Schnittstelle: Kreuzweg und Atlantis#
(Zu einer fälligen Debatte)#
von Martin KruscheDie Welt und unsere Gesellschaft befinden sich derart massiv in Umbrüchen, daß es mir dringend erschien, in unserer Kulturformation, im Archipel, „Zu Fragen des Menschseins“ zu arbeiten. Technologieschübe, Handelskriege, Kampfhandlungen in Waffen und ideologische Differenzen, die mir inzwischen als Hegemoniestreit erscheinen, das ergibt eine Gemengelage, die auf unser aller Leben massiv einwirkt. Ganz egal. ob man das persönlich wahrnimmt oder nicht.
Wo beginnen? Ich ordne mein Engagement in einem Themenbogen zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst, was mir ohne detaillierte Geschichtsbetrachtung nicht machbar erscheint.
Soweit es die Volkskultur angeht, habe ich mich über Jahre mit Klein- und Flurdenkmälern befaßt. Das führte unter anderem zu einem Buch, welches in Zusammenarbeit mit Fotograf Richard Mayr entstand: „Wegmarken“. (Link am Seitenende!)
Aus dieser Arbeit habe ich ein passables Verständnis dessen bezogen, was Volksfrömmigkeit mit Volkskultur in Wechselwirkung bringt. In diesem Zusammenhang wurde zweierlei naheliegend. Die genauere Beachtung des Advents und der Fastenzeit. Der Bogen zwischen Geburt und Tod Jesu.
Vom Handwerker (Tekton) zum Wanderprediger, schließlich diese atemberaubende Eskalation und folglich ein tiefgreifender Paradigmenwechsel. Der Kreuzweg bietet uns tiefere Einsichten in eben diese Zusammenhänge. Er ist eines der großen Kernstücke dieses europäischen Mythos und Narrativs, auch Mysteriums.
Selbst wenn alles im Nahen Ost begann, im damals römisch besetzten Judäa, genau dieses erwähnte Wechselspiel zwischen Volksfrömmigkeit und Volkskultur hat gewissermaßen eine alpenländische Version entstehen lassen, die über ihre Erzählweisen und Zeichensysteme anschaulich macht, wovon ein Wir-Gefühl, auch so manche Wir-Konstruktion in unserer Gegend handelt.
Dazu gehört, wie schon angedeutet, die Adventzeit mit ihren Ritualen, welche – im Kontrast zum Kreuzweg – eine Art allgemeines Kulturgut ergibt, an dem auch Andersgläubige und Nichtgläubige Teilhabe pflegen.
Das ergab 2024 zwei Themenlinien: Die Krippe im Gleisdorfer „Zeit.Raum“, zu der ich inhaltlich ins Detail gegangen bin, und das Projekt „Kreuzweg“, welches ich auf dem Weg zu einer realen Veranstaltung in der kommenden Fastenzeit über Aspekte bearbeite, die mir wesentlich erscheinen.
Unterwegs hat sich für mich ein dritter Themenbereich aufgetan, den ich mit diesen beiden inhaltlich verbunden sehe. Das kam durch den Dialog mit einer autistischen Frau, deren scharfer Verstand mir weit klarer als manche Lektüre macht, wie sehr einige unserer Mitmenschen völlig anders in der Welt sind, als ich es bin.
Das bedeutet, was Befindlichkeiten und Lebensbedingungen dieser Frau angeht, kann ich mir das in wesentlichen Bereichen nicht vorstellen, weil ich keinerlei Alltags- oder Wahrnehmungserfahrungen habe, von denen ableitbar wäre, was ihr Leben bestimmt.
Um sie als Person öffentlich nicht preiszugeben, habe ich eine Kunstfigur eingeführt: Die Frau von Atlantis. Sie lebt bei uns, obwohl sie aufgrund ihres angeborenen Soseins an unsere Lebensbedingungen nicht gut angepaßt ist, sondern an jene von Atlantis.
Das ist natürlich eine Metapher, um die enorme Differenz zu betonen, die ich von meiner Warte aus nicht ermessen kann. Genau da sehe ich nun die wesentliche Schnittstelle. Solche erhebliche Differenz kommt unter uns Menschen ja häufig vor, nicht bloß im Autismus-Spektrum. Dabei fällt es allen leicht, das Trennende zu identifizieren. Es bleibt die anspruchsvolle Aufgabe, genau in dieser Differenz zu erkunden, was wir noch teilen. (Siehe unten den Link zu „Ein Mensch. Über die Conditio humana“!)
Ganz egal, ob Sie dem zustimmen oder es eher ablehnen, Faktum ist, daß die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in ihrem Artikel 1 den Kern menschlicher Gemeinschaft klar definiert: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“
Menschenrechte sind durch internationale Abkommen, denen sich auch Österreich verpflichtet hat, garantiert. Ich sehe aktuell einigen Klärungsbedarf, was wir mit Menschsein meinen und nach welchen Prinzipien menschliche Gemeinschaft geordnet sein soll. Was da bisher an breitem gesellschaftlichem Konsens bestanden haben mag, ist auffallend erodiert.
- Kreuzweg (Startseite)
- Ein Mensch (Über die Conditio humana)
- Die Krippe (Volksfrömmigkeit und Brauchtum)
- Official Bootleg (Eine Erzählung: Phase III)
- Martin Krusche & Richard Mayr: „Wegmarken“ (Ein kulturelles Zeichensystem)