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Volksmusik III#

(Archiv externer Beiträge, Blatt #38)#

von Martin Krusche#

Wo Profite winken, wird der Umgang mit Begriffen gelegentlich sehr schlampig gepflegt. Unterhaltungsindustrie und Musik sind ein extrem profitabler Wirtschaftssektor. Ganz klar, daß die Zuschreibung „Volksmusik“ für vieles herhalten muß.

Das Wort „original“ im Gruppennamen verweist darauf, daß kommerziell erfolgreichen Formationen der Unterhaltungsindustrie sehr schnell Nachahmer am Hals hatten, die mit gleichem oder ähnlichem Namen auf Geld aus waren. (Foto: Martin Krusche)
Das Wort „original“ im Gruppennamen verweist darauf, daß kommerziell erfolgreichen Formationen der Unterhaltungsindustrie sehr schnell Nachahmer am Hals hatten, die mit gleichem oder ähnlichem Namen auf Geld aus waren. (Foto: Martin Krusche)

Ernste „Traditionspfleger“ machen es uns dabei nicht immer leichter. Notfalls wird eine deutliche Stellungnahme vermieden, um auf diese Art das eigene Territorium zu befestigen. Klingt dubios? Ist es auch!

Aber es gibt wohltuende Ausnahmen. Im Kurier erschien am 3. März 2016 ein Interview (Barbara Mader), in dem Franz Posch, der Moderator von „Mei liabste Weis“, sich klar deklarierte. Er sei ein „volksmusikalischer Denkmalschützer“, zu keinerlei Kompromissen bereit.

Der „leidenschaftliche Jazz-Musiker“ hört privat „am liebsten Klassik. Bruckner, Mahler, Wagner.“ In seiner Sendung gehe es um eine Volksmusik, in der regionale Unterschiede erkennbar würden. „Das gilt auch für Dialekt und Brauchtum.“

Diese Unterscheidbarkeit nach regionaler Herkunft scheint ein nützliches Kriterium zu sein, wenn man nach „traditioneller Volksmusik“ fragt. Was dagegen die Unterhaltungsindustrie hervorbringt, läßt sich nach eben diesem Kriterium überhaupt nicht zuordnen, hat keine lokale Herkunft von Bedeutung.

Christian Nell (Mitte) zählt in wechselnden Formationen zur traditionellen Volksmusik Österreichs. (Foto: Martin Krusche)
Christian Nell (Mitte) zählt in wechselnden Formationen zur traditionellen Volksmusik Österreichs. (Foto: Martin Krusche)

So habe etwa in der Sendung von Posch Andreas Gabalier keinen Platz. „Ich verurteile das aber auch nicht.“ Von jüngeren Mischformen, die sich auf Tradition berufen, und dann etwa mit „Volxmusik“ etikettiert werden, hält Posch allerdings nichts. „Ich kann das nimmer hören, dieses ewig Kraut und Rüben. Da wird alles vermischt.“

Er begründet diese Ansicht gut nachvollziehbar. Auch die Brauchtumspflege ist schließlich Veränderungen unterworfen, kennt Neues. „Ja, aber in einer langsamen Entwicklung. Es muss nicht ständig etwas Neues geben, weil Volksmusik nicht kommerziell ausgerichtet ist.“

Blasmusik wie die der Stadtkapelle Gleisdorf zählt zwar zur Volkskultur, aber nicht ohne weiteres zur Volksmusik; ihre Repertoire reicht durch die Zeiten und Musikgenres. (Foto: Martin Krusche)
Blasmusik wie die der Stadtkapelle Gleisdorf zählt zwar zur Volkskultur, aber nicht ohne weiteres zur Volksmusik; ihre Repertoire reicht durch die Zeiten und Musikgenres. (Foto: Martin Krusche)

Hier bietet Posch ein nächstes Kriterium. „Volksmusik braucht das nicht, es gibt ja auch keinen Volksmusiker, der davon lebt.“ Demnach gehöre also zur Volksmusik, die er für identitätsstiftend hält, mindestens eine regionale Unterscheidbarkeit und das außerberufliche Spielen, welches nicht dem Broterwerb dient.

Im „Jahrbuch der steirischen Volkskultur 2015“, die aktuelle Ausgabe, findet man ein Portrait des Sepp Forcher, der mit seiner Sendung „Klingendes Österreich“ in der Sache ebenfalls als tonangebend gilt. Monika Primas hat mit ihm zwei Gespräche geführt, aus denen leider kaum zu erfahren ist, was er meint, wenn es um Volksmusik geht.

Es kommt dann auf Umwegen etwas daher. Forcher habe „von Anfang an“ ein „großes Bestreben und einen innigen Wunsch“ gehabt, nämlich „Sich klar vom ‚Musikantenstadl’, der fünf Jahre davor auf Sendung gegangen war, abzuheben“. Gilt daher ein Umkehrschluß, daß Volksmusik ist, was nicht im Musikantenstadl gespielt wurde? (Zu unscharf!)

Primas schreibt, Forcher sei „unmittelbar mit dem Thema Volkskultur verbunden“, wenn er sich „jedes Mal wieder den unterschiedlichsten spezifischen Regionen im Lande widmet“. Deutlicher wird es leider an keiner Stelle des Textes.

Aber vielleicht genügt das ja auch. Volkskundler Hermann Bausinger betont zum Beispiel, das „Volkslied“ werde zwar im allgemeinen als eine „naturwüchsige Species“ charakterisiert, das sei aber eine „wertende Setzung“ und keine „beschreibende Kategorie“.

Hermann Fritz, aktiver Musiker und Musikethnologe, schrieb für eine „Sommerakademie Volkskultur 1993“ in seiner „Bastelanleitung für Volkskulturbegriffe“: „Definieren ist nicht schwer. Definieren kann jeder. Man braucht kein Wissenschaftler zu sein, um definieren zu können. Eine Definition besteht aus zwei Schritten: erstens der Hervorhebung des Gegenstandes, zweitens der Namensgebung.“

Die „offizielle“ Volkskultur der Steiermark nimmt Veränderungen und neue Strömungen durchaus zur Kenntnis und beschreibt, was aufzufinden ist; ausgenommen „Volkskultur im der technischen Welt“. (Foto: Martin Krusche)
Die „offizielle“ Volkskultur der Steiermark nimmt Veränderungen und neue Strömungen durchaus zur Kenntnis und beschreibt, was aufzufinden ist; ausgenommen „Volkskultur im der technischen Welt“. (Foto: Martin Krusche)

Er hilft uns in der Sache auf die Sprünge: „Sie werden sich jetzt wahrscheinlich wundern, warum Wissenschaftler über ‚den’ Volkskulturbegriff streiten, wo die doch genau wissen, daß es nicht einen, sondern mehrere gibt. Der Grund dafür ist, daß ‚Volkskultur’ keine gewöhnliche Benennung ist, sondern ein Relevanzsignal, ein Wichtigkeitsetikett.“

Erstmals in der KW 13/2016 publiziert in der Reihe „Kultur kurios“ bei „WOCHE