Flocke: Ich bin ein Zehnprozenter#
(Eine kulturpolitische Position)#
von Martin KruscheAnfangt der 1980er Jahre hatte, wenn ich mich recht erinnere, Kabarettist Leo Lukas den Reiseplan eines Ministers in Erfahrung gebracht. So konnten wir, ein Rudel steirischer Kunstschaffender, seinen Weg kreuzen, ihm ein Ständchen darbringen und eine freundliche Note überreichen.
Ich mußte das jetzt erst recherchieren. Helmut Zilk war von Mai 1983 bis September 1984 Österreichs Unterrichtsminister, dabei auch für Kultur zuständig. So konnte ich die G’schichte in meinen Chroniken finden: „Graz, im Februar 1984“.
Ich blicke also auf rund 40 Jahre praktischer Erfahrung zurück, in der auf höchst vielschichtige Arten Kräfte der Kulturpolitik besungen bis angebrüllt wurden. Ich erinnere mich an keine einzige Aktion, der eine gut belegbare kulturpolitische Konsequenz gefolgt wäre.
Daher neige ich zur Ansicht, das Kräftespiel müsse gewendet werden, um mehr Wirkung zu generieren. Wenn wir, das Kunstvölkchen, vom Modus „Du sollst!“ zum „Wir werden!“ wechseln würden, und zwar in der operativen Arbeit gleichermaßen wie im öffentlichen Kunstdiskurs, müßte die Kulturpolitik merklich reagieren, sich ändern.
Also in der Debatte kein simples Formulieren von Protestrufen und Slogans, kein Anbrüllen von Leuten, sondern ein permanentes Diskutieren und Darlegen aller Aspekte unseres Metiers. Denn wir sind die Sachpromotoren. Wir wissen, wovon zu reden ist. Und für die Praxis? Ich bin ein Zehnprozenter.
Es ist ja klar, daß sich Kunstschaffende primär um ihre Werk und dessen Verbreitung sowie um den Broterwerb kümmern müssen. Aber ich stecke seit Jahren prinzipiell mindestens zehn Prozent meiner Arbeitskraft und meiner Kompetenzen in die Arbeit anderer Leute.
Das ist kein Quantum, von dem meine Existenz belastet oder gar bedroht wäre. Es fällt mir leicht, das zu erübrigen. Malen Sie sich folgendes aus: Wenn zehn Leute so handeln, ohne sich übermäßig zu verausgaben, gibt es für das Kollektiv einen Leistungszuwachs von quasi einer ganzen Person. Mit so einem Modus praktischer Solidarität würde sich etwa regionale Kulturpolitik markant verändern.
Das ist gar nicht so altruistisch, wie man auf Anhieb meinen möchte. Es ergibt nämlich den Gewinn an Stabilität und Autonomie eines Kreises Kunstschaffender, von dem alle Beteiligten profitieren. Glauben Sie nicht? Probieren Sie es für eine Weile und erzählen Sie mir dann, was passiert.
- Zurück zur Startseite: Flocke (Eine Kolumne)
- Kulturpolitik (Ein paar markante Stellen)