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Fritz Aigner (links) und Herbert Kohlmaier
Fritz Aigner (links) und Herbert Kohlmaier

Gedenken: Gemeinsam Fragen stellen#

(Ein Quartett im April)#

von Martin Krusche

Der Historiker (Peter Gerstmann), der Regisseur (Fritz Aigner), der Theologe (Herbert Kohlmaier) und ich, gewissermaßen Schwarzarbeiter in den meisten Metiers, an einem Tisch. Wir haben nun eine nächste Übereinkunft, daß wir uns auf eine Praxis des Kontrastes einlassen wollen.

Das wird am 8. Mai im Gleisdorfer Dieselkino einen nach außen gerichteten Akzent haben. Die Zeit bis dahin nutzen wir, um etwas mehr von einander zu erfahren, denn es ist klar, da kommen weltanschaulich durchaus unterschiedliche Positionen in ein Wechselspiel.

Wir haben unter anderem erörtert, was es braucht, um persönlich eine stabile Identität zu erlangen. Wo es zu Gewaltausbrüchen kommt, egal ob unter einzelnen Personen, unter Völkern, zwischen Banden oder Armeen, dürfte diese Frage stets eine Rolle spielen. Solche Anmaßung des Gewaltaktes setzt voraus, daß sich jemand bedroht fühlt. Fühlt! Das scheint oft schon zu genügen.

Bezüglich Europa denke ich auf Anhieb an den Dreißigjährigen Krieg, den Großen Krieg und den Zweiten Weltkrieg, dazu allerhand Scharmützel dazwischen. Stets hat Selbstdefinition durch Feindmarkierung die Spirale angetrieben, bis das Töten begann.

Wir waren uns in jenem Gespräch am gemeinsamen Tisch auch über ein populäres Verlaufsmuster einig. Erst wird der Mitmensch zum Gegenmenschen umgedeutet, dann zum „Nichtmenschen“ erklärt, um die Hemmschwelle zwischen Angreifer und Opfer abzusenken.

Es scheint mir, als könnte aus unserer Runde eine Debatte hervorgehen, die erst einmal das Übermaß an Komplexität etwas sortiert, in dem Spannungsabfuhr und Gewaltlegitimation miteinander arrangiert werden. Das „Kulturvieren“ und somit Legitimieren von Gewalttätigkeit hat eine sehr lange Tradition. Es wäre töricht anzunehmen, dies ließe sich flott abarbeiten.

Peter Gerstmann
Peter Gerstmann

Wir haben offenbar auch ein gemeinsames Interesse an der Frage, was unter dem Begriff Tyrannei verstanden werden kann und wie individuelle Erfahrungen von Tyrannei aussehen mögen. Wo liegen die Reizschwellen, an denen menschliches Verhalten kippt? Wie Kohlmaier treffend anmerkte, handelt das von ganz unterschiedlichen Wahrnehmungsstufen.

Mich beschäftigt gerade sehr, wie das Gewaltmonopol des Staates wahrgenommen wird; und zwar im doppelten Wortsinn: a) wie es empfunden wird und b) wie es praktisch vertreten wird. Also: der Staat. Aigner kommt aus dieser Denktradition: Niemand soll herrschen!

Gerstmann und Kohlmaier haben praktische Erfahrung mit pädagogischen Einrichtungen, was von Aspekten handelt, bei denen die Beachtung von Regeln Freiräume möglich macht. Wie mag dann mit Sanktionen verfahren werden, wenn einzelnen auf Kosten anderer oder der ganzen Gemeinschaft expandieren.

Frieden, das heißt ganz sicher nicht nur Gewaltverzicht, sondern auch Verteilungsgerechtigkeit, verläßliche Achtung der Menschenwürde, und wenn wir von kulturell tradierten Übereinkünften sprechen, dann ist ja auch an das fünfte Gebot zu erinnern: Du sollst nicht töten!

Das ließ mich an eine Kuriosität denken, die über Europa weit hinausreicht. Katholiken, Orthodoxe, Protestanten, auch jüdische Menschen und Muslime, verehren den selben Gott. Nicht den gleichen, den selben, diesen einen Gott. Wie ist dann dieses Übermaß an konfessionell begründeten Konflikten zu erklären? Wie müssen aktuell über die Conditio humana reden, also genauer über die Frage „Was ist der Mensch?“, sonst drehen wir uns womöglich nur im Kreis.