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Der Kybernaut Jürgen Kapeller.
Der Kybernaut Jürgen Kapeller.

KI – die Perfektionierung des Help-Loops#

(Oder: Der stille Tod des Kundensupports)#

von Jürgen Kapeller

Heilsbotschaften über die Segnungen der KI reißen nicht ab, wenngleich die reale Begegnung mit dem frischen Gral der Innovationsprediger, jener Sorte von Menschen, die im Zehn-Jahres-Zyklus die Welt disruptiert sehen, doch erstaunlich banal ausfällt.

Wer Chat-GPT häufiger verwendet, wird zuerst von der wuchtigen Opulenz der Antworten beeindruckt sein, doch im Laufe der Zeit stellt sich insbesondere bei sehr konkreten Anforderungen Ernüchterung über die flachen Inhalte ein. Wer zB. eine Liste aller Baubehörden des Landes Steiermark von Chat-GPT anfordert, wird höflich darauf hingewiesen, dass man sich die Sache aus verschiedenen Websites doch selbst zusammenstellen könne und (so interpretiere ich jetzt mal) die kostbare Intelligenz vulgo Rechenzeit bitte nicht mit so einem banalen Scheiß vergeuden möge. Selbst insistieren wird höflich aber bestimmt zurückgewiesen.

Insofern ist die Klassifizierung als ‚Intelligenz‘ absolut zutreffend, unterscheidet sich das Verhalten doch kaum von geschickt Arbeit rückdelegierenden Mitarbeitern. Man lernt also, ChatGPT verhält sich wie ein fauler Mitarbeiter, ein fleißiger hätte nämlich geliefert.

Wer gelegentlich mit gängiger KI Bilder generiert, wird ebenso nach anfänglicher Begeisterung bald von der Lackaffen-Stereotypie von Porträt-Bildern gelangweilt sein. Selbst sehr drastische Änderungen in den Anforderungen zur Bildkomposition führen zu recht ähnlichen Ergebnissen. Unvorteilhafte Attribute wie zB. ‚hässlich‘ werden konsequent blockiert oder zumindest ignoriert. Man versuche mal die Anweisung ‚Chinesischer Tourist am Hauptplatz in Leoben‘ und darf sich dann vielleicht darüber freuen, den Chinesen nur von hinten zu sehen und sich eher in Maria Zell wiederzufinden. Nun gut, alles Kinderkram, wird schon noch erwachsen werden…

Das derzeit beliebteste Schlachtfeld der KI ist das schon länger allseits beliebte Support-Center in den Websites größerer Firmen oder zumindest solchen mit vielen Kunden. In perfider Impertinenz wird einem für jedes Problem der gelegentlich recht infantil ausgeformte KI-Chat-Assistent angepriesen, welcher meist rechts unten auf der Seite anzutreffen ist und gelegentlich auch durch besonders dümmliche Animationen auf sich aufmerksam macht.

Unterliege ich im Falle einer Frage oder gar einer Reklamation der Verlockung zum Chatten, werde ich erst mal mit einem freundlichen „Hallo, mein Name ist Tom (Eva, Gabi, Otto – irgendein Kurzname eben)! Ich bin dein persönlicher virtueller Assistent, wie ist dein Name?“ gütlich gestimmt. Folgsam tippe ich meinen Namen oder meine Kundennummer ein und dann kommt mit Sicherheit etwa Folgendes: „Hallo Maxi, schön, dass Du mich kontaktierst! Was kann ich für dich tun?“

...weil wer kann, der kann!
...weil wer kann, der kann!

Nun ja, von einer Maschine zu erwarten, dass sie mich in der Höflichkeitsform anspricht, habe ich schon vor langer Zeit aufgegeben die anschließende Bevormundung ist dann aber doch eine Prüfung für meinen Gemütszustand. Die Sache ist nämlich die, dass ich die höflich gestellte Frage „…was kann ich tun?“ nicht beantworten kann, wie ich möchte, sondern lediglich zwischen 2 bis acht vorgefertigten Antworten wählen darf. Als klassisches Glückskind gelingt es mir jedoch selten, mein Anliegen in den angebotenen Antworten wiederzufinden und probier erst mal das meiner Meinung nach Zutreffendste.

Das führt meist zu einer weiteren Auswahl und nun erkenne ich, dass ich doch das andere nehmen hätte sollen. Manchmal bietet mir ein Assistent ein „Zurück“ an, doch das ist selten. Ich versuche mich weiterzuklicken, doch nirgendwo ein sinnvoller Ausstieg. Es bleibt meist nur noch Chat beenden und neu starten – mein Lieblingsspiel als Kind: ‚Mensch Ärgere dich nicht‘.

Ich würfle mich einen weiteren Loop durch den Chat, wähle brav die andere Option und die scheint so halbwegs zu passen und ich düse weiter durch zwei oder drei Auswahlstationen bis ich endlich, was für ein Support, auf eine Seite im Hilfe-Universum der Site verwiesen werde.

Noch immer geduldig und friedfertig aber doch schon leicht abgekämpft, zieh ich mir die Hilfeseite rein. Ein erstes Überfliegen verrät: Was ich brauche, ist nicht hier. Ich versuche sorgfältiger durch den meist sehr barock ausgeformten und wenig informativen Text zu scannen, doch es zahlt sich nicht aus – zurück zum Start!

