Advent 2025: Die Wiederkehr#
(Was die konfessionellen Lager teilen)#
von Martin KruscheIch hab im Beitrag „Andacht und Volkskultur“ notiert: „Das Wort Advent ist vom lateinischen ‚adventus Domini‘ hergeleitet, was ‚Ankunft des Herren‘ bedeutet. Das handelt von einem Rückblick auf die Geburt Jesu, aber auch von der Erwartung einer Wiederkehr des Messias.“
Diese messianische Erwartung finden Sie im Judentum. Bei Maimonides (1135-1204) heißt es: „Ich glaube mit voller Überzeugung an das dereinstige Kommen des Messias, und ob er gleich säume, so harre ich doch jeden Tag auf sein Kommen!“
Katholiken und Protestanten teilen diese Erwartung der „Parusie“ des Menschensohnes, also der endzeitlichen Wiederkunft Jesu Christi; wie oben erwähnt: „adventus Domini“ („Ankunft des Herrn“).
Von Muslimen wird die Wiederkehr Jesu ebenfalls angenommen. Im Koran ist er als Īsā ibn Maryam (Isa, Sohn der Maria) ein verehrter Prophet, zwar nicht als Sohn, aber als Gesandter Gottes anerkannt (Sure 4, Vers 171).
Sie ahnen eventuell, welche Fragen das aufwirft, wenn man an die blutigen Feindseligkeiten denkt, die zwischen den genannten Lagern schon vorgekommen sind. Menschen haben eben Interessen, die kollidieren können.
Wie sich die Wiederkehr des Messias ereignen könnte, ist mit einem Stück Weltliteratur erzählt worden. Fjodor Michailowitsch Dostojewski hat in „Der Großinquisitor“ geschildert, wie ein anmaßender Kleriker Jesus als Störung adressiert und abgewiesen hat. Das zeigt eine Parallele zum jungen Jesus, der als Wanderprediger Aufsehen erregte und in einen politisch motivierten Scheinprozeß gezerrt wurde, dessen Ausgang von Anfang an feststand. (Im Postskriptum finden Sie ein Zitat aus Dostojewskis Text.)
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Postskriptum: „Der Großinquisitor“ von Fjodor Michailowitsch Dostojewski#
Die Wache hat inzwischen den Gefangenen in ein enges, dunkles, gewölbtes Verlies im alten Gebäude des heiligen Tribunals geführt und hinter Ihm die Tür geschlossen. Der Tag vergeht, die Nacht bricht herein, die dunkle, glühende, atemlose Nacht Sevillas. Die Luft ist voll vom Duft des Lorbeers und der Zitronenblüte. Um Mitternacht öffnet sich das eiserne Tor des Gefängnisses, und der Großinquisitor tritt leisen Schrittes herein, in der Hand hält er ein Licht. Er ist allein, hinter ihm schließt sich das Tor.Er bleibt am Eingange stehen und sieht Ihm lange, ein bis zwei Minuten lang, ins Gesicht. Dann tritt er näher heran, stellt den Leuchter auf den Tisch und spricht zu Ihm: ›Bist Du es?‹
Da er keine Antwort erhält, fügt er schnell hinzu: ›Antworte nicht, schweige! Was kannst Du auch sagen? Ich weiß sehr gut, was Du sagen willst; doch Du hast kein Recht, auch nur ein Wort zu dem hinzuzufügen, was einst von Dir selber gesagt worden ist. Warum bist Du gekommen, uns zu stören? Denn dazu bist Du gekommen, Du weißt es selber. Weißt Du aber auch, was morgen geschehen wird? Ich weiß nicht, wer Du bist, ich will auch nicht wissen, ob Du es wirklich bist oder ob Du nur seine Gestalt angenommen hast: aber morgen werde ich Dich richten und verurteilen und Dich auf dem Scheiterhaufen verbrennen als den gefährlichsten aller Ketzer, und dasselbe Volk, das heute Dir die Füße geküßt hat, wird sich morgen auf einen Wink von meiner Hand hin zum Scheiterhaufen stürzen, um dort die Kohlen zu schüren, weißt Du das? Es ist möglich, daß Du es weißt‹, fügte er hinzu, ohne auch nur eine Sekunde den Blick von dem Gefangenen zu lassen.«
»Ich verstehe nicht, Iwan, was das heißen soll«, unterbrach ihn lächelnd Aljoscha, der die ganze Zeit schweigend zugehört hatte. »Ist das Ganze nur die uferlose Phantasie oder eine Verwirrung im Kopfe des Greises, ein unmögliches Quiproquo?« (Quelle: Projekt Gutenberg)
