2. Budapest#
Budapest, Stromkilometer 1647: Wie alle Haupt- und Residenzstädte der Welt möchte auch Budapest, das aus den drei Städten Buda (Ofen), Óbuda (Alt-Ofen) und Pest 1873 vereinigt wurde, die Geschichte des Landes im Kleinen zeigen. Das heutige Panorama der Stadt geht weitgehend auf das 19. Jahrhundert zurück, als nach dem Ausgleich 1867 Ungarn praktisch selbstständig und in Personalunion mit Österreich unter den Habsburgern verbunden war und die Wirtschaft boomte. Zwar gab es schon ab dem 13. Jahrhundert kleinere Burganlagen, die immer wieder erweitert wurden, die königlichen Burg bekam jedoch erst um 1900 ihr gegenwärtiges neobarockes Aussehen. König Franz Joseph I. hielt sich während des Jahres auch immer mehrere Wochen in Ungarn auf. Schon während der Fahrt mit der Eisenbahn legte er ungarische Uniform an, damit er schon beim Aussteigen entsprechend gekleidet war. Eines der bekanntesten Bauwerke ist die Kettenbrücke, Széchenyi lánchíd, die von Graf Stephan Széchenyi initiiert und von den englischen Ingenieuren William Tierney Clar und Adam Clark 1839-1849 realisiert wurde. Die beiden noch selbständigen Städte Buda und Pest waren nur während der Sommermonate mittels einer Pontonbrücke verbunden. Im Winter wurde sie abgebaut und eine Überquerung war nur bei geschlossener Eisdecke möglich. Graf István Széchenyi (1791-1860), obwohl in Wien geboren und gestorben, gilt als „der größte Ungar“, da er durch Reformen und Unternehmungen die Wirtschaft Ungarns in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entscheidend voranbrachte.Bei der Burg erscheint eine Vogeldarstellung, die auf den ersten Blick ein Adler sein könnte, tatsächlich ist es jedoch der „Turul“ (altungarisches Wort für Falke). Der mythenumrankte Vogel spielte in den Legenden um die Landnahme der Ungarn im Karpatenbecken eine große Rolle. Der Sage nach soll er 819 die Fürstentochter Emese im Schlaf geschwängert und ihr im Traum prophezeit haben, dass sie einen Sohn gebären, der der Stammvater vieler Könige sein würde. Dieser Sohn wurde Fürst Álmos (nach álom = Traum) genannt, den das Fürstengeschlecht der Árpáden, die bis 1301 Ungarn regierten, als ihren Urahn ansahen. Das Reiterstandbild des Prinzen Eugen steht prominent vor der königlichen Burg, da er als einer der Helden Ungarns und Türkenbezwinger gilt. Er drängte die Osmanen auf den Balkan zurück, befreite die besetzten Länder (Ungarn, Siebenbürgen und Slawonien) und verhalf Österreich nach der Schlacht von Zenta an der Theiß 1697 und den Frieden von Karlowitz 1699 zur Großmachtstellung. Die Matthiaskirche geht auf König Matthias Corvinus (1458-1490) zurück, der sie 1470 um einen Turm und das königliche Oratorium erweiterte. Während der osmanischen Besetzung ab 1541 wurde diese Kirche zur Hauptmoschee umgewandelt. Hier fanden auch die beiden letzten Krönungen der Ungarischen Könige und Königinnen statt: 1867 Franz Joseph und Sisi, 1916 Karl und Zita. Das 1880 in die Backsteinmauer eingearbeitete große ungarische Wappen am Fuße des Burgbergs läßt erahnen, warum die Ungarn bis heute mit ihrem Schicksal hadern, dass nach dem Ersten Weltkrieg nahezu zwei Drittel ihres Staatsgebietes anderen Staaten zugeschlagen wurde. Das Wappen enthält in der Mehrzahl Länderwappen, die nicht mehr zu Ungarn gehören. Der Schild, der von zwei Engeln gehalten und von der ungarischen Krone überhöht wird, enthält drei aufeinander gelegte Schilde. Der Rückenschild enthält die Länder Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen und unten Fiume (Rijeka), dann als Mittelschild das eigentliche Ungarische Wappen und darüber als Herzschild das genealogischen Wappen der Habsburger. Der Wappenspruch lautet: „Bizalmam az ösi erényben“ (aus dem Lateinischen „confide virtutis“), das frei übersetzt lautet „Ich vertraue auf die Tugend“. Enge Verflechtung von Krone und Kirche, die schon im Wappen sichtbar wurde, kann man auch in der St. Stephansbasilika, der größten Kirche Ungarns seit ihrer Fertigstellung 1905, beobachten. Die Kirche ist dem ersten christlichen König Ungarns geweiht, dessen einbalsamierte rechte Hand auch in einem Schrein gezeigt wird. Am 20. August 1083 wurde er heiliggesprochen, weshalb dieser Tag in Ungarn als großer Feiertag begangen wird. Ein Gemälde zeigt die Darstellung, dass König Stephan der Gottesmutter Maria seine Krone und sein Schwert zu Füßen legt. Da die Heilige Ungarische Krone praktisch die Gesamtheit des Landes Ungarn verkörpert, ist es gleichbedeutend, dass er das Land unter ihren Schutz stellt. König Karl IV. (in der ungarischen Zählung, in der österreichischen ist es Kaiser Karl I. (1887-1921), dem letzten ungarischen König, ist ebenfalls eine eigene Kapelle gewidmet. Kardinal Jozsef Mindszenty wurde 1945 zum Erzbischof von Eszergom ernannt und wegen seines entschiedenen Auftretens gegen Gewalt, Rassismus und Rechtsverstößen zur Symbolfigur gegen den Kommunismus. Nach Schauprozessen zur lebenslangen Haft verurteilt, konnte er 1956 in die Botschaft der USA in Budapest flüchten, wo er Asyl bekam. 1971 durfte er nach Wien ausreisen, wo er 1975 starb und in der Basilika von Maria Zell beigesetzt wurde. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1991 wurde der Sarg nach Esztergom überführt. Das Ungarische Parlament gilt als eines der Wahrzeichen der Stadt Budapest und wurde nach dem Vorbild des englischen Parlaments in Westminster 1904 fertiggestellt. Auf der rechten Seite 300m vom Parlaments entfernt, sind am Donauufer 40 Paar Schuhe aus Metall angebracht. Dies stellt ein bemerkenswertes Mahnmal dar. Die Schuhe sollen an die Erschießung von über 3000 ungarischen Juden 1944/45 erinnern, die hier zusammengetrieben wurden und von faschistischen Pfeilkreuzlern erschossen wurden. Text und Fotos: Michael Göblvorherige Etappe: Bratislava-Esztergom
nächste Etappe: Novisad-Belgrad