Protokoll #38: Rund um das Essenzielle#
(Diskurs und Praxis im Kulturpakt Gleisdorf)#
von Martin KruscheFür Mitte Jänner 2025 war ein erstes Kulturpakt-Treffen angesetzt. Das bedeutet, Politik und Verwaltung der Stadt Gleisdorf mit Kunst- und und Kulturschaffenden der Region an einem Tisch. Es bedeutet auch naturgemäß: eine Vielfalt an Positionen und Intentionen. Das aktuelle Motto: „Im Frühjahr/Sommer 2025 stellen wir die Begriffe „Verantworten – Verhandeln – Verarbeiten“ in den Mittelpunkt und laden Sie ein, sich mit Veranstaltungen und Projekten zu beteiligen.“
Ich war gemeinsam mit Malerin Monika Lafer und Fotograf Richard Mayr dabei, denn wir vertreten den Archipel, das Gleisdorfer Forum für Kunst und Kultur. Von Kulturreferent Karl Bauer ist übrigens eben erst ein Arbeitspapier zu einem Vorhaben in Gleisdorfs Partnerstadt Nagykanizsa gekommen. Betreffs der Ausstellung “Styria goes Hungary - Grenzenlose Freiheit!“ (25.4.2025 bis 28. Juni 2025). Dazu wird es einen Archipel-Beitrag geben.
Außerdem ist Gernot Passath, der beim Meeting neben mir saß, in Nagykanizsa mit an Bord. Ein avancierter Mann im Bereich der bildenden Kunst, vor allem in der Street Art zuhause. Mir gegenüber saß unter anderem Mathias Petermann. Er kommt von der Fotografie, tendiert heute aber stark zu einer Bildsprache wie in der Malerei.
Begriffe klären#
Ich erwähne das, weil ich in dieser Zusammensetzung, mit den genannten Personen, eine inhaltliche Debatte erlebt hab, die bis Mitternacht lief. Vor dem Hintergrund, daß wir noch während des formellen Meetings mit Philosoph Philipp Pexider gesprochen hatten. Der kümmert sich um etwas, von dem wir nach meinem Geschmack viel zu wenig haben.Zitat Pexider: „Philosophische Praxis ist eine gemeinsame, gesprächsbasierte Tätigkeit.“ Was bedeuten die Begriffe, die wir verwenden? Wie deuten wir die laufenden Ereignisse? Was macht das mit den Menschen in einem konkreten Gemeinwesen? Solche Zusammenhänge finde ich höchst klärungsbedürftig.
Das korrespondiert mit den Anliegen der Kommune. Zitat: „Kunst- und Kulturschaffende tragen zum gesellschaftlichen Miteinander und Diskurs bei und übernehmen damit Verantwortung. Kulturveranstaltungen öffnen einen gemeinsamen Verhandlungsraum und ermöglichen kulturelle Teilhabe.“ Was heißt das dann in der Praxis einer regionalen Wissens- und Kulturarbeit?
Zwischen Kunst und Dienstleistung#
Für unseren Bereich, wie ich ihn nachts noch mit Passath und Petermann debattiert habe, heißt das zum Beispiel, daß wir als Kunstschaffende zu unterscheiden wissen: Was ist die Metaebene und was die Praxis? Was ist der Bereich der Kunst im Kontrast zum Bereich der Dienstleistung? (Klar! Unscharfe Ränder und Überlappungen.) Dabei sähe ich gerne beachtet, daß wir keinen „Primat der Tat“ reproduzieren, wie er in der Nazi-Ära über so vieles gelegt wurde.Es ist auch sehr wichtig, was Passath aus seiner Erfahrung betont hat: die wiederkehrende Unsicherheit als konstituierendes Merkmal der Kunstpraxis. In einer Zeit der permanenten Beschleunigung so vieler Prozesse und eines doofen Gedränges Richtung nicht endender Selbstoptimierung halte ich das für eine Tendenz zur Zerreißprobe.
Wir werden auf dem Kunstfeld laufend bedrängt, schlüssige Ergebnisse zu liefern, die sich in der bürgerlichen „Distinkstionsmaschine Kultur“ verwerten lassen. Dabei stehen wir aber in einer ganz anderen Tradition. Ich hoffe, der Philosoph wird es bestätigen können: in der griechischen Antike wurde der Zweifel zu einer wertvollen Option entwickelt, die wir auf dem Weg zu Erkenntnis nicht ignorieren können. (Kleiner Einwurf: Ich halte die Kunstpraxis für eine menschliche Methode des Erkenntnisgewinns.)
Damals hatte diese (unsere) klassische Antike ihrerseits schon eine Antike, aus der Anregungen geschöpft wurden. (Schlag nach unter Ägypten und Mesopotamien!) Ich meine, ohne wenigstens flüchtige Kenntnis unserer Ideengeschichte ist auf dem Kunstfeld nicht voranzukommen. Um solche Zusammenhänge und Zeitfenster werden sich freilich nicht all zu viele regionale Kulturschaffende scheren können. Dafür sind die Prioritäten zu unterschiedlich.
Doch wo es um Fragen der Gegenwartskunst geht, auch um Fragen der „gesellschaftlichen Relevanz“ dieses Feldes, also um kulturpolitische Agenda, sind allerhand Betrachtungen Rund um das Essenzielle unverzichtbar.
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