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…zu unserem Kunst Ost-Themenschwerpunkt „Volkskultur, Popkultur, Gegenwartskunst“
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Volkskultur#

(Wegmarken im Kontext)#

von Martin Krusche

Im Jahr 2019 erschien meine kleine Kulturgeschichte des Steyr-Puch Haflinger. Es wurde ein Buch, das die österreichische Mobilitätsgeschichte in einigen Bereichen ausleuchtet und ein Stück Hintergrundfolie zur Volkskultur in der technischen Welt aufrollt.

Im Jahr 2020 sollte das Buch über Klein- und Flurdenkmäler in der Oststeiermark erscheinen. Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben durchgerüttelt, also zog es sich etwas hin. Damit hatte ich mich einem anderen Teil unserer Volkskultur gewidmet, der bis in die Gegenwart sehr ursprünglich gelebt wird. Vor allem, weil sich weder die Unterhaltungsindustrie darauf werfen konnte, noch diverse Tourismus- und Citymanagements dieses Genre kapern mochten.

Menschen haben sehr unterschiedliche Neigungen und Interessen. Aber eines teilen wir alle ausnahmslos. Wir haben kulturelle und spirituelle Bedürfnisse. Die Volkskultur ist aus der Vergangenheit heraus ein Gebiet, in dem sich vieles davon sehr ungetrübt manifestieren konnte. In einer ständischen Gesellschaft hatten die Herrschaften kaum Interesse an diesen Seiten der Lebenswelten subalterner Leute.

Das heißt, die „gemeinen Leute“ lebten ihre spirituellen und kulturellen Bedürfnisse, ohne sich dabei auf irgendeine Legitimation durch „gebildete Leute“ angewiesen zu fühlen. Wissenschaftliche Diskurse oder andere Distinktionsmechanismen außerhalb ihrer Lebenswelten spielten da keine Rolle.

Kontinuitäten#

Das gilt in unterschiedlichen Gewichtungen auch heute für die beiden Genres, denen ich mich verbunden fühle. Ich bin bemüht, meine Arbeit auch in diesem Sinn zu gestalten. Ich belehre die primären Kräfte nicht, ich befrage sie. Für die Pflege der Wegkreuze, Bildstöcke, Kapellen und anderen Wegmarken wird aus der Überlieferung im eigenen Milieu geschöpft, aus tradierten Codes und Konventionen.
…zu unserem Themenschwerpunkt: „Meister Lukas (links) legt das Winkelmaß an den Stahlwürfel, um zu prüfen, wo eine der Flächen noch uneben ist. Er sagt: „Die Hundertstel ignorieren wir.“ Aber an den Zehntelmillimetern muß ich mich mit den Feilen abarbeiten. (Foto: Richard Mayr)
…zu unserem Themenschwerpunkt: „Meister Lukas (links) legt das Winkelmaß an den Stahlwürfel, um zu prüfen, wo eine der Flächen noch uneben ist. Er sagt: „Die Hundertstel ignorieren wir.“ Aber an den Zehntelmillimetern muß ich mich mit den Feilen abarbeiten. (Foto: Richard Mayr)

Es kommen darüber hinaus bestenfalls die Kompetenzen eines regionalen Künstlers oder Herrgottschnitzers ins Spiel, eher selten amtliche Experten, kaum je wissenschaftliches Personal. Bei der Volkskultur in der technischen Welt, soweit es Schrauber und Sammler betrifft, verhält es sich ganz ähnlich. Das Gros der Experten (und auch mancher Expertinnen) kommt aus den eigenen Reihen, aus dem eigenen Milieu.

So gesehen bin ich nur eine Randfigur dieses Genres, zwar wohlgelitten, weil ich einen passablen Ruf erwerben konnte, was Sachkenntnis und Umgang mit den primären Kräften angeht, auch weil ich darüber gefällig schreiben kann, aber ich betone laufend: „Ich bin nicht der Experte, sondern der, der mit den Experten spricht“.

Die wachsende Sachkenntnis erleichtert es mir, nützliche Fragen zu stellen. Derzeit gehe ich darin ein paar Schritte weiter und lerne unter Aufsicht von Meister Franz Lukas das händische Schneiden und Feilen von Stahl; also pure Handarbeit, keine Maschine. Nein, nicht um ein Handwerker zu werden, sondern um mein Wissen zu vertiefen, meine Sichtweisen zu präzisieren. Siehe dazu: „Das Sägen und Feilen“ (Ein stahlhartes Postskriptum)!

In all dem bleibe ich Künstler, im Kern übrigens Lyriker, aber ich mag dieses Motiv aus der Antike. Da waren die Genres noch nicht über Kategorien und Begriffe getrennt. Das Wort „Tèchne“ bezeichnete Handwerk, Kunst und Wissenschaft gleichermaßen. Man muß dazu Kenntnisse erwerben und sein Geschick üben.

Zur Onlineversion des Buches "Wegmarken"#