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(Foto: Steve Rainwater, CC BY-SA 2.0)
(Foto: Steve Rainwater, CC BY-SA 2.0)

Official Bootleg: Knarre#

(Aus aktuellem Anlaß)#

von Martin Krusche

Ich hab bei der Arbeit an diesem Vorhaben, einem Beitrag zu einer feministischen Ausstellung, zwei Generalfetisch-Varianten unserer vorherrschenden Männergesellschaft herausgegriffen. Mit „Knarre und Karre“ meinte ich, ein zentrales Symbolgeschäft im Fokus zu haben.

Aber ich wollte die Karre stärker betonen und die Knarre vorerst nur am Rande mitnehmen. Es ist ja beides mit enormer metaphorischer Wucht befrachtet, phallisch sowieso, auch vielfältig sexualisiert. Da schien es mir naheliegend, das Explizite der Schußwaffen für diese Ausstellung deutlich zurückzunehmen.

Also habe ich die Karre herausgestellt und die Knarre etwas in der Unschärfe belassen, zumal „Der tödliche Phallus“, so nehme ich an, noch weit provokanter erscheint als „Die stählerne Braut“. Und was geschah?

Am Freitag, dem 12. Juli 2024, zog ein Mann in Graz mit seiner eben erst gekauften Flinte los, um eine Frau zu erschießen, danach sich selbst. Ein neuer Femizid im österreichischen Bundesland mit den meisten Femiziden. Am Samstag, dem 13. Juli 2024, schoß ein Mann mit seinem AR-15 auf den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.

Es ist irritierend!#

Dieses kleine Zeitfenster bis zur Ausstellungseröffnung am 8. August 2024. Bloß vier Wochen. Da drängen sich gleich zwei Exponenten jener vorherrschenden Männerkultur, mit der ich mich im Projekt „Amselsturm“ konzentriert befasse, so markant und exemplarisch auf. Der eine Kerl regional, der andere international.

Ich will in dieser Notiz vorerst nicht näher auf die politischen Aspekte beider Attacken eingehen, stelle jetzt doch das Thema Waffen kurz in den Vordergrund. Ich hab an anderer Stelle schon die AK-47 als prominenten Fetisch erwähnt. „Die Kalaschnikow“ mit ihrem geradezu folkloristischen Rang dürfte selbst uninteressierten Laien geläufig sein.

Zum Beispiel: AR-15 (Foto: Steelerdon, CC BY 3.0)
Zum Beispiel: AR-15 (Foto: Steelerdon, CC BY 3.0)

In den USA hat die AR-15 wohl ebenso volkstümlichen Rang. Diese Knarre könnte bei uns kaum jemand legal kaufen. AR steht zwar für den ursprünglichen Hersteller ArmaLite, wird aber auch als „Assault Rifle“ gedeutet, was man mit Sturmgewehr übersetzen kann. (Damit korrespondiert die russische Formulierung Awtomat Kalaschnikow.)

Das Bedrohungspotential#

Diese Knarre gab einer ganzen Klasse den Namen, weshalb man bei ähnlichen Modellen von einer „AR-15–style rifle“ spricht. Das sind halbautomatische Waffen, was bedeutet, es ist zwar kein Dauerfeuer möglich, aber eine sehr schnelle Schußfolge. Demnach steht also die Bezeichnung "AR-15" für ein Waffenssytem, innerhalb dessen Karabiner für verschiedene Zwecke unterschiedlich ausgeführt und mit dem jeweils passenden Kaliber versehen sind.

Ich lese, die AR-15 sei keine Waffen für Scharfschützen, würde aber auf Distanzen bis zu 200 Meter präzise treffen. Während der Grazer Frauenmörder auf sein wehrloses Opfer aus nächster Nähe schoß, lag der Trump-Attentäter in etwa 135 Meter Entfernung auf einem Dach, befand sich demnach in einer sehr vorteilhaften Schußposition.

Der Kongreßabgeordnete Cory Mills, ein ehemaliger Scharfschütze, ist überzeugt, dieser Attentäter sei ein schlechter Schütze gewesen. Auf diese Distanz und aus einer erhöhten Position, so Mills, hätte ein ausgebildeter Sniper sein Ziel keinesfalls verfehlt. Mills sagte, es sei ein Wunder, daß Trump noch lebe, da habe „Gott seine schützende Hand über ihn gehalten“.

Zum Beispiel: AK-47 (Foto: Armémuseum, Schweden, CC BY-SA 4.0)
Zum Beispiel: AK-47 (Foto: Armémuseum, Schweden, CC BY-SA 4.0)

Evy Poumpouras, vormals U.S. Secret Service Special Agent, bot eine anschauliche Zusammenfassung, welcher enorme Aufwand nötig ist, um jemanden in der Öffentlichkeit gegen solche Attacken abzuschirmen. Solche Waffen haben also ein enormes Bedrohungspotential. (Wenn es darum geht, ein Frau aus nächster Nähe hinzurichten, tut es eine preiswerte Flinte allemal.)

Mich hat nun interessiert, was mit Langwaffen überhaupt möglich ist. Es heißt, daß Jäger auf bis zu 200 Meter entfernte Ziele genau schießen können. Bei Militärwaffen sind durchschnittlich etwa tausend Meter möglich. Für bis zu 2.500 Meter wäre eine Spezialausführung mit großem Kaliber nötig.

Im Magazin „Pirsch“ fand ich den Hinweis: „So mancher Jäger hat dabei schon erlebt, dass er den hundertzwanzig Meter entfernten mäuselnden und klein wirkenden Fuchs mit Blattschuss streckte, aber die zwanzig Meter neben der hohen Kanzel verhoffende, und im Zielfernrohr riesig erscheinende junge Sau verfehlte.“

Auch wenn es schwierig ist, Langwaffen verdeckt bei sich zu tragen und damit nicht bemerkt zu werden, es ist offenkundig machbar; selbst unter Bedingungen, unter denen die Exekutive ein überschaubares Terrain unter Kontrolle haben sollte.

Eine beeindruckende Machtdemonstration: Kräfte des Secret Service bilden mit ihren Körpern einen Schutzpanzer um die Zielperson. (Screenshot)
Eine beeindruckende Machtdemonstration: Kräfte des Secret Service bilden mit ihren Körpern einen Schutzpanzer um die Zielperson. (Screenshot)

Zu dieser realen Bedrohung, die von so einer Knarre ausgeht, kommt ihre emblematische Wirkung, die sogar ein Posieren nahelegt, was zahlreich kursierende Fotos illustrieren. Viele Kerle produzieren sich mit diesem „tödlichen Phallus“ recht gerne. Das gilt, wie sich leicht zeigen läßt, für die sozialistische AK-47 genauso wie für die kapitalistische AR-15. Sie sind, gleichermaßen Symbol, Fetisch und Mordwerkzeuge, in Derivaten außerdem Waffen regulärer Verbände.

Postskriptum#

Das österreichische Bundekanzleram faßt zum Thema hier einiges zusammen: "Allgemeines zu Gewalt gegen Frauen" (Link) Siehe dazu auch dieses Projekt: "The IMPROVE project sets out to reinforce the fight against domestic violence by developing several tools to increase reporting and detection of domestic violence by empowering the victims to understand their rights to services and justice" (Link)