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Politik am Ring: "Green Deal" - Schlechtes Geschäft für Österreichs Bäuerinnen und Bauern?#

Parlamentsfraktionen diskutieren über Herausforderungen und Chancen von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen für die Landwirtschaft#

"Green Deal" - Schlechtes Geschäft für Österreichs Bäuerinnen und Bauern?

Wien (PK) - Bis zum Jahr 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Dieser sogenannte European Green Deal ist eine ganzheitliche Strategie, Voraussetzung dafür sind ein Umdenken und ein Umbau in allen Wirtschaftsbereichen, so auch in der Landwirtschaft. Diese ist ein maßgeblicher Faktor: Mehr als 40% des EU-Budgets fließen dorthin. Die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) wird dabei ein großer Hebel sein. Nach den Plänen der EU-Kommission soll ein Viertel aller Flächen biologisch bewirtschaftet werden, der Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Antibiotika soll stark reduziert werden.

Kritische Faktoren sind die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Lebensmittelproduktion und die Überlebensfähigkeit der österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe, die ohnehin nicht mehr überall gegeben ist, Stichwort Höfesterben. Kritisch sind jedoch auch die durch die Veränderungen in Umwelt und Klima hervorgerufenen Probleme wie das Artensterben oder Wetterextreme.

Kann der "Green Deal" das Klima retten? Oder ist er am Ende nur ein schlechtes Geschäft für Österreichs Bäuerinnen und Bauern?

Darüber diskutierten gestern in der Internet-TV-Sendung "Politik am Ring" unter der Moderation von Gerald Groß VertreterInnen der fünf Parlamentsfraktionen, Marianne Penker, Professorin am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur (BOKU), sowie Franziskus Forster, Sprecher der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen-Vereinigung Via Campesina.

Einigkeit hinsichtlich der Stärken der österreichischen Landwirtschaft#

Die LandwirtschaftssprecherInnen aller Parlamentsfraktionen attestierten der österreichischen Landwirtschaft große Vielseitigkeit, die sich in ihren Leistungen fürs Gemeinwohl niederschlägt, von der Versorgung mit gesunden Lebensmitteln über die Almbewirtschaftung und Landschaftspflege bis hin zu aufgrund der Klimakrise stärker in den Vordergrund rückenden Aspekten wie der CO2-Speicherung im Boden. Auch die Tatsache, dass Österreichs Landwirtschaft kleinstrukturiert und von Familienbetrieben geprägt ist, sahen die Abgeordneten einhellig als Stärke.

Die drängendsten Probleme hätten jedoch oft genau in diesen Vorzügen ihre Wurzeln, so der allgemeine Tenor der LandwirtschaftssprecherInnen: Etliche dieser vielfältigen Leistungen der Bäuerinnen und Bauern würden finanziell nicht abgegolten, es herrsche ein Preisdruck am globalisierten Markt, der von der Agrarindustrie geprägt ist, die Landwirtschaft habe eine ungünstige Position in der Wertschöpfungskette, das Einkommen sei in diesem Sektor meist gering. Kleine Betriebe stehen vielfach finanziell mit dem Rücken zur Wand und müssen zusperren. Schuld daran seien, auch darüber herrschte weitgehend Einigkeit, nicht die bäuerlichen Betriebe selbst, sondern die politischen Rahmenbedingungen.

Lebensmittel sind mehr als eine bloße Ware#

Auch Expertin Marianne Penker vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der BOKU kam zu dem Ergebnis, dass die Agrarpolitik - neben vielen Erfolgen - in zwei zentralen Bereichen bisher versagt habe: Erstens sei es nicht gelungen, Klima und Natur zu schützen und gleichzeitig für eine gesunde Ernährung in Europa zu sorgen, und zweitens sei der Nutzen über die Wertschöpfungskette hinweg nicht fair verteilt.

Lebensmittel dürften aber nicht ausschließlich und prioritär als Ware gesehen werden, denn sie seien viel mehr, nämlich "unser kulinarisches Erbe, unser engster Bezug zur Natur". Weder die Politik noch die Bäuerinnen und Bauern seien für diese Entwicklung alleine verantwortlich zu machen, sondern es sei eine gesamtgesellschaftliche Neuorientierung nötig. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei es das prioritäre Ziel gewesen, den Hunger zu bekämpfen und für alle leistbare Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Dies sei durch die großen Leistungen der vorangegangenen Generationen gelungen, man habe aber in weiterer Folge übers Ziel hinausgeschossen und nicht schnell genug auf die veränderten Bedingungen reagiert.

GAP-Reform: Politik ist hinsichtlich Rahmenbedingungen gefordert#

Im Hinblick auf die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) sei, so Penker, eine stärkere Ergebnisorientierung samt entsprechenden Indikatoren zu erwarten. Ein großes Ziel im Rahmen dieser Reform sei eine Neuverteilung der Fördermittel in Richtung Kleinbetriebe. Für Österreich sind das wichtige Stellschrauben, etwa verschiedene Optionen degressiver Zahlungen, also einer höheren Förderung kleinerer Flächen. Ein weiteres Ziel der GAP-Reform sei es, die Position der bäuerlichen Betriebe entlang der Wertschöpfungskette zu stärken. Österreich könne diesbezüglich handeln, indem es faire Markt- und Handelsbedingungen schaffe und unfaire Handelspraktiken verbiete.