Der Chat ist glücklicherweise noch seitlich eingeblendet und luxuriöse Chats bieten jetzt sogar die Frage: „War die Information hilfreich?“ Die anderen Chats lass ich jetzt mal weg – man kann sich vorstellen, wie es dort weitergeht.

Wenn ich es wage, ‚nicht zufriedenstellend‘ auszuwählen, gabelt sich dann der Weg zumeist. Besonders effiziente Systeme bedanken sich höflich für das Feedback und werden es zur Qualitätsverbesserung an eine unbekannte Stelle weiterleiten. Punkt. Aus.

Etwas heuchlerische Bots simulieren Betroffenheit und fragen nach der Mailadresse um ein sog. Support-Ticket anlegen zu können und eine*n Mitarbeiter*in (in fernen Landen) mit der Angelegenheit behelligen zu können. Er-sie-es meldet sich, wenn überhaupt, in ein paar Tagen („schön, dass du uns kontaktierst, was kann ich für dich tun?“) und ich darf erstmals mein Anliegen ausformulieren. In mehr als 2/3 der Fälle kommt dann sinngemäß folgende Antwort: „Danke für Deine Anfrage. Ich verstehe, dass Du ein Problem mit der … (zB. Lieferzeit) hast. Dein Anliegen wird bearbeitet und ist in guten Händen. Weitere Informationen zum Thema … findest Du in unseren FAQs auf der Website.“

Also wieder ein Loop. Die Formulierung weist untrügerisch auf eine KI-gestützte Abarbeitung oder zumindest zusammengestoppelte Textbausteine hin. Dass die Antwort erst nach Tagen kommt, soll mir vorgaukeln, dass ein Wesen aus Fleisch und Blut sich darum gekümmert hat.

Superschlaue Bots gehen noch einen Schritt weiter: Sie fragen bei unzufriedenstellend, ob ein Supportmitarbeiter kontaktiert werden soll. Ich antworte mit ja, und darf ein weiteres Mal mein Anliegen schildern (sofern ich den Fehler mit dem Support-Ticket bereits hinter mir habe), was ich aber schlauerweise aus meinem Mail von damals rauskopiere. Verweigern oder mit blabla füllen kann ich hier nicht, denn die Frage poppt erneut auf - versehen mit dem Hinweis, dass für blabla kein Mitarbeiter gefunden werden konnte und ich die Frage anders formulieren möge.

Endlich superschlau für kein Geld!
Endlich superschlau für kein Geld!

Ich hab so meine Erfahrungen mit Support-Centern und bemühe mich mein Anliegen so zu formulieren, dass die Inder oder Pakistani dem ins Englische und danach in die Landessprache übersetzten Text etwas Brauchbares entnehmen können. Die Antwort erhellt mich dann, denn mir wird klar, dass man dank KI nun auch den Inder eingespart hat. „Ich verstehe, dass Du ein Problem mit der …. hast. Alle Informationen zum Thema …. findest Du im Hilfe-Center unserer Web-Site unter….“. Ich lerne: Das Hilfe-Center ist ein Mitarbeiter.

Bei einigen Bots ist es mir auch nach gut 20 Versuchen nicht gelungen, eine Frage so zu stellen, dass nicht wieder der Verweis auf die Hilfeseiten erscheint. Als Fazit bleibt: In Supportabteilungen arbeitet niemand mehr. Vielleicht noch ein paar Programmierer aber besonders geschickt sind die auch nicht. Man fühlt sich an eine Qualtinger-Satire erinnert: „Des anzige wos stört, is die Kundschoft.“

Als ich meinen Weg in die Selbständigkeit antrat, war Kundenzufriedenheit und damit ein 1A Kundensupport das Um und Auf. So zumindest versuchten die Trainer in der freiwillig obligatorischen Wifi-Schulung die Voraussetzungen für unternehmerischen Erfolg abzuzirkeln. Übertrieben formuliert, konnte man fast jeden erdenklichen Schmarrn ausliefern, aber wenn der Support stimmte, war das die halbe Miete.

Das hat sich wohl so nicht gehalten. Ich merke, ich habe Wirtschaft in einer anderen Epoche gelernt. Eine Epoche, in der man Respekt gegenüber dem Kunden zeigte. Ich werde nicht weinerlich oder frustriert darüber, aber ich frage mich, woher diese Entwicklung kommt. Ist es wirklich der Kostendruck, der zu immer schlampigeren Lösungen führt oder sind es bloß haushoch übertriebene Versprechungen der Verkäufer von in den Kinderschuhen steckenden, schlecht trainierten KI-Systemen, die mir diesen Schmarrn bescheren.

Eine KI ist naturgemäß respektlos, auch wenn sie so getrimmt ist, als wäre sie fähig, Wertschätzung zu entwickeln. Das sollte uns immer bewusst sein. Das wiederum führt zu zwei entscheidenden Fragen:

  • Ist es für uns akzeptabel oder ist es uns sogar egal zunehmend kalter Respektlosigkeit ausgesetzt zu sein?
  • Was macht es mit uns, wenn Respekt kein essenzieller Bestandteil des (Wirtschafts-) Lebens mehr ist?