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Die literarisch relevante Brücke über die Drina (Mehmed Paša Sokolović-Brücke)
Die literarisch relevante Brücke über die Drina (Mehmed Paša Sokolović-Brücke)

Das Strömen#

(Einige Anmerkungen über Flüsse I)#

Von Martin Krusche#

Ehe wir Motoren hatten, Maschinen, die durch Kraftstoffe angetrieben wurden, war in unserem Lebensraum die Wasserkraft ein bedeutendes wirtschaftliches Element, das mit der komplementär angelegten Zugkraft von Tieren ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten eröffnete. Bevor ich nun speziell auf ein interessantes Koordinatensystem oststeirischer Flüsse eingehe, kurz eine etwas grundsätzlichere Erörterung.

Die Wasserkraft hat bei uns mehr als tausend Jahre dominiert, weil unsere Landschaften seinerzeit für Windmühlen nicht gar so geeignet erschienen. (Wir können solche Werkel noch heute von Norddeutschland und Holland bis nach Griechenland finden.) Wo Windräder nicht naheliegend waren und Wasserräder gerade stillstanden, konnte man Menschen und Tiere in sogenannte Göpel einspannen, um damit Geräte anzutreiben. Doch Wasser war dem naturgemäß jederzeit vorzuziehen.

Die Mur ist nicht gerade ein Bächlein. Aber erst am Ufer der Donau bekam ich einen Eindruck, was ein Strom ist, auch wenn man über sie als von einem Fluß spricht. Sie ist das Element von Schiffen, Fähren und Brücken. Ich kann mich daran kaum sattsehen. Es zählt für mich allerdings auch der kleinste Steg abseits aller Hauptereignisse.

Selbst einen Baumstamm, der über einen Bach führt, finde ich faszinierend. Manche Flüsse sind nur ein trockenes Bett, das sich bloß einige Zeit im Jahr mit Wasser füllt (Wadi). Andere versickern im Sand, wahlweise im Karst, verschwinden einfach. Oder es sind welche mit dickem Eis bedeckt. Es gibt selbstverständlich auch unterirdische Flüsse.

Kulturelles#

Flüsse werden eventuell zu einem prägenden kulturellen Begriff, wie beispielsweise das Mississippi-Delta in seiner Verknüpfung mit dem Blues. Oder sie gewinnen literarischen Rang, wie – durch Dostojewski – die Fontanka in St. Petersburg. Michail Scholochow schrieb „Der stille Don“, was 1965 mit dem Nobelpreis für Literatur prämiert wurde. Ebenfalls in dieser Liga befindet sich „Na Drini ćuprija“, also „Die Brücke über die Drina“, auf der ich schon gestanden hab. Ivo Andrić erhielt für dieses Werk 1961 den Literaturnobelpreis.
Die Donau bei Beograd
Die Donau bei Beograd

Flüsse haben vielfältige geschichtliche Dimensionen. Teils als eine Quelle von Fruchtbarkeit und damit von Nahrung, andrerseits als unverzichtbarer Transportweg für Massengüter, die man in früheren Zeiten nicht über Land bewegen konnte. Sie sind aber auch Reiseroute oder ein Rettungspfad für Verirrte. Sie taugen als Kriegsschauplätze. Flüsse eignen sich als Energielieferanten und Thermosenken, als Lebensraum und Todesfalle, als Barrieren und als Grenzmarkierungen, als Anlaß für den Boots- und Brückenbau.

Militärs befassen sich natürlich mit diesem Thema. „Ein beträchtlicher Fluß, welcher die Richtungslinie des Angriffs durchschneidet, ist immer eine sehr unbequeme Sache für den Angreifenden; denn er ist, wenn er ihn überschritten hat, meistens auf eine Brücke eingeschränkt und wird also, wenn er nicht dicht an demselben stehenbleiben will, in all seinem Handeln sehr beengt sein.“ So beginnt ein „Achtes Kapitel: Flußübergänge“ in „Vom Kriege“ des Carl von Clausewitz.

