Episode XVI: Das Fenster#
(Im Dialog mit Chris Scheuer)#
Von Martin Krusche#
Womit bekommt man es hier zu tun? Vorweg ein Stück Hintergrundfolie. Ich habe diesen speziellen Satz als eine Feststellung von Markus Lüpertz in Erinnerung: „Kunst ist immer Renaissance.“ Kunst befaßt sich immer auch mit sich selbst und mit ihrer Vorgeschichte. Weshalb sollte es anders sein? Das wäre eine schrullige Idee: Jemand zerrt ein Werk aus sich hervor, das wie vom Himmel gefallen ist, keine Vorbedingungen kennt, keine Querverbindungen zuläßt, in nichts anderem Wurzeln geschlagen hat.
Durch meine Erinnerung irrlichtert auch noch dieses Motiv herum, daß vor allem die Mittelschicht zu einem Originalitätswahn neigen würde. Ich hau noch diesen polemischen Satz drauf. Unter Spießern herrscht ein besonderes Faible für die Idee, es gebe „Genies“, denen etwas aus unbekannter Quelle zufällt, auf daß sie in singulärer Exzellenz äußerst Herausragendes leisten, etwas möglichst davor nie Dagewesenes. (Einsam wirft sich der Held ins Rad der Geschichte!)
Ich finde solche Flausen geradezu ärgerlich, weil sie unterschlagen, wie viel harte und vor allem kontinuierliche Arbeit noch der Begabteste leisten muß, um Virtuosität zu erlangen; und zu halten. Das träumen sich die Spießer dann so zurecht, eine Art profanes Gottesgnadentum in der Kunst.
Wie durchsichtig das ferner im kulturpolitischen Sinn ist! Gemäß solcher Konzepte muß man so die Verantwortung für einen angemessenen Leistungsaustausch nicht mehr übernehmen, muß sich auch nicht anteilsmäßig für den weiten Weg zuständig erklären, den kommende Meisterinnen und Meister zu bewältigen haben. Dafür braucht es nämlich Arbeitsbedingungen, unter denen man ökonomisch und emotional überleben kann.
Aber Chris#
Bei Graphic Novelist Chris Scheuer war schon in den Kindertagen klar, daß er sein Talent wie ein Segel aufspannt und ein Stück europäischer Kunstgeschichte wurde der Wind, um dieses Talent zu bewegen. Druckwerke von Albrecht Dürer. Scheuer ist übrigens wenig geneigt, seine künstlerische Kompetenz allzusehr in den Vordergrund zu schieben. Die Hand hat zu tun. Das Werk zählt.Und so kam es zu diesen Blättern: Als er das Gleisdorfer Museum im Rathaus betrat, um sich Arbeiten von Joseph Beuys anzusehen, dauerte es keine fünf Minuten, schon hatte er sein Notizbuch aufgeschlagen und er reagierte auf den Teil eines Ensembles von Fotografien. Das ist völlig naheliegend, weil er stärker als andere mit visuellen Mitteln denkt, reflektiert. Indem er zu zeichnen beginnt, erkundet er ein Thema. Davon handelt diese Episode im Zeit.Raum.
- Fotos: Martin Krusche
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