Flocke: Zora I#
(Ein Akzent)#
von Martin KruscheErst hatte ich, um ein neues Vorhaben einzuleiten, notiert: „Das bosnische Wort für Morgenröte lautet Zora. Ich hab es aus einer Liedzeile übernommen: ‚Sabah zora zivom bojom‘. Das bedeutet etwa: ‚In lebendigen Farben dämmert der Morgen‘." Die Metapher für eine günstige Zukunft.
Dann saß ich kürzlich mit Flurim Zeqiri, auf den ich später noch näher eingehen werde, an einem Tisch. Er war mir im Kosovo ein wichtiger Wegbegleiter gewesen. Bei diesem unserem jüngsten Gespräch sagte er unter anderem: „Alte Männer beginnen Kriege, in denen junge Männer sterben.“ (Flurim weiß viel von diesen Dingen, denn er war in den 1990ern als UCK-Kämpfer in den Wäldern gewesen.)
Das notiere ich gerade heut, am 10. Juli 2025, also am Vorabend zu jenem Tag, an dem viele Menschen die Erinnerung an den Juli 1995 wach halten. Damals hatte Radko Mladic mit seiner Soldateska im Raum Srebrenica in erschreckend kurzer Zeit rund achttausend bosnische Knaben und Männer umgebracht, ferner tausende bosnische Leute vertrieben.
Diese serbischen Schlächter haben unter den wachen Augen des untätigen Europas daran weitergearbeitet, eine Ethnie auszurotten. Eine völlig irrationale Anmaßung, die aus unserer Kultur bisher nicht wegzubringen war. Da liegt also für eine gedeihliche Zukunft Europas noch viel Arbeit vor uns.

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