Eine Stärkung der Position der landwirtschaftlichen Betriebe und somit der Produzenten- und Vermarktungsgemeinschaften, eine Herkunftskennzeichnung auch für Verarbeitungsprodukte in Industrie und Gastronomie, eine Entlastung der land- und forstwirtschaftlichen Arbeit - Stichwort Steuerreform, aber auch Sozialversicherungsabgaben - seien laut Penker weitere wesentliche Punkte.

SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr verwies diesbezüglich auf die "Showpolitik" der Landwirtschaftsministerin, notwendige Maßnahmen würden nicht gesetzt. Weiters führe die verfehlte Förderpolitik zu einer ungerechten Einkommensverteilung in der Landwirtschaft, das unterste Viertel erhalte kaum Förderungen, das oberste hingegen Beträge in Millionenhöhe. Da gelte esanzusetzen, um das Höfesterben zu stoppen. Gegen den "Green Deal" vorzugehen, der ja für eine ökologische Landwirtschaft stehe, hieße vor allem im Hinblick auf die mit dem Klimawandel einhergehenden Probleme, den Ast abzusägen, auf dem die Landwirte und Landwirtinnen sitzen.

Es gebe auch viel Gutes aus der Landwirtschaft zu berichten, entgegnete Abgeordneter Georg Strasser (ÖVP). So sei die Klimabilanz in den letzten Jahren um 14% gesunken, der Bioanteil betrage 25%. Was den "Green Deal" betreffe, stelle sich die Frage, welche Berufsgruppe ein politisches Konstrukt akzeptieren würde, das ein Einkommensminus in der Höhe von 10 bis 30%mit sich bringe. Was jedoch kommen müsse, um die Klimaziele zu erreichen, sei etwa der Handel mit Emissionszertifikaten. Auch hinsichtlich der Herkunftskennzeichnung sei man auf einem guten Weg, so der ÖVP-Bereichssprecher für Landwirtschaft und ländlichen Raum. Wesentlich sei der Schutz der europäischen Außengrenze durch CO2-Zölle, um eben zu verhindern, dass billiges Fleisch und Gemüse aus anderen Ländern oder sogar von anderen Kontinenten importiert werde.

Die Frage, ob der Weg der richtige sei, mit Lebensmitteln Sozialpolitik zu machen, stellte Grünen-Abgeordneter Clemens Stammler in den Raum. Er sprach sich für ein Modell aus, in dem der echte Preis für Lebensmittel bezahlt werde und nur jene Menschen unterstützt würden, die sich diese Lebensmittel nicht leisten könnten. Im Zusammenhang mit der Herkunftskennzeichnung betonte auch Stammler die Wichtigkeit eines Gesamtpakets mit der Gastronomie - nur ein solches würde vor nationalen und europäischen Gerichten halten. Die von Abgeordnetem Strasser genannten Einkommenseinbußen durch den Green Deal in Höhe von 10 bis 30%könne er, so der grüne Bereichssprecher für den Ländlichen Raum, nicht nachvollziehen. Seine Vorreiterrolle im Bereich Bio solle Österreich noch weiter ausbauen.

Erhalt der kleinen bäuerlichen Betriebe als Win-win-Situation#

Franziskus Forster, Sprecher der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen-Vereinigung Via Campesina, machte auf die Chancen aufmerksam, die sich in Bezug auf die Eindämmung der Klimakrise und des Artensterbens böten, wenn man das Höfesterben in den Griff bekomme. Bezüglich der GAP-Reform forderte auch Forster eine doppelte Förderung der ersten 20 Hektar, weiters sinnvolle und zielführende Biomaßnahmen, in Sachen Klimakrise Maßnahmen, die tatsächlich Transformationspfade für die Bauern und Bäuerinnen ermöglichten, sowie ein Vorantreiben einer agrarökologischen Ausrichtung. Eine solche brächte mit sich, dass mit einem niedrigeren Ressourceneinsatz die Wertschöpfung in die Betriebe zurückkommen könne.

Die Forderung nach fairen Preisen stellte auch Peter Schmiedlechner, FPÖ-Bereichssprecher für Land- und Forstwirtschaft. Man solle sich mit Verarbeitern, Handel, Konsumenten und Bauern zusammensetzen und klar diskutieren, wie man die Kalkulation umdrehen könne. Ausgangspunkt solle sein, was der Bauer brauche, damit er kostendeckend produzieren könne. Mit Förderungen nach dem Gießkannenprinzip werde man weder den Strukturwandel noch das Höfesterben aufhalten können. Hinsichtlich des "Green Deals" müsse man aufpassen, dass man nicht das Gegenteil erreiche und die Ernährungssouveränität gefährde, indem man die Produktion in Österreich einschränke und dem billigen Import Vorschub leiste.

Ein Entfremden von der Landwirtschaft und ein um sich greifendes Unwissen darüber, wie landwirtschaftliche Produktion aussehe, was sie koste, was sie leiste, diagnostizierte Karin Doppelbauer, Land- und Forstwirtschaftssprecherin der NEOS. Diesbezüglich brauche es sehr viel Engagement. Sie wünsche sich weiters, so Doppelbauer, dass das Wort Förderung gar nicht mehr in den Mund genommen werde, denn Landwirtschaft erbringe Leistungen, und jene Leistungen, die der Markt nicht abgelte, die aber dem Gemeinwohl dienten, gehörten von der Gemeinschaft refundiert und abgegolten. Weiters brauche es eine verstärkte Diversifikation der Einkommen, zum Beispiel durch Energieproduktion, Stichwort Agrarfotovoltaik, Windparks, Erzeugergemeinschaften, oder durch CO2-Speicherung, die abgegolten werden sollte.