Notiz 080: Krusches Brevier#
(Aus meinem kulturpolitischen Gebetsbüchlein)#
Von Martin Krusche#
Ich habe immer wieder einen guten Grund, mein altes Gebetsbüchlein zu überprüfen. Ich fand darin keinen Anlaß zur Revision. Die Gewichtung ergibt sich aus jener Weggabelung, an der man sich für eine von zwei Optionen entscheiden muß. Ich sage entweder a) „Du sollst…!“ oder b) „Ich werde…!“, um meine bevorzugte Position deutlich zu machen.
- Autonomie der Kunst
Die Kunst gibt sich selbst die Regeln und muß außerhalb dieses Konzeptes nichts müssen.
- Qualität und Vollendung
Das ist für mich Telos der Kunst. (Die Bevorzugung dieser Ansicht teile ich mit Markus Lüpertz.)
- Beruf und Berufung
Ich wurde nicht berufen. Niemand hat mich befugt. Mein Weg in die Kunst handelt von Selbstermächtigung. Was ich tue, ist Teil eines Berufes. (Die Transzendenz darin ist meine Privatsache.)
- Broterwerb
…ist eine soziale Kategorie, keine Kategorie der Kunst.
- Ich kenne mein Metier und beherrsche mein Handwerk
Wem ich das erklären müßte, der oder die würde es nicht verstehen.
- Können, was man sagt
…und nur sagen, was man kann. Dieses Prinzip hab ich von den alten Meistern aus der Industriearbeit bezogen, bei denen Posierer und Maulhelden flott zur Tür begleitet werden.
- Eine Sache um ihrer selbst willen gut machen
Das ist keine Vorschrift, sondern eine Obsession. Sie verlangt nach der Beachtung von Folgerichtigkeit. Ein Beitrag zum Erreichen von Qualität.
- Professionalität kommt durch Arbeitszeit
Es mag ja sein, daß sich Genies diesen Passus ersparen können. Ich zähle nicht zu den Genies. Ich muß mir die Dinge prozeßhaft erarbeiten.
- Paktfähigkeit
Was anderen gelingt, festigt den Boden, auf dem ich arbeite und lebe. Allein aus diesem Grund sollten getroffene Vereinbarungen halten.
- Wer nicht denken will, fliegt raus
Das ist ein Beuys-Zitat, welches in meiner privaten Hausordnung steht. Im Original enthält es noch folgende Passage: „sich selbst“.
- Wir gründen nichts
…was ein Aufnahmeritual braucht. Adäquates Kommunikationsverhalten und aktive Anwesenheit regeln den Zugang. Wer das aufgibt, fällt von selbst raus.
- Wir zentralisieren nicht
Wir tragen nicht bei, daß Zentren entstehen, die ihre Peripherie zur Provinz machen, indem sie von dort Ressourcen abziehen und am eigenen Standort eine Konzentration hochfahren. (Dieser Modus ist 19. Jahrhundert, wir sind 21. angelangt.)
- Trittbretter zum Mitfahren
…sind nicht vorgesehen. (Wer von einem Gefälligkeitskonto vor allem abhebt und nichts einzahlt, fliegt raus.)
- Politik
…ist keine, wenn sie nur die Staatskunst meint. Erst in der Wechselwirkung von Politika und Polis, im Dialog zwischen den beiden Kategorien, entsteht Politik.
- Politik und Verwaltung
…haben höchst unterschiedliche Aufgaben wie Rollen, die ich nicht unscharf vermischt sehen will. (Eine Verwaltungskraft, die Programm machen will, sollte in die Politik wechseln und sich da demokratischen Bedingungen stellen, statt sich hinter einem Schreibtisch zu verbergen.)
- Wir lieben die Kunst der anderen
Damit zitiere ich den serbischen Künstler Selman Trtovac, der 1994 betonte: „Mi volimo i umetnost drugih“. Es gibt mein Werk nicht ohne die Vorleistungen anderer Menschen. Ich wäre verloren, fände ich keine Inspiration in fremden Werken.
- Ich kenne den Unterschied zwischen Kritiker und Denunziant
Kriterien und Begriffe wollen – wie auch Handlungsweisen - laufend überprüft werden. Das muß in öffentlichen Diskurse vorkommen dürfen. Niemand steht außer Diskussion!
- Niemand wird bekämpft
Auch Dissens ist fruchtbar. Doch manche können einfach nicht miteinander; bis an die Grenze von Feindseligkeit. Solche Emotionen sind im Konfliktfall normal, aber wer gegen andere interveniert, wer Kampfmaßnahmen in Erwägung zieht, um andere zu beschädigen, hat in meinen Projekten nichts verloren.
- Martin Krusche: Mein Beruf (Zu einer fälligen Debatte)
- Dorf 4.0: Die Notizen-Übersicht