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Episode 51: Mythos und Logos#

(Scheinbar Widersprüchliches als Teile eines Ganzen)#

Von Martin Krusche#

Für mich bestätigt sich in der Befassung mit diesem Themenkomplex ein Stück Klarheit über unsere Kultur. Aus der griechischen Antike haben wir prägende Anregungen bezogen, bei denen nicht überrascht, daß es später im lateinisch geprägten Teil Europas zu etlichen Kollisionen kam, wo um Menschenbild und Weltsicht gerungen wurde.

Da war eine große Teilung. Das meint: 395 nach Christus wurde das Imperium Romanum in einen oströmischen und einen weströmischen Bereich geteilt. Vergleichen Sie die alten Grenzen mit jenen des Kalten Krieges, gab es da bis zum Mauerfall von 1989 einige verblüffende Übereinstimmungen.

Ich spare in meinen aktuellen Überlegungen den oströmischen, also orthodoxen Teil Europas mangels Sachkenntnis eher aus. Wichtig bleibt, daß Europa während der Völkerwanderung den Großteil der griechischen Philosophie verloren hatte. Viele Texte kamen dann als Übersetzungen über Andalusien und die Mauren aus dem Orient zurück.

Es dauerte freilich, bis geistliche Gelehrte sich mit diesen Texten befassen mochten, wie etwa Augustinus mit Aristoteles. Was mich im Zusammenhang mit dem Kreuzweg beschäftigt, ist der abendländische Weg vom Mythos zum Logos, welcher schließlich über die Aufklärung in unsere Gegenwart führt.

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Ich habe den Eindruck, Mythos und Logos, das ist kein Entweder-Oder. Wir ringen einerseits um Klarheiten darüber, was unsere Geschichte bewirkt hat, was genau der Fall ist. Dem steht unsere Mythologie gegenüber, die völlig andere Grundlagen hat, als das Factfinding und das Deuten verfügbarer Quellen.

Psychologisch etwas schlampig verkürzt nehme ich an: Wir brauchen für unser Seelenheil offenbar auch Erzählungen, die ganz anderen Zwecken dienen als die Historiografie. Solche Betrachtungen haben mich schon vor geraumer Zeit zur Auffassung gebracht: Ausnahmslos jeder Mensch hat spirituelle und kulturelle Bedürfnisse, lebt diese entsprechend seiner Erfahrungen und Alltagsbedingungen.

Darin sehe ich ein Grundprinzip der Wissens- und Kulturarbeit. Das halte ich aber auch für ein Gebot, diese verschiedenen Standpunkte und Konzepte nicht hierarchisch anzuordnen, womöglich gegeneinander auszuspielen, sondern komplementär.

In genau solchem Sinn kann ich die Person Jesus einerseits als historische Persönlichkeit sehen, andererseits in einem spirituellen Sinn deuten, was keiner historischen Quellen bedarf, um ernstgenommen zu werden.

Die großen Narrative in menschlicher Gemeinschaft verdanken sich – so nehme ich an – unserer Fähigkeit zum symbolischen Denken und verschiedenen seelischen Gründen. Es ergäbe keinen Sinn, diesen Teil der Conditio humana gegen rationale Konzepte der Weltdeutung auszuspielen.

Anders gesagt: Wir generieren keine „Wahrheiten“, indem wir Widersprüche zu eliminieren beginnen. Fußnötchen: Das Wort „katholisch“ kommt vom altgriechischen „katholikós“, was „allumfassend“ bedeutet. Es lohnt sich, darüber ein wenig nachzudenken.