Notiz 017: Raumüberwindung#
(Prometheus auf dem nächsten Parkdeck)#
von Martin KruscheIch hab nun über Jahre merklich konzentrierter als davor in der griechischen Mythologie nachgesehen, was uns von da her an Motiven überliefert und vertraut ist. Es scheint Erfahrungszusammenhänge und Emotionen zu geben, an denen haben zwei-, dreitausend Jahre wenig verändern können. Dieses Nachschlagen in Büchern, die Nachsicht in den Bildwelten, sind mir bei der Orientierung hilfreich.
Mein Projektbereich „Mythos Puch“ ist aus gutem Grund so betitelt, bezieht sich also auf den Mythos im Kontrast zum Logos, zur Vernunft. Das handelt vom Pendeln zwischen diesen verschiedenen Terrains, dem Reich der Fetische und dem der funktionalen Klarheiten. Die Kunst kann das alles gleichermaßen brauchen, selbst die Widersprüche.
Der größere Zusammenhang dieser Arbeit liegt in einem Prozeß, an dessen Beginn „Die Verschwörung der Poeten“ von 2002 stand. Daraus ging 2003 das auf 20 Jahre angelegte Projekt "The Long Distance Howl" hervor.
In diesem Kontext ist nun für die Phase 2019/2020 der Abschnitt „Mythos Puch VII“ entstanden. Innerhalb dieser Anordnung kristallisiert sich augenblicklich etwas heraus, das noch keinen eigenen Titel hat.
Aber es schimmert dabei eine mythische Figur durch. Prometheus hat in unserer Mythologie eine besondere Rolle als ein kühner Mittler zwischen den Welten der Menschen und denen der Götter. Keine freundliche, gar dienende Priesterschaft, sondern eine Herausforderung.
Die Notiz „Prometheus 3.0“ (Über den Zweiten Kentaurischen Pakt) faßt die 2019er Auftaktsituation zusammen. Das führt unter anderem, wie der Titel verrät, zu einer Vorstellung vom „Zweiten Kentaurischen Pakt“, in diesem Fall von einer nächsten Mensch-Maschinen-Symbiose; im Kontrast zur Mensch-Tier-Symbiose mit dem Pferd, wovon der Begriff ursprünglich handelt.
Fiat Lux#
In einer Kooperation mit Ewald Ulrich (Ana-u) und seinem Team konnte ich ein Artefakt realisieren, das formal den aktuellen Fiat 500 aufgreift, der seinerseits das legendäre Design des Fiat Nuova 500 von 1957 zitiert, das Werk von Dante Giacosa und Giuseppe Alberti. Dieses Schale wurde mit EDV vollgepackt und mit Omni Wheels versehen, einem computergesteuerten Rädersystem, das der Fuhre ansatzlos jede beliebige Fahrtrichtung erlaubt und irritierende Bewegungsmuster zuläßt.Ich wollte diese Schale ursprünglich mit einer halben Sphäre nach Buckminster Fuller abdecken. Doch dann zeigten zwei Industriedesigner, Willi Gangl und Alfred Urleb (WIGL-Design), daß sie Laune hätten, das Artefakt zu gestalten. So entfaltete sich ein multidisziplinärer Prozeß.
Das Artefakt wurde rundum mit Sensoren ausgestattet, erhielt an seiner Front eine Kamera, um menschliche Gesichter erkennen zu können. Es gab Display, Soundsystem und am Unterboden eine LED-Anlage, um unterschiedlich gefärbte Lichtmomente erzeugen zu können.
Ich hab die Maschine mit Texten, Bildern und Tönen gefüttert. Es war der EDV überlassen, so oder so auf den Kontakt mit Menschen zu reagieren. Nicht eigentlich eine autonome Anlage, dazu hätte sich die Maschine ihre Regeln selbst erschaffen müssen, aber doch innerhalb der von Menschen eingegebenen Regeln alle Freiheit.
Ich hab den Apparat natürlich vorrangig als eine Erzählmaschine verstanden, auf die sich Menschen einlassen mögen. Ewald und seine Leute packten auch ihre Optionen in das Gerät. Wir haben dann öfter darüber staunen dürfen, wie sehr sich Menschen darum bemühen, daß eine Maschine sich auf sie einläßt.
Beispiele#
Über Grafikdateien wie die Gesichtsmotive (oben links) oder die Soundfiles (unten) konnte die Anlage nach eigenen Impulsen verfügen und sie beliebig aktivieren/kombinieren. Dazu waren unterschiedliche Bewegungsmuster des Vehikels und Farb/Licht-Momente möglich. Dazu ein Videoclip von einem Testlauf des Artefakts, wodurch deutlich wird, was die Omni Wheels können, eine technische Lösung, die bis heute nicht allgemenin bekannt ist:Ausblick#
Nun ist ein Ebenenwechsel fällig. Der aktuelle Arbeitsansatz liegt im Streitgespräch über die Zukunft der Volksmotorisierung und Optionen individueller Mobilität. Das verlangt auch die Beachtung kultureller Aspekte, denn das Automobil wurde im 20. Jahrhundert zu einem General-Fetisch vieler Gesellschaften, das Motorrad mit ziemlich kuriosen Widersprüchen befrachtet.Streitgespräch meint nicht, daß wir uns bedrohen, sondern daß wir vorerst einmal gegenteilige Ansichten zusammenzuführen, einander gegenüberstellen, um herauszufinden, was da im Kontrast allenfalls sichtbar wird. Wo wir Konsens erleben, bekommt das Thema klarere Konturen. Aus den Erfahrungen mit dem Projekt Fiat Lux wird es folglich einen Erzählstrang geben, auf dem inhaltlich etwas weitergetragen wird. Aber das neue Projekt, wenn es zu einem nächsten Objekt kommt, soll sich in einem Fahrzeug 1:1 einlösen. Wir werden sehen…
Das ist ein nächster Ansatz, um sachkundige Menschen aus Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft in Wechselwirkung zu bringen. Ein Modus, der sich im Gesamtzusammenhang des Langzeitprojektes „The Long Distance Howl“ bewährt hat.
- Fiat Lux reloaded (Ein Artefakt, der nächste Abschnitt)
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