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Erich Rybar und Monika Lafer
Erich Rybar und Monika Lafer

Praxis des Kontrastes II#

(Ebene III, vierte Session, Dokumentation)#

Von Martin Krusche#

Es war, wie schon erwähnt, der letzte Tag der ersten Ausstellung im Haupthaus der Gleisdorfer Feistritzwerke mit Arbeiten von Monika Lafer. Am Tisch Karl Bauer (Veterinär, Kulturreferent Gleisdorfs), Sigrid Hörzer (Kunsthistorikerin, Kustodin des Gleisdorfer Stadtarchivs), Petra Kickenweitz (Architektin, aktive Künstlerin), Martin Krusche (Autor), Monika Lafer (Kunsthistorikerin, aktive Künstlerin), Richard Mayr (Fotograf), Günther Pedrotti (Künstler) und Erich Rybar (Geschäftsführer Feistritzwerke). Franz Majcen (Kulturschaffender) mußte kurzfristig einen anderen Termin wahrnehmen, ist aber Teil dieser Debatten.

Wir haben uns nun erst einmal darüber verständigt, ob diese Skizze eines komplementären Settings der drei Bereiche stichhaltig erscheint: a) Der Regelbetrieb als dominantes Phänomen, b) die Grundlagenarbeit und c) die Archive der Kultur.

Die drei Sektoren#

Meiner Überzeugung nach läßt sich am Regelbetrieb nicht rütteln (was in der Runde Zustimmung fand). In ihm sind so unterschiedliche Interessen eines Gemeinwesens gebündelt, daß seine Stabilität unanfechtbar erscheint. Sein Mittelbedarf überragt alles andere. So gesehen wäre es eine interessante kulturpolitische Fragestellung: wie und mit welchen Ressourcen stärkt man dann noch die anderen zwei Bereiche?

Die Archive der Kultur sind am Beispiel Gleisdorfs immerhin noch von einem Grundkonsens getragen. Man kann das Zeug ja nicht verbrennen. Es ist nun einmal da und es gibt auch, wie Kustodin Sigrid Hörzer zu erzählen wußte, immer wieder Anfragen um Informationen. Aber es ist unübersehbar daß ein einst existentes „Heimatmuseum“ der Stadt repräsentativeren Zwecken weichen mußte. Eine Neudeutung der Museums-Option ist derzeit nicht auf dem Tisch.

Richard Mayr und Sigrid Hörzer
Richard Mayr und Sigrid Hörzer
Petra Kickenweitz und Günther Pfedrotti
Petra Kickenweitz und Günther Pfedrotti

Wir arbeiten eben mit dem, was da ist. Was die Unerschütterlichkeit des Regelbetriebs angeht, ist sein Hauptbereich von solider Kulturarbeit bestimmt, die eine Bevölkerung erwarten darf. Das hat - gemäß eines Veranstaltungsortes wie dem Forum Kloster - auch entsprechendes Format. Es handelt außerdem von anderen fixen Einrichtungen wie etwa der Musikschule oder der Stadtkapelle etc.

Am Rande dieses kulturellen Gravitationsfeldes kommt gelegentlich Gegenwartskunst von zeitgemäßer Bedeutung vor, meist aber Hobbykunst, die im Sinne der Gegenwartskunst keine Relevanz hat, sondern einem anderen gesellschaftliche Feld gewidmet ist. Da geht es um persönliche Erbauung und um soziale Ereignisse, die der Gemeinschaft förderlich sind. (Ein legitimes kulturelle Feld.)

Es gibt keinen Grund, diese verschiedenen Genres gegeneinander auszuspielen. Aber es ist sinnvoll, sie kategorial unterscheiden zu können. Um eine Metapher zu strapazieren: Sie können auch jederzeit auf einem Tisch sitzen, aber ein Sessel ist doch etwas anderes. Bei einer sinnvollen Innenraumgestaltung kann es nützlich sein, den Unterschied zu begreifen. So auch Gegenwartskunst und Hobbykunst (Voluntary Art). Es sind zwei verschiedene Genres mit verschiedenen Möglichkeiten.

Fällige Debatten#

Wäre noch zu erwähnen, daß es quer durch die Steiermark Beispiele gibt, wie Kunst und Kultur zu Mägden des Marketings herabgewürdigt werden, indem diverse Agenturen Kulturbudgets für andere Zwecke kapern. Dazu fällt mir ein: bevor „die Szene“ von „Fair Pay“ redet, sollten wir vielleicht einmal Fragen nach einem „Fair Play“ voranbringen.
Von links: Karl Bauer, Petra Kickenweitz und Richard Mayr
Von links: Karl Bauer, Petra Kickenweitz und Richard Mayr

Dieses März-Meeting war vor allem einer Verständigung zwischen verschiedene Metiers gewidmet. Etwas scheint mir auf alle Genres übertragbar. Ich fragte Architektin Petra Kickenweitz unter anderem: „Wie kann man denn über Architektur reden?“ Sie erwiderte: „Indem man drüber redet.“ Das meint: Etwas bloß schön oder häßlich zu nennen, reicht nicht. Man wird fragen müssen, was genau damit gemeint sei, man sollte einander zuhören.

Das würde uns auch in der Befassung mit Kunst nützen. Kunstpraxis halte ich übrigens für Grundlagenarbeit. Deshalb stehe ich auch konsequent im Lager einer Autonomie der Kunst, wie sie seit der Renaissance gilt. Kunst hat keine anderen Aufgaben, als den eigenen Regeln zu folgen.

Daraus beziehe ich vielfältige Kompetenzen. Als Künstler bin ich ebenso Staatsbürger, der diese seine Kompetenzen ins Gemeinwesen einbringen kann. Diese Unterscheidung halte ich für kulturpolitisch grundlegend. Wir haben an wesentlichen Themen zu arbeiten, denn die Welt befindet sich in einem radikalen Umbruch. Es geht mehr als noch kürzlich um Zukunftsfähigkeit.

Die Mittel und Methoden der Kunst sind der Kunst vorbehalten. Die gewonnenen Kompetenzen aus solcher Grundlagenarbeit können dem Gemeinwesen dienen. In solchem Zusammenhang spreche ich bewußt von primären Kräften. Das sind die Menschen, von denen Inhalte und Werke erarbeitet werden. Jener Content, jene Artefakte, die dann von x anderen Metiers verwertet werden.

Wir kennen dabei eine Asymmetrie. Politik und Verwaltung (plus privatwirtschaftliche Agenturen) neigen stark dazu, sich über die primären Kräfte zu stellen, anstatt vor allem zu begleiten und zu verstärken, was von der Grundlagenarbeit in die Gemeinwesenpraxis kommt. Da gibt es akuten Klärungsbedarf.