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Episode 47: Maria und der Dornwald#

(Momente eines Frauenlebens)#

Von Martin Krusche#

Maria bedeutet für mich eine irritierende Ambivalenz. Da ist diese Überhöhung als Gottesmutter, aber auch die Anbetung als Heilsbringerin (Lourdes, Medjugore), welche andrerseits an der weitreichenden Marginalisierung von Frauen bis heute nichts ändern konnte.

Ich habe den Verdacht, jene Marienverehrung, welche mir in der Oststeiermark so vertraut vorkommt, faßt beides zusammen. Die Überhöhung und die Herabsetzung in einem gemeinsamen Rollenkonzept. Da fallen einem sofort auch ein paar andere Beispiele ein. Ich werde mich damit noch nebenan, in der Kreuzweg-Leiste, am Beispiel einer der prominentesten Frauenfiguren aus der Bibel befassen: Maria Magdalena. (Das paßt mir überdies zum 2025er Abschnitt meines „Official Bootleg“.)

Aber nun zur Krippe in den Tagen nach dem 24. Dezember. Staunenswert, wie vielen Menschen man erklären müßte, daß es für einen Säugling bedrohlich wirkt, wenn sich ein Rudel Leute über ihn beugt, um ihn anzustarren und dabei irgendwelche Laute abzusondern. Da hat das Kind gerade die erste große Irritation zu bewältigen, nämlich nicht mehr Teil des Leibes seiner Mutter zu sein, und dann herrscht hier so ein Auflauf.

Außerdem kann man einen Säugling nicht lange herumliegen lassen. Es wird dem Kind beizeiten fehlen, daß es berührt, gehalten, getragen und geschaukelt wird. (Bleibt einem das nicht irgendwie ein Leben lang?) Also hab ich das Setting in der Krippe kurz nach Heiligabend verändert.

Schichtwechsel#

Maria trägt das Kind ein wenig im Hof herum, während sich die Männer über wer weiß was unterhalten. Ich nehme an, man gratuliert Josef zu seinem „Stammhalter“. So hab ich es nach der Geburt meines Sohnes erlebt. Jemand hatte die schrullige Idee, mich darauf anzusprechen: „Bist schon stolz, daß du einen Stammhalter hast?“

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In diesem Sätzchen offenbart sich das ganze Elend der Subalternen, die von Mägden, von Dienstboten, von Keuschlern und Kleinhäuslern herstammen. Sie verzehren sich nach den Distinktions-Merkmalen höherer sozialer Schichten. Bei Jesus war das freilich gleich vom Tisch und Josef wird es gewußt haben. Eine höhere Abstammung als die von Gott ist ja nicht vorstellbar. (Ich kenne keine Quelle, in der Jesus je als „Stammhalter“ bezeichnet worden wäre.)

Also Maria#

Es könnte (gemäß dem Stand der Forschung) so gewesen sein, daß Maria und Josef bei Josefs Verwandten zu Gast gewesen waren. In einem der damals für Galiläa typischen Zweiraumhäuser. Das heißt, eine natürliche Höhle war wohnlich gemacht und mit einem hauptsächlich steinernen Anbau versehen worden. Dort wurde kein Stall als eigenes Gebäude dazugestellt. Die Tiere waren nah bei den Menschen untergebracht. (Das ist auch im alpinen Raum lange Zeit üblich gewesen.)

Maria muß eine eher leichte Geburt gehabt haben, da offenbar alles gut und ohne Komplikationen verlief. Ich höre von manchen Frauen, daß sie beim Gebären von der Natur äußerst begünstigt waren. Es gibt ein nach meinem Geschmack sehr schönes Lied aus dem 19. Jahrhundert, in dem etwas davon anklingt: „Maria durch ein' Dornwald ging“. In der zweitem Strophe heißt es: „Was trug Maria unterm Herzen? / Kyrieleison! / Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen, / das trug Maria unter ihrem Herzen. / Jesus und Maria.“ Sie hatte demnach eine gute Zeit.

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Es heißt, in diesem Lied läge ein Hinweis auf den Besuch der schwangeren Maria bei ihrer Verwandten Elisabeth. Laut Lukas 1,39–41: “Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib.” Elisabeth war offenbar ebenfalls schwanger. Lk 1,44: “In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.”

Diese Besonderheit des weiblichen Lebens, nämlich ein weiteres Leben in sich zu tragen und der Welt zu übergeben, wird im Lied mit einer Strophe unterstrichen: „Da haben die Dornen Rosen getragen; / Kyrieleison! / Als das Kindlein durch den Wald getragen, / da haben die Dornen Rosen getragen! / Jesus und Maria.“

Über den Dornwald heißt es nämlich am Anfang des Liedes, er habe „in sieben Jahrn kein Laub getragen“, woran also die lebensspendende Weiblichkeit etwas ändert. Die Einschübe „ Kyrieleison“, eigentlich „Kyrie eleison“, bedeuten „Herr, erbarme dich!“ und sind Huldigungsrufe, wie sie zum Beispiel in den Litaneien der Ostkirche vorkommen, eventuell abwechselnd mit „Christe eleison“. Ich meine jedoch, mich an Kirchenbesuche in meiner Kindheit zu erinnern, wo diese Huldigungsform auch zu hören gewesen ist.

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Weiterführend#

Postskriptum#

Ich hatte Anfang der 1990er die Karenzsituation mit meinem Sohn schon zeitig übernommen, da seine Mutter, eine Lehrerin, aus verschiedenen Gründen früh genug wieder in den Beruf zurückkehren wollte. Da war mir nach wenigen Wochen klar, weshalb sich bei uns so viele Männer drum bemühen, daß diese Aufgabe bei den Frauen bleibt.

Am 21,10.2024 titelte der Standard: „Immer weniger Männer gehen in Karenz – woran liegt das?“, wobei betont wurde: „Die Väterbeteiligung entwickelt sich seit 2017 rückläufig.“ In Österreich liegt der Anteil der Väterkarenz - je nach Rechenmodell - bei vier bis acht Prozent oder etwas darüber. Beim österreichischen Wirkungsmonitoring finde ich für 2022 satte 11,7% notiert, 2023 waren es 14,5%, das Jahr 2024 wurde derzeuit noch nicht evaluiert.

So oder so, es sind bis heute nicht einmal 20 Prozent, also ein Fünftel, erreicht worden. Ich muß mich daher einer Minderheit zurechnen. Faktum ist, das habe ich damals auch zu spüren bekommen. Im Rückblick meine ich, es ist eine sehr kuriose Erfahrung, in das einzutreten, was unsere Kultur eigentlich als Teil von Frauenleben festgeschrieben hat. Es wird von beiden Seiten eher nicht honoriert. Etwas polemisch verkürzt: Männer bemitleiden einen oder feinden einen an, Frauen tendieren zur Auffassung: „War ja wohl Zeit“. Manche zeigen sich abschätzig. Aber es lohnt sich auf alle Fälle für die Beziehung mit dem Kind.