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Alfred Waitzl#

(Archiv externer Beiträge, Blatt #46)#

von Martin Krusche

Nur die Hälfte des heutigen Verkaufsraumes war einst Laden. Die andere Hälfte ein Speiseraum für die Bäcker. So ist das in "alten Zeiten" gewesen. Zum "ganzen Haus" gehörte nicht bloß die Familie. Auch die Arbeitskräfte zählten dazu.

Waitzl, die "Backstube am Hauptplatz", besteht seit 1796. Da tritt eben die sechste Generation an. Alfred Waitzl hat den Betrieb 1985 übernommen. Er ist praktisch im Betrieb aufgewachsen, hat den Beruf Ende der 60er-Jahre erlernt.

Bis Mitte der 50er gehörte eine Landwirtschaft dazu. Mit Viehbestand. Alles für den Eigenbedarf. Waitzl hat das Schlachten im Haus noch miterlebt. Seine Lebenszeit liegt in jenem Bogen großer Veränderungsschübe, welche die Berufswelt nach dem Krieg erfuhr. Die Zeit der "Modernisierung". Das reißt irgendwie nicht mehr ab. Waitzl: "Man muß sich immer umschauen, daß man vorne dabei ist."

Bäcker sein, das ist seit jeher Nachtarbeit. Der Mischer beginnt um ein Uhr morgens. Um zwei Uhr bereiten die Tafelarbeiter den Teig auf. Dann wird gebacken. Gegen vier Uhr ist das erste Brot da. Seinerzeit verarbeitete man Roggenmehl. Dann eine Mischsorte, das sogenannte Weizenbrotmehl. Und reinweißes Mehl. Es gab weißes und schwarzes Brot, Semmeln. Fertig. Die heutige Vielfalt war unbekannt.

Bauern brachten ihr eigenes Korn. "Das haben wir bei uns gelagert." Der Müller holte es und lieferte Mehl. "Die Bauern haben nur den Backlohn bezahlt." Waitzl war schon früh eine "Elektrobäckerei", heizte also mit Strom. Während herkömmliche "Dampfbäckereien" mit Holz und Kohle befeuert wurden. "Die Nachtspeicheröfen hast du am Abend aufgeheizt. Nach dem Abschalten waren die noch fünf Stunden heiß zum Backen." Heute wird mit Öl geheizt.

Bäcker Alfred Waitzl
Bäcker Alfred Waitzl

Wenn Brot auch nach vier Tagen noch gegessen werden kann, liegt das am sogenannten "Dampfeln". Waitzl betont: "Das ist vom alten Schlag. Davon geh ich nicht ab." Dafür wird Restteig verarbeitet, mit Wasser und Mehl alle fünf Stunden aufgerührt. Als Basis für den neuen Teig. "Da ist auch keine Chemie dabei."

Das bringt nicht nur ungewöhnliche Haltbarkeit, sondern auch eine besonderen Geschmack. Hier gilt also noch Tradition. Andere Produkte basieren auf fertigen Backmischungen, die der Bäcker selbst mit Gewürzen verfeinert. Das ist die moderne Art. Dennoch kein Vergleich mit Großbetrieben, wo etwa 16.000 (!) Semmeln pro Stunde aus der Maschine kommen. Handsemmeln macht freilich auch Waitzl nicht mehr. Bei den Feinbackwaren, beim "Süßen", wird allerdings noch zugepackt.

Bäcker haben nicht nur Konkurrenz in den eigenen Reihen. "Daß die Supermärkte jetzt selber backen, bekommt jeder zu spüren." Dort werden zum Beispiel tiefgefrorene "Teiglinge" von Großbetrieben verarbeitet.

Für manche Bäcker hieß das ein Minus von 30 Prozent Umsatz. Dagegen setzt Waitzl auf Qualität und Frische. Das heißt zum Beispiel, am Vormittag noch einmal zu backen. Oder Service im Nahversorgungsbereich. So sind Fahrer im Einsatz, die in der Umgebung von Gleisdorf für ein entsprechendes Angebot sorgen.

Alfred Waitzl sieht die Zukunft unsentimental. Da seien zwei Wege. Man könne ständig expandieren. Das heißt: laufend investieren. Aber von solcher Art grenzenlosem Wachstums hält er wenig. Die andere Richtung: auf die Stabilität eines Familienbetriebes setzen. "Da weiß jeder, wo er reingeht. Und was er zu machen hat." Sein Sohn ist schon auf dem Weg.

Kontext#

Dieses kleine Feature ist ein Stück Hintergrundfolie zur Episode XXI: Kompakt. Komplex. (Ein Moment in der Stadt) im Projekt „Zeit.Raum“. Es war damals „Spuren“ #11 im Gleisdorfer Stadtjournal. Aktuell: Die Episode
Erstmals 2002 publiziert auf van.at