Eines der prominentesten Beispiele für die besonderen Bedeutung eines Flusses und den strategischen Wert seiner Überquerung betrifft die Donau im Kampf Österreichs gegen die Osmanen anno 1717. Das Lied ist seit 1719 schriftlich dokumentiert und beginnt mit diesen Zeilen: „Prinz Eugen, der edle Ritter, / wollt' dem Kaiser wied'rum kriegen / Stadt und Festung Belgerad. / Er ließ schlagen einen Brukken, / daß man kunnt' hinüber rukken / mit d'r Armee wohl in die Stadt.“

Grenzen#

Unsere Vorstellungen von Landesgrenzen sind jung. Ein topographisch präzise definierter Nationalstaat, das war vor kurzem noch gar nicht realisierbar. Taugliche Landvermesseung begann erst Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Triangulieren, die Dreiecksvermessung, ist zwar seit dem 17. und 18. Jahrhundert bekannt, aber Grenzerfahrungen machten die Menschen vor allem über natürliche Markierungen oder Barrieren. Gebirgszüge, Flüsse... Und im Alltagsleben zum Beispiel mit dem Feldrain.

Der „Roan“ ist ein Streifen Bodens am Rand von Feldern. Dazu kommen Wege, um die Felder zu erreichen. In der bäuerlichen Welt hieß es oft: „Um den Weg und den Rain ist die Welt immer zu klein“. Das war oft ein Anlaß für Streitigkeiten, konnte auch zum „Roanschindn“ führen. Dieses „Rainschinden“, also das heimliche Versetzen von Grenzsteinen, wurde in manchen Gegenden und Zeiten geradezu unmenschlich hart bestraft.

Die Raab bei Gleisdorf
Die Raab bei Gleisdorf
Das Brückenbaumuseum in Edelsbach bei Feldbach
Das Brückenbaumuseum in Edelsbach bei Feldbach

Bis heute erzählen mir Bürgermeister. daß manchmal in den amtlichen Unterlagen Grundstücke definiert sind, etwa in aneinandergereihten Streifen, da fehlt bei aktueller Prüfung und Neuvermessung plötzlich ein Grundstück, weil die Aufzeichnungen mit den vorgefundenen Territorien nicht übereinstimmen. Derlei Mängel an Präzision in einem Kataster sind also bis heute zu entdecken. Bieten Flüsse dagegen genauere Grenzen, auch wenn keine Dokumente vorhanden sind?

Nein, das tun sie nicht, weil sie ihren Verlauf stets ändern, falls der Mensch nicht korrigierend eingreift. Dennoch haben Grenzflüsse Bedeutung und Gewicht. Ein Flußbett bewegt sich. Teils durch Überschwemmungen, unter denen sich das alte Bett verwandelte. Teils durch Erosion. Wenn Flüsse aus den Bergen heraus ins Flachland kommen, beginnen sie zu mäandern. Das heißt, sie bilden Schlingen, werden „kurviger“. Das eine Ufer so einer Schlinge gilt als Prallhang (Kurvenaußenseite), das andere als Gleithang (Kurveninnenseite).

Der Fluß trägt am Prallhang Material ab, nimmt es mit und lagert es an flacheren Uferstellen ab. So wandern Flußbiegungen nach außen und es kann folglich auch zu einem Mäanderdurchbruch kommen. Das bedeutet, der Fluß bahnt sich den kürzeren, den geraden Weg und schneidet so die Schlinge vom Hauptstrom ab. Sie bleibt als Altarm zurück.

Es kam aber auch oft genug vor, daß Menschen verändernd eingriffen, manchmal sogar einen Flußverlauf komplett verlagerten, um eine Grenze zu verschieben und sich dadurch jemandes Boden anzueignen. Man kann einen Kanal graben. Oder man kann einen Fluß in eine anderes, schon vorhandenes Bett umleiten. Alles schon dagewesen...

  • Zum Brückenbaumuseum siehe: „Brückenschläge“ (Reflexionen über einen besonderen Ort)

Die Fortsetzung#