Michael Eschmann: Tage kühl vom Regen umarmt#
(Poetische Genauigkeit)#
von Martin KruscheDer Autor ist auffallend präzise. Das sollte speziell bei einem Lyriker keinesfalls merkwürdig erscheinen. Zugegeben, mir fehlt die Neigung zu Plüsch. Daher sagen mir Texte, die sprachlich genau gearbeitet sind, besonders zu.
Der Titel des Buches deutet freilich auch die Reichweite bis hinein ins Metaphorische an. Es sind überwiegend sehr knapp gefaßte Gedichte, hinter denen gewissermaßen eine Passage zur Welt aufgeht. Auch Verweise auf den Autor selbst führen dann über ihn hinaus. Zitat:
Literatur
Jetzt bin ich sicher
in der Dunkelheit der Worte,
die alle nach Hause führen werden,
wo immer das sein mag.
Das zeigt eine der Optionen, die uns Kunst bietet. Eine Art der hybriden Geborgenheit, die sich der genauen Betrachtung entzieht, aber erkundet werden kann. Nämlich „kafkaös“, wie Eschmann augenzwinkernd notiert hat, denn: „soviel Dada muß sein“.
Natürlich weiß der versierte Autor um das Reich des Außersprachlichen, zu dem Texte Brücken bauen. Sei es die Kunst, sei es Popularkultur, in all dem finden sich Schnittstellen. Bei Eschmann zum Beispiel, wenn er auf den „Little Bastard“ verweist: „Goodbye Jimmy Dean“. (Kein Rufzeichen!)
Der „seltsam / verlorene Blick / in Richtung Ewigkeit“ als eine Grundsituation von Menschen. Dann ist da andrerseits Eschmanns Memento für Kafka, dem eine unfreundliche Natur den Hals zugedrückt hat, bis er starb.
Das ließ mich überraschend an Gavro Princip denken, der nach seinen Schüssen von Sarajevo in der Festung von Theresienstadt einem quälenden Sterben ausgeliefert war. Kafka und er waren Zeitgenossen. So die schwebende Frage: Wovon wird unsere Welt bewegt? Was mag der Preis dafür sein?
Sie merken vielleicht, ich bin kein nüchterner Rezensent, sondern ein Leser. Texte lösen etwas in mir aus. Kein Buch in meinen Händen könnte davon getrennt werden. Ich habe ohnehin den Verdacht, Bücher existieren erst durch das, was sie in den Lesenden bewirken.
Eschmann bietet mir, was ich von Lyrik erwarte. Unter Verzicht auf zu Tode getrampelte Metaphern und auf Gedanken, die jedem einfallen würden, ereignen sich da Momente. Oft ist es bloß der Klang eines Wortes oder eines Satzteils, einer Textpassage, wodurch ich gefesselt werde. Wie etwa dieses Fragment, das ich aus einem Gedicht herausgreife:
Aber hier bin ich
und rufe Euch wieder zu:
Niemand weiß
was passieren wird,
und ich weiß es auch nicht.
Das Buch#
Michael Eschmann„Tage kühl vom Regen umarmt“
Moloko Print, 2024 ISBN 978-3-910431-74-4
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