Emil Gruber, 1959 bis 2021#
(Was bleibt, wenn einer geht?)#
von Martin KruscheDieser Sommer läßt uns alle nachsehen, wo unsere Konturen verlaufen. In welche Zusammenhänge sind wir derzeit gestellt? Was hält und worüber straucheln, stürzen wir auch? Selbst wenn ich Menschen lange nicht sehe, habe ich ihre Stimmen im Ohr. Ich sehe die Mundwinkel. Gesten. Blicke. Wem soll ich denn vertrauen? Aber dem Tod. Diese Stille! Das beschäftigt mich schon eine Weile. Wie findet sich die Bereitschaft aus der Welt zu fallen?
Emil ist gegangen. Das hatte sich am Freitag, dem 25. Juni 2021, abgezeichnet. Da war dieser schwere Himmel, der sich in großer Sommerhitze zusammengebraut hatte. Musiker Oliver Mally befand sich schon auf dem Weg, als ich ihn anrief, denn der Regen kam waagrecht daher. Unter diesem Strömen stieg ich zu Mally ins Auto und wir fuhren tiefer in die Oststeiermark.
Dort schien alles mühelos zu sein, ich war unbeschwert, denn wir befanden uns an unbestimmter Stelle in einem größeren Verlauf, der dann so seine Momente in realer Begegnung mit liebenswerten Menschen hat.
Als ich ein Foto aus dem kleinen Konzert ins Web stellte, Mally war in seine Gitarre gefallen und das lief atemlos, sah ich die Nachricht: „The End“. Ich fragte bei U. nach: „passed?“ Sie antwortete: „Not confirmed yet.“ Das hat sich mittlerweile geändert. Aber nein! Ich hab Ihnen zu all dem nichts weiter zu sagen. Kein Nachruf, kein Pose, keine hilflos schlingernden Sätzchen wie „…hat uns gestern viel zu früh verlassen.“
Ich denke vor allem: „Wo verliert sich Deine Spur?“ Und ich lausche dem Schweigen, das bleibt, das auch mich beizeiten ausmachen wird. (Es ist überschaubar.)
Gestern, am 28. Juni 2021, ist meine Welt um ein Nuance stiller geworden. Ich habe ein paar Fotos aus meinem Archiv gesucht, weil ich damit ein Gefühl bekomme: So geht Kultur! Tausende Schritte, Handgriffe, Blicke, die von Obsessionen bewegt wurden. Und einige Artefakte, die weitergereicht werden. Etwas bleibt in Fluß. Wir bleiben zurück. Dieses Lächeln ist ewig…
P.S.: Emil Gruber hatte eine Email-Adresse, die dem Mount Katmai in Alaska gewidmet war: „katmai@...“ (Der Berg ist ein Teil des Feuerrings rund um den Pazifik.) Vulkane waren eine der Leidenschaften von Emil. Deshalb lautete meine Notiz auf Facebook: „heute trauern die vulkane auf allen kontinenten, denn ihr guter freund ist gegangen.“ (Die Fotos: Martin Krusche)
Kontext#
Die DVD auf dem letzten dieser Fotos habe ich als Geschenk erhalten. Es ist einer der besten Road Movies des 20. Jahrhunderts: „Two Lane Blacktop“ (1971, Monte Hellman)- Tra(c)ktat zur Gründungsurkunde eines postnationalen Reisebüros (Nach dem Manifest des Avantourismus des Philosophen der Tat Georg Flachbart)
- Sturm im Rücken (Eine Session des Oliver Mally)
- Clip #1: Die Quasselmaschine („Griaß di, Martin!“)
- Clip #2: Ein Gramophon ("Mein Papagei frißt keine harten Eier")
- Clip #3: Wunderkammer (Und der Hund)
- Sporadisches (Projektbezogene Albumblätter und einzelne Serien)
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