Notiz 021: Am Schelchenberg II#
(Schauen, grübeln, debattieren)#
von Martin Krusche(Vorlauf: Blatt I) Ein Schätzchen am Schelchenberg. Die Puch MC 50 ist nicht nur real motorsporttauglich. Sie war in meinen Teenager-Tagen eine beliebte Basis für Modifikationen. „Die MC“ ließ sich mit hohem Lenker, nach oben gezogenem Auspuff, Lehne und fettem Hinterrad auf „Captain America“ trimmen. (Volkstümlich: „Die Easy Rider-Maschin“.) Dazu wurde auch der knubbelige MC-Tank auf Stars and Stripes umlackiert und natürlich bekam der Motor eine Leistungssteigerung verpaßt. (Ist längst verjährt!)
Ich bin so frei, in meinen Betrachtungen die großvolumigen amerikanischen Motorräder mit ihren Luxusausstattungen zu überspringen. Hier wird inzwischen allerhand angeboten, was die Custom-Szene früher an Unikaten und Kleinstserien geschneidert hat. Klar, daß der Markt das aufgreift.
Auch eine muskulöse Goldwing, die am Heck einen ausladenden Gepäckträger mitschleift und vermutlich ein Viertel ihres Gewichts in Chrom dabei hat, ist zwar imposant, aber nicht in meinem Fokus. Dagegen gefällt mir die unscheinbare Honda CB 360, wie sie Mitte der 1970er Jahre produziert wurde. Die sechsgängige Zweizylinder-Maschine im Kontrast zur CB 350 Four, also etwas preiswerter. Gleiche Designlinie wie die 500er (wie ich selbst eine hatte) und das Hauptereignis vom Oktober 1968, die zurecht legendäre Honda CB 750 Four.
Daneben die bei uns nicht gerade rasend verbreitet Puch Pionier. Sie wurde ab Werk als Top-Mofa mit Cross-Lenker beworben. (Man staunt, was ein „Super-Sportscheinwerfer“ sein soll.)
Dieses Mopperl darf demnach als Rarität gelten. (Ich sah dann auch noch eine Puch Imola daherkommen, hab sie aber nicht erwischt, weil ich zwischendurch grade am Rande eines Hitzschlags stand.)
An den diversen Puch MS 50, DS 50 und KTM Ponny fiel mir auf, daß seit einiger Zeit viel mehr Mopeds bei Treffen auftauchen, die auf hohem Niveau restauriert und gepflegt erscheinen, wie frisch aus dem Schaufenster. (Vespas sind inzwischen auch Standard bei Klassiker-Treffen.)
Ich denke, da ist Spielraum entstanden, weil mit den alten Mopeds ja auch junge Leute im Klassikfeld mitfahren können.
Da die Puch-Mopperln auch nach mehr als einem halben Jahrhundert noch voll Alltagstauglich sind, braucht man kein neues Fahrzeug extra. Das ist für Youngsters sicher eine gute Option, aber auch grauhaarige Leute meiner Generation greifen da etwas aus den Jugendtagen wieder auf.
Etwas anders aufgestellt, weil auch in die Tiefe hinein auf versierte Art verfeinert, zeigte sich die Puch 125 aus einer sehr überschaubaren Serie. An dieser zart gebauten 125er erkennt man ganz gut, was diese Rahmen aus Blechstahlhälften ausmacht. Mit möglichst geringem Aufwand einen möglichst verwindungsarmen Rahmen bieten, damit sich in der Serienproduktion ein freundlicher Preis erzielen läßt.
Oben links die Puch MV 50 S und rechts eine Puch DS 50 L. Unten Luis Schwarz mit seiner 125er im Bestzustand.
Den Besitzer hatte ich kurz davor besuchen dürfen und kennengelernt. Luis Schwarz zählt zu jenen Handwerkern, die ein Kompetenzlevel verkörpern, das heute nicht mehr sehr verbreitet ist. Siehe dazu: „Das kommt aus meinen Händen“ (Der Handwerker Alois Schwarz)!
Dadurch wird deutlich, was mit „rollendem Kulturgut“ gemeint ist, denn hier sehen wir in Material und Technik Fahrzeuge einer verklungenen Welt, vor allem aber sehen wir jene Vehikel, mit denen ab den späten 1950er Jahren eine Volksmotorisierung eingesetzt hat, die sozialgeschichtlich vollkommen neu war.
Das sind Zusammenhänge, weshalb ich die Schuppen und Werkstätten der Schrauber, der Sammler, „Mein anderes Atlantis“ nenne. Ein versunkener Kontinent, der uns stellenweise noch über ein paar Türen und Tore zugänglich ist. Das ist auch Ausdruck einer Volkskultur in der technischen Welt, die weit mehr relevante Aspekte hat als bloß: das Fahren.
Gastgeber Ingo Alton (auf dem Foto rechts: "F-Type") nutzt übrigens beim Festival ein Puch Mini Maxi als Dienstfahrzeug. Wenn er nicht mit Pflichten gebunden ist, sondern seine Freizeit genießt, fährt er freilich Fahrzeuge am anderen Ende des Spektrums.
Alton zwischen einem Lamborghini Aventador Roadster und einer wuchtigen Royal Enfield Interceptor (eine 650er Twin). Zum Lambo fiel mir ein: Wer nach dem Preis fragen muß, kann ihn ich sich leisten. Das ist eine schillernde Abteilung des Whataboutism.
Ja, mir ist klar, mit dem Gegenwert dieses einen Cabrios könnte man tausend vernünftige Dinge tun. Wer wüßte das besser, als jemand mit meinem sehr bescheidenen Jahreseinkommen? Übrigens! Die Honorare des Leonardo da Vinci wurden nicht von Leuten meiner Herkunft bezahlt, sondern von netten Leuten wie Cesare Borgia. Kultur ist also komplex.
Oder ein anderes Beispiel. Nikola Tesla (der in Graz an der TU studiert hat) veränderte mit seinen Erfindungen die Welt.
Das wurde möglich, weil der Großindustrielle George Westinghouse in seine Arbeit investiert hat. Damit möchte ich sagen: wenn wir in diese Debatte reingehen, dann aber richtig, indem wir das Thema gründlich ausleuchten. Doch nicht hier, auf diesem Albumblatt…
Ah ja, BMW Isetta. Das Rollermobil, eine Zwischenposition, die den Übergang vom Motorrad /Scooter- zum Autobesitz markiert. Diese Art der Bubble Cars war nicht lange auf unseren Straßen präsent, denn die sprunghaft wachsenden Volksmotorisierung handelte vor allem davon, daß Automobile erschwinglich wurden.
- Fortsetzung (Blatt III)
- Alle Fotos: Martin Krusche
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