bis heute wirtschaftliche Erfolge bringen.

Über die Dritte Industrielle Revolution, die Digitalisierung, konnten sich begabte Unternehmer, inspirierte Technikerinnen, auch geschickte Leute des Handwerks profilieren. Steirische Unternehmen sind in etlichen IT- und High Tech-Bereichen auf dem Weltmarkt präsent, beziehungsweise bieten in Zulieferbereichen hochkarätige Güter an. Aber auch andere Branchen sind dabei gut vertreten; siehe etwa: „Innovative steirische Unternehmen“

Das sollte Ihnen zumindest eine Ahnung bieten, daß sich Volkskultur in eben diesen 200 Jahren natürlich nicht nur in der agrarischen Welt entfaltet hat, um sich dabei am Jahreslauf der bäuerlichen Welt zu orientieren.

Mit den leistungsfähigen Dampfmaschinen und den aufkommenden Industriezentren haben sich ab dem 18. Jahrhundert auch noch andere Aspekte dieser Kultur des Volkes herauskristallisiert, denn auch jene, die aus der Sicht bürgerlicher Kreise als „ungebildet“ galten, hatten selbstverständlich kulturelle Bedürfnisse. Diese Menschen waren bloß kaum mit Mitteln dafür und vor allem mit freier Zeit verwöhnt.

Solche Entwicklung einer Volkskultur in der technischen Welt wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von zwei wuchtigen Phänomenen getroffen. Erstens die Entfaltung neuer Formen der Populärkultur, wie sie als Pop-Kultur auch in der Gegenwartskunst reüssiert hat. Zweitens die Massenmotorisierung der Bevölkerung, wonach in den späten 1960ern und frühen 1970er plötzlich preiswerte Kraftfahrzeuge erschwinglich wurden, die als neue Medien der kulturellen Ambitionen von Menschen benutzt wurden. Da entfaltete sich rund um das Restaurieren, das Konservieren und das Modifizieren ein ganzes Ensemble an Subkulturen mit elaborierten Codes und eigenem Brauchtum. Siehe dazu etwa: „Cruising“ (Wenn sich die Youngtimer-Szene trifft) oder „Born to Be Wild“ (In Stahl, Lack und Leder stolzieren)

Massenmotorisierung und Massenmedien sind nur zwei der Zusammenhänge, in denen sich jene volkskulturellen Erscheinungsformen gebildet haben, die uns für „Mensch und Maschine“ hauptsächlich interessieren; bei gleichzeitigem Blick auf etablierte Volkskultur-Formen, die heute als „traditionell“ gelten; und mit Querverweisen zur Gegenwartskunst wie zum traditionellen Handwerk.