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1977: Mit der Enduro auf dem Balkan.
1977: Mit der Enduro auf dem Balkan.

Flocke: Die 1970er#

(Ein Fundament)#

von Martin Krusche

Ich bin ein Boomer. So war ich gegen Mitte der 1970er Jahre volljährig. Da konnte ich nach eigenem Geschmack über mein Leben verfügen, war aber entsprechend auf mich gestellt. Was ich damals noch nicht wissen konnte, macht der Rückblick deutlich. Die 1970er waren ein sehr außergewöhnliches Jahrzehnt, in dem sich einiges einlöste, was davor von recht hohen Barrieren umstellt gewesen ist.

Das betraf nicht bloß meine Biografie, sondern eine ganze Generation. Kulturell, sozial und politisch waren damals Kräftespiele in Gang, die einen enormen Möglichkeitsraum aufmachten. Noch nie zuvor hatte es in einem Teil der Welt für einen so großen Anteil der Bevölkerung ein derart beflügelndes Zusammenspiel von Sicherheit, Freiheit und wachsendem Wohlstand gegeben.

Das war in seiner Dimension und Stabilität völlig neu, wenn auch unbestreitbar in allerhand Bereichen auf Kosten anderer. Daraus ziehe ich heute den Schluß: Wer am Bestehenden nicht genug hat, steckt in Schwierigkeiten, denn mehr kann es nicht werden. (An der Verteilungsgerechtigkeit wäre freilich zu arbeiten.)

Die 70er Jahre boten außerdem einen fundamentalen Umbruch in Fragen der persönlichen Mobilität. Nie zuvor hatte eine Generation in zahllosen Garagen und Schuppen, auf großen und kleinen Kiesplätzen, so eine Menge an gebrauchten Motorrädern und Autos gesehen, wodurch man auch für sehr wenig Geld fündig werden konnte.

Es war gewissermaßen die zweite Welle einer starken Volksmotorisierung, deren erste Version Ende der 1950er mit leistbaren Automobilen begonnen hatte. Parallel entfaltete sich die Digitale Revolution als Dritte Industrielle Revolution. (Ab Mitte der 1980er sickerte dann der Gebrauch von Personal Computers in die Haushalte ein.)

Eine boomenden Medienwelt trug dazu bei, daß die Popularkultur uns aus der Enge einer bildungsbürgerlichen Dichotomie entließ, mit der ich als Kind aufgewachsen bin. Hier Volkskultur, da Hochkultur, dazwischen „Schmutz und Schund“, zuzüglich „Negermusik“. Dieses enge kulturelle Erklärungskonzept brach in mehreren Aspekten zusammen. Von der anderen Seite her kamen dazu starke Impulse aus der Gegenwartskunst. Nischen und Boulevard gerieten in heftige Wechselwirkungen.

Die 70er sind für mich keine nostalgische Kategorie, sondern ein emotionales Fundament. Das bedeutet, ich sehne mich nicht in diese Situationen zurück, sondern hab heute eine wirkmächtige Hintergrundfolie für mein aktuelles Leben. Die Erfahrungen und gewonne Kriterien aus diesen Jahren und der Zeit danach konnten auf eine Art entstehen, wie es für meine Eltern und Großeltern nicht möglich gewesen ist. Ein Weg, welcher aus der Barbarei herausführte.