Die Raab und Konsorten#
(Einige Anmerkungen über Flüsse II)#
Von Martin Krusche#
Archivbereich! Fortsetzung bei Kunst Ost: Raab#
Gleisdorf liegt an der Raab. Ein Fluß, der etliche Querverbindungen aufweist, mit denen sich eine Art Koordinatensystem der Region darstellen läßt. Das meine ich nicht bloß im topographischen Sinn, sondern auch sozialgeschichtlich. Die Raab entspringt im Raum Passail, im Gebiet der Teichalm. Sie ist für die Raabklamm namensgebend. (Die längste Klamm Österreichs.)
Über Sankt Ruprecht führt das Gewässer nach Gleisdorf, Feldbach und Fehring, wo das Burgenland nahe liegt, um dort zwischen Jennersdorf und Szentgotthárd Ungarn zu erreichen, schließlich den geschichtsträchtigen Ort Mogersdorf. Bei Győr mündet die Raab in die Mosoni Duna, einen Seitenarm der Donau. Einige Nebenflüsse der Raab sind für unsere geschichtliche Betrachtung von Bedeutung, vor allem der Weizbach, die Lafnitz und die Pinka.
Von Gleisdorf aus gesehen ist auch die Feistritz zu beachten, weil dieser Fluß zu einer Kraftquelle für die Elektrifizierung der Stadt wurde. Ihre rund 115 Kilometer Länge ziehen eine markante, vor allem reichlich mäandernde Spur durch einen Teil der Oststeiermark. Dabei durchquert die Feistritz Fürstenfeld, bis sie schließlich in die Lafnitz mündet. (Auf diesem Weg nimmt sie bei Ilz den Ilzbach auf.)
Vor Ort#
Ich war eben erst wieder in einem meiner bevorzugten Abschnitte der Raab, um mir jenes Kleinkraftwerk anzusehen, das die Feistritzwerke dort kürzlich errichtet haben, womit eine alte Anlage zu ersetzen war. Den Anstoß dazu gaben neue gesetzliche Bestimmungen. Die alte Wehranlage des einstmaligen Betriebs verlangte nach einer gesetzeskonformen Adaption. (Zum Standort siehe unten: „Brücke, Mühlhausenstraße“!)Auf der Brücke residiert Nepomuk, der prominenteste Wasserheilige. Das Objekt wurde erst kürzlich renoviert. (Sie finden es in unserem Buch „Wegmarken“.) Die Brücke selbst ist unverändert, aber die Flußlandschaft südlich davon wirkt derzeit äußerst aufgeräumt. Das wird so wohl nicht bleiben.
Exemplarisch#
Dieses Ensemble ist ein typisches Beispiel für die historische Nutzung von Wasserkraft. Um 1822 bestand hier ein Mühlgang, der als Kraftquelle für die „Sprungmühle“ diente. Anno 1899 wurde daraus ein eisenverarbeitender Betrieb. In den 1920er Jahren gab es dort eine Sensenerzeugung. (Sensen und Sicheln aus der Steiermark hatten – dank des hochwertigen Norischen Eisens – einstmals Weltrang.) Später wurde aus dem Hammer- und Schmiedebetrieb ein Sägewerk. Seit 1951 gibt es die Stromproduktion per Kraftwerk.Mühle, Hammer, Sägewerk und Kraftwerk, das ist die Kurzfassung eines zentralen Bereiches steirischer Technologiegeschichte. Nördlich der erwähnten Staustufe liegt das Säge- und Hobelwerk Felber. Es besteht seit 1963; und zwar auf dem Terrain einer einstigen Hofmühle, die zum Schloß Mühlhausen gehörte. (Der Familienbetrieb wird derzeit in fünfter Generation geführt.) Auch da kann man sich eine Wehranlage anschauen; und zwar am besten vom Mühlweg aus.
Weiter flußaufwärts überquert eine Eisenbahnbrücke von völlig schnörkelloser Bauart den Fluß. Außerdem findet man als westliches Tor in der Zufahrt zu Gleisdorf die eben erst neu errichtete Bogenbrücke mit abgehängter Fahrbahn in der Grazerstraße. Davor war auch hier ein sehr nüchternes Bauwerk, eine nackte Balkenbrücke, über die Raab gelegt. (Während der Umbauphase führte parallel dazu eine ansehnliche Behelfsbrücke.)
Linien und Kräfte#
Straßen, Flüsse, Eisenbahnlinien, die Transportwege und Kommunikationslinien. Dazu paßt das erste Postamt dieser Gegend, eine Markierung auf der Strata hungarica. Die Anlage besteht mitten in Gleisdorf, befindet sich in Privatbesitz, und wurde zum Glück restauriert, gegen den Verfall gesichert. (Darauf komme ich bei anderer Gelegenheit noch zurück.)Zusammenhänge, Bilder und Begriffe... Der Bach wird zum Fluß und dieser zum Strom. Zwei der Wörter – Fluß und Strom – sind auch mit der Elektrizität assoziiert. Das altgriechisch Wort ēlektron steht für Bernstein. Das fossile Harz wird durch Reiben zu einer Quelle von statischer Elektrizität. Dieses Phänomen kannte ich als Kind, weil unter meiner Kleidung manches Mischgewebe war, das sich durch Reibung statisch auflud. Damit konnte man seine Haar zum Stehen bringen. Meine Kopfhaut erinnert sich noch daran, wie sich das anfühlt. Manchmal entlud sich aus der Kleidung solche Spannung derart heftig, daß man mit der Hand unter dem Stromschlag zurückzuckte.
Ich hab im vorangegangenen Text (Das Strömen. Einige Anmerkungen über Flüsse.) schon skizziert, was uns die Flüsse als Transportwege und Kraftquellen einst waren, bevor wir über Motoren verfügten. Die Dampfmaschinen haben das dann nicht überflüssig gemacht. Immerhin ließen sich Lokomotiven und Dampftraktoren als eine technische Lösung deuten, durch die quasi die Flüsse in Kessel gepackt wurden. Aber das ist reichlich metaphorisch.
Heute sind, so sagt man mir, rollende LKW oft billiger als Lagerhäuser. Und Massengüter kommen weiterhin übers Wasser. Mit Containerschiffen, die sich manchmal in einem Kanal verkeilen können. Naja, das betrifft allerdings nicht die oststeirischen Flüsse. Wäre eventuell noch von popkulturellen Referenzen an Flüsse zu erzählen, von „Ol' Man River“ über „Orinoko Flow“ bis zu „The River“ von Bruce Springsteen. All dem ist der Strauss'sche Donauwalzer als äußerst populäres Musikstück vorangegangen.
Einige der genannten Stellen#
- Die Brücke bei der Glieder-Wehr (Mühlhausenstraße/Hinterbergweg)
- Das Säge- und Hobelwerk Felber
- Die Eisenbahnbrücke
- Die Raabbrücke in der Grazerstraße
Kontext#
Teil I#
- Das Strömen (Einige Anmerkungen über Flüsse.)
- Startseite: Die Natur Mensch. Eine Annäherung.
- Foto: Martin Krusche