Flocke: Der lyrische Türsteher III#
(Reibungspunkte)#
von Martin KruscheIch halte nichts von einem Autor, der mir ein konzeptionell und sprachlich sehr schwaches Gedicht vorlegt, das er mit einem Pin up-Foto aufzubrezeln versucht. Bei meiner sehr gründlichen patriarchalen Sozialisierung fällt es mir leicht, eine derart schlampige Kodierung zu entschlüsseln.
Außerdem bin ich gerade in diesem Aspekt gründlich geschult, da ich mich unter anderem seit Jahrzehnen mit Mobilitätsgeschichte und Automobildesign befasse. Da herrscht eine Epidemie, der Automobil-Fotos, garniert mit vorzüglich ausgemergelte Demoisellen, stets mit langen Beinen, meist mit großen Brüsten und Pöpschen.
Es braucht seine Zeit, sowas in den eigenen Webzonen abzustellen, denn es stört. Wenn ich mich mit Autos befassen will, möchte ich mich auf Autos konzentrieren. Punkt! Wenn ich mich mit Lyrik befassen will… Und dann kommt mir sowas durch einen Nachtwächter in ein Lyrikprojekt herein? Keine Chance! Man kann seine schwülen Phantasien im Web ohnehin endlos bedienen, aber nicht in meinem Ressort.
Nein, dazu brauche ich keine moralischen Kriterien. Ich komme in dieser Angelegenheit sogar ohne Feminismus-Diskurs zurecht. Es geht mir um Konzentration. Literatur, und da Speziell die Lyrik, was für ein wunderbar vielfältiges Gebiet! Ich möchte hier durch Texte bewegt werden, durch Sprache, Metaphern und Esprit.
Mein (übrigens!) ehrenamtliches Engagement, um so eine Leiste im Web zu begleiten, zu betreuen, vergeude ich nicht an irgendeinen Schnösel, der es versäumt hat erwachsen zu werden. Schon gar nicht, wenn er das dann unter der Flagge der Kunst einem Publikum, welches er sich ja nicht erarbeitet hat, vorhüpfen möchte.
Es schert mich nicht, wenn diese Art von Stutzer den Boulevard um irgendeine schlüpfrige Bedeutungslosigkeit bereichert. Weshalb sollte ich mich damit befassen? Meine Konzentration ist auf die eigenen Vorhaben gerichtet, wo mir Menschen willkommen sind, die sich in der Netzkultur zurechtfinden möchten und dazu eine grundlegende Vorstellung von Netiquette mitbringen.
Wie ich an meinem Küchentisch keine schlüpfrigen Bemerkungen oder ein halbseidenes Verhalten Richtung Frauen dulden würde, lasse ich das auch in meinen Webbereichen nicht zu. Wer da erste Hinweise ignoriert oder mir auf eine diesbezügliche Frage blöd kommt, fliegt raus.
Ich halte übrigens den Mangel an Esprit für einen strafbaren Tatbestand, der bloß hierzulande nicht geahndet wird. Und da ich aus dem Gemeindebau komme, macht es mir keine Mühe, mit einem Großmaul, das mich anrempelt, abzufahren.
Es bleibt genug an soziokultureller Experimentierfreude wirksam, um dieses Versuchsfeld offenzuhalten, in dem es weder thematische, noch stilistische Vorgaben gibt. Keinerlei Einschränkungen. Außer eben, jemand gönnt sich rüpelhaftes Verhalten und meint, so ein Unfug sei durch die Idee der Freiheit der Kunst gedeckt.
Ich wiederhole es gerne bei jeder Gelegenheit. Freiheit der Kunst bedeutet in der Tat, man könne uneingeschränkt alles denken, sagen und tun, um neue Erfahrungen zu sammeln. Deshalb ist man aber von möglichen Konsequenzen nicht freigestellt, die schließlich zu den Erfahrungen dazugehören. Das wäre dann bloß eine doofe Spießer-Fantasie im Modus eines Dreijährigen mit mangelnder Impulskontrolle.
