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unbekannter Gast

Auf dem Weg ins Forum Stadtpark...
Auf dem Weg ins Forum Stadtpark...

Samstag Nacht#

(Berndt Luef | Let there be Jazz!)#

von Martin Krusche

Manchmal fesselt mich in einem Text ein einzelner Satz. Etwa dieser: „Ich spürte süßliche Wärme im Mund“. Das notierte Ryszard Kapuscinski in „Brennende Barrikaden“. Es betrifft eine Sequenz, in der er nicht wissen konnte, ob er überleben würde.

Musiker Berndt Luef hatte dem Publizisten einen ganzen Abend im Grazer Forum Stadtpark gewidmet, die „Sultry Nights“. Vorzügliche Organisation! An jenem Tag war die Temperatur erneut über 30 Grad hochgegangen. Die Nacht, in der wir ordiniert haben, wurde also - dem Titel gemäß – äußerst schwül.

Ich kam quasi als Gastarbeiter an Bord des „Jazztett Forum Graz“, um im Verlauf des Konzertes die Kapuscinski-Geschichte „Hotel Metropol“ zu lesen. Ein weiterer Akzent in dem, was ich Konvergenzzone nenne. (Ein Gedanken- und Handlungsraum, in dem sich eigenständige Kräfte einander zuneigen, um etwas umzusetzen.)

Wider die Schläfrigkeit#

Nun lag es Jahrzehnte zurück, daß ich zuletzt mit einer Jazz-Formation auf der Bühne gestanden hatte. Es war also diese Session für mich ganz wesentlich eine Sentimental Journey. Das überdies in einer Phase, in der ich fast ebenso ausdauernd von Schlafmangel bestimmt werde wie die Figuren im „Hotel Monopol“.
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Ich bekomme nachts meine vier Stunden, meist ein, zweimal unterbrochen, dann folgt ein Stück des Tages, an dem ich darauf achten muß, daß ich irgendwann zwei Stunden nachschlafen kann. So geht sich aus, was ich zu erledigen hab. Ich bin das, was Andrea Habeler, eine junge Bildhauerin aus meiner Meute, einen „Teilzeit-Eremiten“ nennt. Könnte ich den Lauf der Dinge nicht mit ausreichend Stille in Balance bringen, würde ich den Verstand verlieren.

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So mußte ich nun auch mit Maler Heinz Payer, der ins Forum Stadtpark gekommen war, etwas vage eine Absprache für die folgende Woche treffen, denn wir hatten unsere Arbeit am „Official Bootleg“ noch abzustimmen. Jener Samstag mit Luef und seiner Crew war davon geprägt, daß wir vormittags in Graz zu proben hatten und nachts das Konzert stattfand. Es hießt für mich: drei mal mit dem Postbus über die Ries und abschließend mit Saxophonist Willy Kulmer auf den Heimweg.

Daher überlegte ich gut, was in meiner Tasche nicht fehlen durfte. Mir war schon beim ersten Durchgang der Schweiß über den Rücken geronnen. Was dagegen von der Stirn tropfte, machte Schlieren auf meine Brillengläser. Das stört beim Lesen enorm. Ergo: Brillenputztuch!

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Ich mußte Trinkwasser sowieso dabei haben, wollte aber auf ein Handtuch verzichten, denn ich bin ja kein Boxer. Im Alltag vergesse ich manchmal ein Geschirrtuch auf meiner Schulter. Ich hab ein Faible für Geschirrtücher. Das war nun die richtige Wahl für den Konzertabend.

Und Bücher. Ich lese, wann immer sich Zeit dafür bietet. (Im Grunde wohne ich in einer Bibliothek.) Für jene Samstag-Session war Manfred Mixner die richtige Wahl. In seinem Band „Verstrickt in Geschichten“ (Versuche, Reden, Miszellen, Edition Keiper) findet man unter anderem den Text „Zur Entstehung des Grazer Forum Stadtpark und...“.

Ich kannte etliche dieser Zusammenhänge vor allem aus den persönlichen Erzählungen des Malers Hannes Schwarz (†), der aktiver Teil jener frühen Ereignisse gewesen ist. Aber es ist freilich weit komplexer. Mixner bietet hier eine ebenso kompakte wie aufschlußreiche Schilderung, die lesen sollte, wer sich über steirische Kulturpolitik Gedanken macht. Dazu unverzichtbar ein anderer Text jener Sammlung: „Das Misstrauen zwischen Politik und Kunst“.

Berndt Luef (links) und Ismael Barrios.
Berndt Luef (links) und Ismael Barrios.

Der stammt von 1980 und ich bin konsterniert, wie wenig sich seither bewegt hat und wie sehr ein ansehnlicher Teil des steirischen Kunstvölkchens offenbar ohne jede Kenntnis wenigstens dieses damaligen Diskurs-Standes zurechtkommt. (Manche sollten sich vielleicht erst einmal durch die Lektüre solcher Notizen ins Bild setzen, bevor sie zur Politik „Gefühltes“ von sich geben.)

Das Reisen#

Ich habe Berndt Luef in einer vorangegangenen Notiz einen „Parallelreisenden“ genannt. Einerseits, weil er nie ein Stubenhocker war, sondern Teile Europas spielend erkundet hat. Andrerseits, weil ihm stets etwas an der Welt liegt, wie auch an Literatur. Er reist daher nicht bloß physisch, sondern parallel auch im Geiste durch übrige Gebiete.

Beim Abschied gab er mir Ryszard Kapuscinskis Buch „Die Welt im Notizbuch“ mit auf den Weg. Ich werde bei Gelegenheit noch darauf eingehen, wie das mit dieser oben erwähnten Begrifflichkeit „in der Kunst leben“ zusammengeht, denn das halte ich für einen wesentlichen Punkt.

Manche mögen Kunst „ausüben“ oder wie auch immer man es nennen möchte. Aber in der Kunst zu leben ist eine Möglichkeit der anderen Färbung und des Geschmacks an diesen Dingen. Dazu strapaziere ich gerne die Ansichten von Markus Lüpertz: Es ist ein Ringen und Qualität und Vollendung.


Bei der Probe, von links: Kurt Haider, Patrick Dunst, Karel Eriksson, Klemens Pliem, Thomas Stabler, Berndt Luef, Georg Lukas Raumberger und Willy Kulmer.
Bei der Probe, von links: Kurt Haider, Patrick Dunst, Karel Eriksson, Klemens Pliem, Thomas Stabler, Berndt Luef, Georg Lukas Raumberger und Willy Kulmer.