Notiz 046: Tagwerk und Frauenleben#
von Martin KruscheDrei Unternehmerinnen haben in Gleisdorfs Innenstadt einen gemeinsamen Standort geschaffen. Kerstin Feirer, Petra Gangl und Sonja Herbitschek bündeln im „Wosnei x“ die Genres Mode, Kunst und Design. Das steht sehr bewußt im Kontrast zu jenen Tendenzen der letzten Jahrzehnte, die Orte polyzentrisch zu machen, an ihren Rändern Einkaufszentren zu etablieren und dort soziales Leben zu inszenieren wie zu bewirtschaften.
Zum 8. März organisierten die drei Frauen einen „Tag der Frau am Tag des Herrn“. Wie subversiv dieser Titel ist, dämmert einem erst, wenn man den Zustand unsere Gesellschaft nicht für selbstverständlich hält. Aber die Programmfolge mit ihren höchst unterschiedlichen Beiträgen hat keinen Kräfteverschleiß in Positionen gegen etwas angeboten.
Der halbe Tag mit seinen so unterschiedlichen Inputs ist ohne gängige Schlagworte ausgekommen. Es traten Frauen auf, die in verschiedenen Genres zuhause sind, um ihre Kompetenzen einzubringen und Diskussionsstoff zu liefern.
Das ergab die Momentaufnahme unseres Lebens in der Gegenwart, naturgemäß mit einem Unterstreichen von Frauenleben, aber keineswegs in der Einschränkung auf das, was ein wenig unscharf unter „Frauenthemen“ gehandelt wird.
Es ist so bemerkenswert an dieser Veranstaltung, daß in völlig unaufgeregter Weise deutlich wurde, wie sehr zwar Frauenleben von einigen überaus spezifischen Aufgaben und Problemen handeln, die aber von Männerleben keineswegs abgekoppelt sind, sondern über unzählige Schnittstellen damit verknüpft.
Einen der fundamentalen Angelpunkte in diesen Verhältnissen brachte Vortragende Andrea Maurer zur Sprache, nämlich die zwei gewichtigen Grundbedürfnisse aller Menschen: Zugehörigkeit und Autonomie.
Das scheinbar Widersprüchliche ist höchst komplementär. Sich in Gemeinschaft aufgehoben fühlen und dabei selbstbestimmt zu leben verlangt eine Art von Fließgleichgewicht im Leben und gelingende Verständigung mit sich wie mit anderen, während es in starren Anordnungen erstickt. Man müßte eigentlich ein Agent der Blödheit sein, um diesen Zusammenhängen nie auf die Spur zu kommen. Oder man hat verdeckte Intentionen.
Nun trennen uns erst wenige Generationen von der Feudalzeit mit ihrer ständischen Gesellschaft. Das war noch nicht gar so viel Gelegenheit, neue Rollenkonzepte zu entwerfen und zu erproben, zumal bei solchen Prozessen auch immer sehr viel Energie draufgeht, um Widerstände abzuarbeiten. Diese Energie fehlt dringend beim Gelingen neuer Entwürfe.
Darin wird so interessant, was mit „Wosnei x“ in der Stadt verankert ist. Ein Ort der realen sozialen Begegnung im Zentrum. Ein Diskursraum. Ein Rahmen, der öffentliches und privates Leben verzahnt. Eine Drehscheibe, wo sich Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft auf ganz unterschiedliche Weisen berühren.
Das bedeutet unter anderem, kulturelles Engagement ist nicht Dekoration des Arbeitslebens, um den Menschen die Freizeit zu versüßen, sondern ist Teil jener Arbeit am ganzen Leben, die uns manchmal mehr und manchmal weniger Luft zu atmen läßt, die sich zwischen Anstrengungen und Festen entfaltet; um so schillernder, je unterschiedlicher die Menschen sind, die dafür gelegentlich zusammengreifen.
Ergänzend: Zum Ende des Vorjahres haben die drei Frauen von „Wosnei x“ diese Perfomance realisiert: „Try on!“ (Die Alternative zur Fast Fashion Show).
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