Schnittstellen#
(Weshalb Pöllau?)#
Von Martin Krusche#
Ich bin von zwei Dingen besonders überzeugt. Erstens haben ausnahmslos alle Menschen kulturelle und spirituelle Bedürfnisse. Die leben sie entlang ihren Wahrnehmungserfahrungen und Lebensbedingungen. Zweitens handelt menschliche Gemeinschaft als kulturelles Phänomen zentral davon: Wir erzählen einander die Welt.
Das handelt unausweichlich von Kontrasten, von Differenz, von Meinungsverschiedenheiten. Genau darin liegt das große kulturelle Potential; diese Kontraste nämlich nicht gegeneinander auszuspielen, sondern komplementär zueinander anzuordnen.
Die vorliegende Publikation hat einige Motive aus dem oststeirischen Markt Pöllau als Angelpunkte. Das kommt, weil sich ein Dreieck gebildet hatte, um eine neue Webtechnologie zu erkunden. Wissenschafter Hermann Maurer, ein Informatiker, hat sie mit seinem Team entwickelt: NID = NetIntervative Documents. Das ist uns eine Mischung aus Internetpublikation, Arbeitsplattform, erweitertes Archiv und Netzwerk.
Fotograf Richard Mayr und ich haben jüngst ein Projekt abgeschlossen, für das wir etliche Male gemeinsam unterwegs waren. Das Buch „Wegmarken: Ein kulturelles Zeichensystem“. Diese fruchtbare Zusammenarbeit haben wir inzwischen erweitert. Um uns in die NID-Technologie einzuarbeiten, nahmen wir uns augenblicklich diese Publikation vor.
Die Entscheidung für einen bestimmten Foto-Zyklus von Mayr, der schon vorhanden sein sollte, fiel deshalb auf Pöllau, weil ich darunter die Replik des Mechanismus von Antikythera gesehen hab. Der vorerst einzige Beleg, daß Feinmechanik in der Antike schon verfügbar war, was mit unserem Projekt „Funkenflug“ korrespondiert. (Sie finden das im weiteren Textverlauf erläutert.)
Wir verknüpfen mit dem kleinen Pöllau-Projekt mehrere Arten, wie man sich so ein Thema erschließen kann. Es ist unverzichtbar, im sogenannten Realraum vor Ort zu sein, um Eindrücke zu sammeln und Fotos mitzubringen.
Die reale soziale Begegnung bleibt der Ausgangspunkt. Aber als Autor kann ich auch Telepräsenz und Teleworking nutzen, kann sogar Literarturrecherche und Internetrecherche weltweit vom Schreibtisch aus betreiben.
Wir kombinieren diese Optionen; ergänzt um die schöne Möglichkeit, aus alten Publikationen zu schöpfen. Was sich vorteilhaft trifft: dieses „Allgemeine geographische Wörterbuch“ von Galletti, 1822 erschienen, also gerade rund 200 Jahre alt, stammt aus dem Familienbesitz des Hauses Mayr.
Postskriptum In der kommenden NID-Publikation werden Sie auf visueller Ebene zwei Erzählungen finden. Die in kraftvollen Farben ausgeführten Arbeiten von Richard Mayr, hinterlegt mit Doku-Fotos in Schwarzweiß, die Krusche aus verschiedenen Jahren von Pöllau und Umgebung mitgebracht hat; zuzüglich einiger Grafiken.
- Fotos: Martin Krusche
- Pöllau (Eine Werkbank)
- Staub und Papier (Johann Georg August Galletti und ich)
- Alatna: die Edition