Menschsein#
(Annäherung an den Kreuzweg)#
von Martin KruscheWas genau ist eigentlich gemeint, wenn wir vom „Menschsein“ sprechen? Ich muß so große Themen freilich im Alltag nicht schultern. Da ist eine Vielzahl kleinerer Fragen zu beantworten, sind handlichere Belange abzuarbeiten. Aber es gibt gute Gründe, gelegentlich auf wesentlich größere Fragen einzugehen.
Wir, Künstlerin Monika Lafer, Fotograf Richard Mayr und ich, haben uns mit Gleisdorfs Pfarrer Giovanni Prietl getroffen, um erst einmal zu besprechen, welche Schnittpunkte wir in so einer großen Frage miteinander allenfalls finden.
Bedeutende Narrative#
Es gibt betreffend unserer individuellen Existenzen und gesellschaftlichen Zusammenhänge eine ganze Reihe von Motiven, die kulturell tradiert sind. Dazu existieren kontrastreiche Beschreibungen. Ich kann bis zum Beginn unserer Schriftkultur zurück betrachten und bestaunen, was alles offenbar unveränderbar Teil einer Conditio humana ist.Es erscheint mir sehr wichtig, das gegenüber den wandelbaren Lebensbereichen mit etwas Trennschärfe anschauen zu können. Menschsein, unsere Sprache, unsere Lebensprinzipien, das ist alles in erheblichem Ausmaß ständigen Veränderungen unterworfen. Aber manches eben gar nicht.
Ich hatte vor Jahren begonnen, mich um das bessere Verständnis von religiös begründeten Klein- und Flurdenkmälern zu bemühen. Ein Ergebnis dieser Erkundung was das Buch „Wegmarken“, entstanden in der Zusammenarbeit mit Fotograf Richard Mayr. (Siehe Link am Seitenende!)
Ich hatte dieses kulturelle Zeichensystem, mit welchem wir alle in unseren hiesigen Lebensräumen verwoben sind, bei weitem unterschätzt. Und zwar in seiner Bedeutung, seiner Wirkmächtigkeit und seiner Funktion als volkskulturelles Gut im Dasein etlicher meiner Mitmenschen.
Wie erwähnt, manches ändert sich an uns Menschen offenbar selbst über Jahrhunderte oder Jahrtausende hinweg nicht, bekommt bestenfalls einen etwas anderen Klang, eine etwas andere Färbung. In dem Zusammenhang beschäftigt mich seit einer eine Weile das, wofür der Kreuzweg steht.
Als ein Angelpunkt dieser Erzählung erscheint mir jene Szene aus dem Johannesevangelium, an der Roms Statthalter Pontius Pilatus der lokalen Bevölkerung den schwer mißhandelten und todgeweihten Jesus vorführt. Was im Griechischen als „Idoù ho ánthropos“ notiert wurde, also: „Siehe, der Mensch“, wurde im lateinische mit den Worten „Ecce homo!“ überliefert.
Ich lese das als eine Machtdemonstration, bei der überdies eine der schrecklichsten Tötungsarten in Aussicht gestellt wurde, von der wir wissen, die Kreuzigung. Das wirft meiner Ansicht nach zwei wichtige Fragen auf.
- 1) Dürfen wir als Gemeinschaft der Menschen zulassen, daß auf solche Art Macht demonstriert wird?
- 2) Was sagt es uns, daß sich jemand solcher Gewalt ausliefert und darüber hinausgeht?
Thema von Kulturarbeit#
Mich erstaunt diese Person Jesus neu. Während Europas Mythen von Helden nur so wimmeln, die ihre heroischen Akte als Gewalttaten umgesetzt haben, ist dieser Mann darin irritierend, daß er zwar einerseits ein Imperium, nämlich das Imperium Romanum, und seine Autoritäten herausgefordert hat, sich dabei aber andrerseits der Gewalttätigkeit enthalten hat; mehr noch, er hat sich einem Maximum an Gewalttätigkeit ausgeliefert. Das übersteigt einfach meine Auffassungsgabe. Da war es nun naheliegend, das Gespräch mit einem Priester zu suchen. In diesem Fall nicht als ein privates Ereignis, sondern im Wunsch, etwas davon könne in angemessener Weise Inhalt unserer regionalen Wissens- und Kulturarbeit sein. Pfarrer Giovanni Prietl kam dem entgegen.Dazu hat im Archipel auch Richard Mayr einige Vorstellungen, ebenso Obfrau Monika Lafer. Zu diesen Überlegungen gehört unter anderem Kammerschauspieler Franz-Robert Wagner, mit dem wir kürzlich eine große Session im Gleisdorfer Forum Kloster hatten. Er ist mir dem Thema Kreuzweg sehr vertraut. Da hat also nun etwas zu werden begonnen, was sich im kommenden Jahr manifestieren wird.
Ich mag dabei besonders das Gefühl, sich einem derart großen Thema achtsam, ergo auch langsam anzunähern. Ich muß im Augenblick noch nicht genau wissen, was genau es in einigen Monaten sein wird, womit wir nach draußen gehen. Es darf sich entwickeln...
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