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Solarbaum von Hartmut Skerbisch (Gleisdorf)#
Jede Arbeit von Hartmut Skerbisch (†) hat ein massives konzeptionelles Fundament, das tief in komplexen Erzählungen verankert ist. Ich habe ihn als einen Hochleistungsdenker in Erinnerung, der oft einen einzelnen Satz mit großer Konzentration ausgelotet hat. Ein Satz müsse im Raum bestehen, hab ich ihn einmal sagen gehört. Ein anderes Mal trug er ein Buch von Julien Gracq mit sich, das in Seidenpapier eingeschlagen war. Er wickelte es sorgfältig aus, um mir eine Stelle darin zu zeigen.
Wenn Sie also vor dem Gleisdorfer Solarbaum zu stehen kommen, mag ihnen das kahle, scharf geschnittene Gebilde lapidar erscheinen. Aber es hat etwas von einem Weinstock, von dem der Laie nicht weiß, wie unglaublich tief die Wurzeln zuweilen gehen.
Gracq war übrigens der Auffassung, daß ein Autor hinter sein Werk zurückzutreten habe. Das traf auch auf Skerbisch zu. Ich denke, wo er die Wahl hatte, unterhielt er sich lieber mit jemandem über eine interessante Frage, als daß er Repräsentationspflichten nachkam oder sich einem anwesenden Publikum zuwandte.
Skerbisch verstand den Solarbaum als „Advanced Sculpture“, von der er meinte, sie konfrontiere so direkt wie möglich mit der Materialität der Welt und „verschleiert sie nicht, wie im Gebiet der schönen Künste, durch außermaterielle Inhalte.“ Das ergäbe eventuell einen Widerspruch zu dem, was ich eingangs notiert hab. Aber es löst sich in der realen Begegnung mit dieser Skulptur ein, der man eben nicht ansehen kann, auf welchen Inhalten sie ruht. Es ist auch vor Ort keine diesbezügliche Erläuterung angebracht. Das wäre demnach im Sinn von Skerbisch gehandelt.
So unterscheidet sich der Solarbaum radikal und katgoreal von allerhand dekorativem Krempel auf Kreisverkehr-Inseln und anderen öffentlichen Flächen, sperriges Zeug, das mit dem Etikett „Kunst“ behängt wurde, ohne etwas mit Kunst zu tun zu haben.
Skerbisch meinte: „So wie erstens die menschliche Sprache macht jedes weitere Medium die Welt kommunizierbar. Aber genau dieser Umstand ist es, der die Welt zugleich auch verdeckt.“ Das ist ein sehr wesentlicher Gedanke, denn: „Das Kunstwerk legt den Blick auf die Welt wieder frei. Leistet es das nicht, ist es irrelevant und es handelt sich um irgendetwas anderes.“ (Siehe zum Solarbaum auch: Kunst, Macht und Raum. Zur Übergabe der Skulptur am 10.9.98.)
- Fotos: Martin Krusche
- Der Ort: Gleisdorf
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