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Notiz 002: Generationskontraste#

von Martin Krusche

Im Mai 2019 hatte ich in einer kleinen Korrespondenz notiert: „Ja, es ist an der Zeit. Jetzt müssen noch ein paar Zuschreibungen geklärt werden, dann will ich in Ruhe ein alter Mann werden.“ Die Antwort darauf: „Ähh... dann alles Gute dabei.“ Natürlich steckte darin ein Stück Ironie, aber mir war schon in den Jahren davor aufgefallen, daß ich mit diesem Thema nicht vom Fleck komme.

Das Foto beinhaltet ein Foto von Mathias Petermann. (Foto: Martin Krusche)
Das Foto beinhaltet ein Foto von Mathias Petermann. (Foto: Martin Krusche)

Der gängige Angelpunkt ist dabei meine Aversion gegen den Begriff „Senioren“, wenn von alten Menschen die Rede ist. Ich kann mich nicht erinnern, wann dieser Begriff in meinem Blickfeld aufgetaucht ist und sich ab da wichtig gemacht hat.

In meiner Kindheit gab es kein Seniorenheim, keine Seniorentanzgruppe, keinen solchen euphemistischen Mumpitz. Aber ich mußte mich damals ja noch lange nicht damit befassen, daß mir solche geheuchelten Zuschreibungen auf die Nerven gehen. Als Teenie kannte ich noch die popkulturelle Empfehlung „Trau keinem über Dreißig“. Ein Slogan aus den Subkulturen der 1960er Jahre.

Junggeblieben. Das unterstellt eine Qualität des Jugendlichen, die unüberprüft wäre. Das unterstellt eine Inferiorität des Altseins, die im Nebulösen bleibt. Beides wie ein Steinwurf aus dem Hinterhalt.

Ich denke, solches Getue kam mir erstmals recht ärgerlich vor, als ich eine Art Tonikum beworben sah, welches einem erkennbar alten Mann das Gefühl vermitteln solle, er sei immer noch (fast) ein junger Kerl. Ich weiß aber nicht mehr, wann das war. In jenen Tagen ist es freilich längst üblich gewesen, sich als „junggeblieben“ hervozutun, wenn mindestens der fünfzigste Geburtstag nicht mehr geleugnet werden konnte.

Bevor die alten Leute zu Senioren werden mußten, waren Männerthemen in der Werbung an Knoblauch-Pillen (für hohes Alter) oder Kürbiskern-Produkten (zugunsten der Prostata) festgemacht, während man Frauen ohnehin schon umfassend über Kosmetikprodukte und steuerlich hoch belastete Hygieneartikel abzocken konnte.

Bevor über metrosexuelle Männer demonstrativ gelacht wurde, waren viele Frauen schon froh, wenn Männer täglich unter die Dusche gingen und öfter als zweimal die Woche ihre Unterwäsche wechselten. Ich vermute, der alternde Mann konnte sich lange hinter einem Geflecht von Legenden verbergen, die von einer vorherrschenden Männerkultur in Umlauf gehalten wurde.

Inzwischen hatte sich freilich herumgesprochen, daß der Kerl irgendwann zwischen 50 und 60 beginnen sollte, seine Zähne in Ordnung zu halten, die Haare in Nase und Ohren ebenso im Zaum zu halten wie die Augenbrauen, und - wo vorhanden - seine Brillen gelegentlich zu putzen.

Kürzlich notierte ich auf Facebook: Gibt es eine interessante These zur alten Konvention, man dürfe „eine Dame nicht nach ihrem Alter fragen“? Das führte zu einigen interessanten Antworten, förderte aber keinen Hinweis zutage, was es mit dieser Art von Höflichkeitsgebot auf sich habe.

Muß ich annehmen, diese Konvention verdankt sich dem Umstand, daß Altwerden ein Makel ist? Kurz darauf hatten wir im Zentrum von Gleisdorf so eine Situation mit Glühwein und Weihnachtsbaum, da reichten unsere Gespräche bis weit nach Mitternacht.

Dabei kam in dieser Sache etwas voran. Einerseits in den Themenstellungen, andrerseits in meinem Entschluß, das alles nun ein wenig genauer ausloten zu wollen und darüber zu schreiben. Inzwischen zeichnet sich ab, daß ich mit dem prüfenden Blick auf derlei Verhältnisse hiert nicht allein bleiben werde.