Übergänge: Lämmergeier#
(Lyrik, 2006)#
von Michael PennyDiese Bartgeier
sind Totengräber
oder Bezieher unsere Knochen.
In ihren Schnäbeln
und mit ihren Flügelschlägen
geht es in den Himmel.
Nichts dauert ewig
der Körper am allerwenigsten.
Wir schleppen unsre Leiber
im Kreis um heilge Plätze,
doch kein Pilgerweg verhindert,
daß diese Geier sich
unser Fleisch und
unsre Knochen holen.
So plump sie auf der Erde scheinen,
sind sie doch Engel der Aufwinde
wissend: kein Berg
reicht bis zum Himmel.
Wir rasten nach dem langen Aufstieg
auf unsren Rücken still genug,
so daß sie sich versammeln,
doch bald stehen wir
und strecken uns.
Die Lämmergeier sehen,
wir sind weder tot noch Mahlzeit,
breiten ihre Flügel aus,
wie wir keine haben.
Das englischsprachige Original dieses Gedichtes befindet sich im November 2025 im Fenster des Projektes „Poiesis im Zeit.Raum“. Es erschien 2006 im Buch „Completing the Kora”. Kora ist das tibetische Wort für die rituelle Umrundung des Berges Kailash (Gang Rinpoche), was einen Weg von rund 53 Kilometern Länge meint. Autor Michael Penny wurde in Australien geboren, übersiedelte als Teenager nach Kanada.
- Poiesis im Zeit.Raum, Michael Penny: Lammergeyer
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