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Bild 'prisma058a'

Unsere Wege#

(Das Pendeln zwischen Realraum und Telepräsenz)#

Von Martin Krusche#

Es ist sicher mehr als ein Jahr vergangen, seit mir Fotograf Richard Mayr von einem Kästchen erzählte und mir die Fotos gezeigt hat. Ein Ding, das ich zufällig kannte. Der Mechanismus von Antikythera gilt als bisher einziger uns bekannter Beleg, daß die Menschen schon in der Antike Feinmechanik beherrschten und kleine Räderwerke anfertigen konnten.

Das paßt aktuell zu einigen unserer nächsten Schritte. Wir haben begonnen, mit dem Projekt „Funkenflug“ einige Aspekte unserer Technologie-, Sozial- und Kulturgeschichte zu erkunden. Das brachte uns etwa jüngst in eine Sonderausstellung von Vorkriegsfahrzeugen der Marke Steyr; darunter auch ein Steyr XII, das erste Großserien-Automobil der österreichischen Geschichte.

Aber zurück zu diesem antiken Mechanismus. Das Original befand sich auf einem Schiff, welches vermutlich zwischen 70 und 60 vor Christus nahe der Insel Andikythira gesunken ist. Dieses Maschinchen kommt einer Art der astronomischen Uhr gleich, um verschiedene kalendarische Sachverhalte darzustellen.

Das Artefakt wurde im Jahr 1900 geborgen und gilt inzwischen als entschlüsselt, weshalb davon verschiedene Nachbauten existieren. Eine dieser Repliken befindet sich im Schloß Pöllau, im Europäische Zentrum für Physikgeschichte echophysics: „Wie neue sensationelle Ergebnisse zeigen, konnten mit der Rechenmaschine astronomische Ereignisse bestimmt werden, und das alles 1500 Jahre vor der Erfindung der mechanischen Uhr.“ (Ein weiteres Beispiel für eines meiner Themen: Weltgeschichte berührt Regionalgeschichte.

Mayr am Steyr 50 „Baby“
Mayr am Steyr 50 „Baby“
Das Pöllau-Konvolut in Arbeit
Das Pöllau-Konvolut in Arbeit

Ich lasse jetzt einmal die spannende Frage beiseite, weshalb es in der Antike keine Industrielle Revolution gegeben hat, wo doch alle technischen Grundlagen schon verfügbar waren. Mechanik, Hydraulik, Dampfkraft etc. Und eben Feinmechanik. Der antike Mechanismus macht deutlich, wie weit der Weg zum Universalrechner dann noch wurde, wenn man davon ausgeht, daß Menschen einst erst einmal mit ihren Fingern zu zählen begannen. (Tragbare Uhren gab es bei uns erst ab dem frühen 16. Jahrhundert.)

Doch ich blicke quasi gerade zu unserem Kooperationspartner hinüber. Informatiker Hermann Maurer. Computer sind Universalrechner. Frühe Rechenmaschinen waren gewöhnlich einer einzelnen Rechenart gewidmet, zum Beispiel Addiermaschinen.

In meiner Lehrzeit, in der ersten Hälfte der 1970er Jahre, sah ich noch eine Buchhalterin mit einer mechanischen Rechenmaschine arbeiten, einem auffallend schweren, aber handlichen Gerät, an dem man allerhand Hebel bewegen mußte, um zum Abschluß jeder Rechenoperation eine Kurbel zu drehen. Rrrratsch! Ergebnis! Ein feinmechanisches Meisterwerk.

Mit Beiträgen zu dieser Entwicklung ging einst die Mathematikerin Ada Lovelace (1815-1852) in die Geschichte ein. Sie arbeitete mit Charles Babbage an der von ihm entwickelten Analytical Engine. Lovelace schuf konzeptionelle Grundlagen für den Technologie-Sprung, der bis zu uns heraufreicht.

Hermann Maurer, mit Details befaßt
Hermann Maurer, mit Details befaßt
Eine Pöllau-Karte als Matrix
Eine Pöllau-Karte als Matrix

Was Babbage und Lovelace im 19. Jahrhundert beschäftigte, die Differenzmaschine, war in einer späteren technischen Umsetzung das „Mailüfterl“. Der erste binär-dezimaler Volltransistor-Rechenautomat, den Heinz Zemanek mit seinem Team 1955 an der TU Wien gebaut hat. Also ein Computer, der nicht mit Röhren und Relais, sondern mit Transistoren arbeitete. Zu Zemaneks Team gehörte damals Wissenschafter Hermann Maurer, mit dem ich dieser Tage wieder bei einem unserer regelmäßigen Arbeitstreffen saß.

Alatna#

Maurer erörterte mit mir einige neue Optionen für das Projekt NID = NetInterarctive Documents. Wir haben mit dieser komplexen Art von Publikation plus Teleworking kürzlich die „Wegmarken“ umgesetzt, ein Buch über Klein- und Flurdenkmäler, das heuer erschienen ist. Übrigens meine erste längerfristige Kooperation mit Fotograf Richard Mayr.

Wir waren dabei über die ganze Strecke gutgelaunt und reibungslos kompatibel, was sich jüngst in einigen Ausfahrten erneut bestätigt hat. (Siehe dazu die Links am Seitenende unter „Krusche & Mayr“!) Das ergibt nun einen nächsten Abschnitt in der Wechselwirkung von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft, wie ich das bei unserer Plattform Kunst Ost schätze.

Der Filzstift-Hack
Der Filzstift-Hack

Okay, das war nun weit ausgeholt. Worauf diese Notiz zielt, ist das Stichwort „Alatna“ (Eine laufende Erzählung). Wir haben eine kleine Online-Edition ins Auge gefaßt, mit der wir die NID-Technologie für eine regionale Kulturinitiative erproben wollen. Untertitel: „Martin Krusche & Richard Mayr in der Schwebe“ (Telepräsenz und reale Begegnungen).

Das berührt auch Fragen des aktuellen Status von Netzkultur. Welche Optionen ergeben sich da für die regionale Wissens- und Kulturarbeit? (Siehe dazu unten: „Da gibt’s kein Dort“!) Ja, es ist sehr komplex. Nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil die aktuelle mediale Situation sich sehr aufgefaltet und verheddert hat. Ausgangspunkt bleibt für uns aber immer die reale soziale Begegnung. Fahrten. Raumüberwindung. Erfahrungen sammeln, Eindrücke ebenso.

Das wird verarbeitet, in verschiedenen Bereichen umgesetzt; als eine Variante der kollektiven Kulturarbeit, in welcher ganz unterschiedliche, kontrastreiche Charaktere zusammenwirken. Das bedeutet nun für unser Projekt „Alatna“, daß wir nun einer kleinen Publikation zum Stichwort Pöllau loslegen werden. Wir gehen vom Regionalen aus und suchen darin die Schnittstellen zur Welt…

Postskriptum#

Während ich mit Mayr diese Dinge durchging und wir uns ein erstes Konvolut verfügbarer Fotos ansahen, erreichte uns aus der Gutenberg-Galaxis eine handgeschriebene Hacker-Attacke mit einer erschütternden Drohung, die nach eine süß schmeckenden Opfergabe verlangte. „Und zwa für immer!“ Amüsant zu sehen, wie Kinder auf die aktuelle Mediensituation reagieren.

Krusche & Mayr#