Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Schreibpult in einer aufgelassenen Textilfabrik in Neudau
Schreibpult in einer aufgelassenen Textilfabrik in Neudau

Mein Kontor#

(Ein Mission Statement)#

Von Martin Krusche#

Ich fand nun einige Gelegenheiten, diese Wald-Metapher, wie ich sie aus Bradburys „Fahrenheit 451“ übernommen hatte, zu debattieren, zu überdenken. Ich mag sie beibehalten; quasi als eine Markierung der Stelle, wo etwas auf anderer Ebene begonnen hat. Dieses Andere ist mir aber inzwischen wesentlich klarer und auf dieses „Waldstück“ nicht eingrenzbar.

Das alles klingt in einer Textpassage an, die aus der Zeit.Raum-Episode XVIII („Brandzeichen. Eine Komplexität“) stammt. Zitat: „Damit bin ich nun einen wesentlichen Schritt vorangekommen, um jenes Themenpaket zu konkretisieren, an dem ich in die nahe Zukunft hinein - gemeinsam mit anderen inspirierten Menschen - arbeiten möchte. Im Sinn einer kollektiven, prozeßhaften Wissens- und Kulturarbeit.“

Das bedeutet auch, ich mag diesen kollaborativen Aspekt nicht aufgeben, obwohl das ein Modus ist, der im heimischen Kulturbetrieb wenige Beispiele hat. Ich aber ziehe das vor, um auf diesem Weg meine stillen Stunden zu ergänzen, in denen ich für mich bin, um schweigsam an einer Aufgabe zu arbeiten. Die Praxis des Kontrastes ist mir unverzichtbar.

Im besten Fall hat das dann Momente, in denen das Multidisziplinäre zum Interdisziplinären wird. Das meint eine Entwicklung jenseits der freundlichen Nummern-Revue. Nicht bloß ein Kombinieren verschiedener Kompetenzen, ein Aneinanderreihen, sondern auch das eigene Eingehen in eine Domäne der Anderen.

Meine Zusammenarbeit mit Fotograf Richard Mayr ist ein anschauliches Beispiel, denn ich bin in visuelle Codes vernarrt und fotografiere so gut wie täglich. Aber ich verwechsle das nicht mit dem was er kann und tut. Ich sehe an seinen Zugängen und an der gemeinsamen Praxis, was den Fotografen ausmacht, also ihn, was schließlich von einer ganzen Reihe an Fertigkeiten handelt, über die ich nicht verfüge. Doch im Kern teilen wir etwas. Das Denken in Bildern statt in Worten, das Lesen visueller Codes, das Verständnis von Erzählungen auf dieser Ebene.

Bild 'neudau'

Begriffsgeschichten...#

Ich weite derlei Möglichkeiten nun erneut aus. Das verankere ich hier in einer Leiste, die ich „Kontor“ nenne; was ich freilich lieber in der alten Schreibweise nutzen würde: Comptoir. Aber diese Version ist heute noch weniger bekannt als das ohnehin etwas antiquierte „Kontor“. Jener Begriff, für den wir heute „Büro“ sagen, hat eine lange Geschichte, die bis ins späte Mittelalter zurückreicht. Der wiederum war ursprünglich „Bureau“ zu schreiben, was ein Pult meint, ein Amt, na, diese Zusammenhänge werde ich hier nicht weiter erläutern müssen.

Comptoir und Bureau sind gewissermaßen Metaphern. Also beschrifte ich die Schnittstelle in meinem Projekt „Fahrenheit reloaded“ mit diesem Wort „Kontor“, denn da werden inspirierte Menschen andocken können. Da werden wir gelegentlich zusammengreifen, um eine komplexe Erzählung zu entfalten.

Das bedeutet ferner, ich leite die weitere Projektentwicklung aus meinen aktuellen Arbeitskontakten ab. Dieser Tage konnte ich mir in solchem Zusammenhang geradezu bekräftigende Eindrücke von einer konventionellen Gruppenausstellung holen, woraus sich eine Bestätigung für meinen aktuellen Arbeitsansatz ergab.

Es ist mir nicht möglich, ein Set mit Arbeiten von fast drei Dutzend Leuten zu rezipieren. Zu viele völlig verschiedene Werke bewirkten, daß ich auf der Suche nach Kohärenz der Ausstellung völlig gescheitert bin.

Ich finde es provokant, wenn dabei erkennbar wird, daß wieder einige Leute irgendeine Arbeit auf das gestellte Thema hindeuten, um dabei zu sein. Ich vergeude meine Zeit, wenn ich dem Verlesen eines Kuratoren-Textes lauschen soll, einem etwas schlampigen Konstrukt, das mir Zitate von „bedeutenden Kuratoren“ aufdrängt und bei Umberto Eco endet.

Solches Legitimationsgeschäft für a) Fördergeber und b) ein Bildungsbürgertum in der Provinz finde ich ziemlich uninteressant. Mich zieht an, was aus aktuellen Wechselbeziehungen, Debatten und stellenweisen Kooperationen entsteht, was also den Geist der gegenwärtigen Auseinandersetzung atmet.

Ich halte es zwar für legitim, der Kunstpraxis erhebliche Repräsentationspflichten aufzuerlegen, für mich als Künstler ist das aber völlig nachrangig bis störend. Eine „Kunst um zu…“ bleibt mir sowieso suspekt und pädagogische Agenda haben da nach meinem Geschmack überhaupt nichts zu suchen. Ich war noch nie ein Freund „engagierter Kunst“. Doch es gilt das Prinzip: Antwortvielfalt!