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Das hochrangige Gestammel#

Archiv externer Beiträge, Blatt #24#

von Martin Krusche

Darf ich die werten Kolleginnen und Kollegen bitten, mit Stichtag 30.4.2020 (notfalls rückwirkend) zur Kenntnis zu nehmen, daß heute und auf absehbare Zeit die Option Bedingungslosen GrundEinkommen als eine Basisfinanzierung für das Leben und die Arbeit von Kunstschaffenden vom Tisch ist?

Ich unterstreiche meine Behauptung deshalb, weil mir schon die ganzen Lockdown-Wochen die Ohren klingen, da ein aktueller kulturpolitischer Diskurs in diesem Bereich per Protestnoten simuliert wird, welche die Forderung tragen: „Bedingungslosen GrundEinkommen jetzt!“

Unterirdische Diskursäume? (Foto: Martin Krusche)
Unterirdische Diskursäume? (Foto: Martin Krusche)

Das ist Politik-Karaoke. Zeitvertreib ohne Nutzen, der offenbar die Anstrengungen eines längerfristigen Diskurses ersetzen soll. Mein Einwand lautet, es gebe vorerst keinerlei errungenes Fundament, auf dem auch nur die Spur einer Hoffnung ruhen könnte, dieses Konzept (BGE) wäre eine absehbare Hilfsmaßnahme für die Existenzen Kunstschaffender.

Mein Appell: Wir brauchen im Augenblick andere Ideen und folglich andere Strategien, um JETZT Wirkung aufzubauen, dank derer Kunstschaffenden nun eine Verbesserung ihrer Lage erführen. (Mit dem Thema BGE ist kurzfristig nichts zu machen.) Wir brauchen JETZT eine kohärente Debatte über eine nächste Kulturpolitik.

Dabei spielt das BGE auf absehbare Zeit keinerlei Rolle, denn ich kenne keine einzige gewichtige politische Formation, die das Thema demnächst anpacken würde. Ich kenne auch keinen breiteren öffentlichen Diskurs, über den wir Kunstschaffende diesbezügliche Ideen hinaustragen könnten.

Hier eine kleine Notiz, in der ich Vizenkanzler Werner Kogler zitiere. Das Interview ist im Web verfügbar. Man kann sich selbst davon überzeugen, wie fern selbst ein hochrangiger Grüner diesem Thema steht und wie er sich im Gespräch windet, um davon wegzukommen.

Die Notiz#

wo steht die debatte zum bedingungslosen grundeinkommen derzeit? fellner erwähnt hier auch explizit künstler. kogler weicht weiträumig aus. seine antwort betont erst einmal KURZARBEIT als hilfsmaßnahme, was ja mit den BGE genau genommen NULL zu tun hat.

dann spricht er über die arbeitslosenversicherung, über familien mit kindern, denen geholfen werden müsse. das hat jetzt auch eher nichts mit dem BGE zu tun. er erwähnt den familienhättefonds. (der stünde nun bei 60 millionen…)

das berührt genau NULL die frage, ob ein staatsvolk in sein geistiges leben investieren könnte, indem es kunstschaffenden eine basis per bedingungslosem grundeinkommen schafft, dessen bezug präzisen regeln unterliegt.

dann sagt kogler: „und das grundeinkommen, das ist eine alte debatte. ich find die ganz spannend, mit oder ohne corona, ah, die, glaube ich, ah, ist, gibt keine parteien noch, wo das eine mehrheit, eine große mehrheit hätte, außer bei der grundeinkommens-partei selber. ich würde meinen, daß das jetzt zwar ein interressanter ansatz ist, aber dann ist eines die logische konsequenz, wenn du jedem jetzt ein-, oder zweitausend euro zahlst aufgrund von corona, dann…“

hier breche ich das zitat ab. man kann es sich ja online in ruhe anhören. „wenn du jedem jetzt ein-, oder zweitausend euro zahlst aufgrund von corona…“ ist nach dem gestammel ein unmißverständliches wegwischen des themas BGE.

Wichtiges Post Scriptum#

Ich ersuche dringend, mir nun hier banale Dummheiten und alle Arten von Politiker-Bashing zu ersparen. Was immer jemandem diesbezüglich einfällt, ich hab es schon gehört oder gelesen. Ich bin an Boulevard-Posen nicht interessiert. Ich bin auch niemandes Frust-Mistkübel.

Was mich interessiert? Ein möglichst brauchbarer Befund unseres Status quo und eine relevante Debatte über eine nächste Kulturpolitik als Teil der Arbeits- und Lebensbedingungen von Kunstschaffenden. (Wer sich bloß ausrotzen möchte, soll sein Geld zusammenkratzen und einen Profi bezahlen, daß er sich das anhört.)

Erstmals publiziert in der KW 18/2020 im „Kunst Ost