"Brauchtum"#
In der Alltagssprache bezeichnet der Begriff Brauchtum die bewusste Pflege von Bräuchen und Traditionen. Wissenschaftsgeschichtlich steht er im Kontext der Mythologisierungen, Reliktforschungen und Ursprungstheorien des 19. Jahrhunderts. Die frühe Volkskunde suchte - ideologisch motiviert - nach dem Urzustand der eigenen nationalen Gesellschaft. "Der Historismus des 19. Jahrhunderts, die Hinwendung zur 'altdeutschen' Tradition brachte in Verbindung mit einem politisierten Volkstumsgedanken eine Reihe 'historischer' Feste hervor, die nicht nur 'Frohsinn und Vaterlandsliebe' fördern sollten, sondern gerade in den Städten zahlreiche historisierende Elemente einbezogen, angefangen von der altdeutschen Tracht der Festzugsteilnehmer bis zu historischen Spielen," schreibt der Volkskundler Leander Petzoldt.
Der deutsche Kulturwissenschaftler Utz Jeggle (1941-2009) sprach von Brauchtum, wo es nach "Volkskultur aus zweiter Hand" aussieht: "Brauchtum ist der sentimentalische Zustand des Brauchs." Der Begriff signalisiere die Ausgrenzung bestimmter tradierter Handlungsweisen aus dem Fluss des Alltags und ihre Zuweisung zu einem spektakulären Bereich, dem ein traditionelles Gehabe eigentümlich sei - wie Landbräuche, die man auf Heimatabenden vor Publikum aufführt.
Statt von "Brauchtum" oder "Volksbrauchtum" empfiehlt es sich daher, von "Bräuchen" zu sprechen. Als ähnliche Begriffe bieten sich Fest, Ritual oder Event an.
Bild:
Blochziehen wird wieder als "Brauchtum" gepflegt, z.B. seit 40 Jahren in Pichling (Steiermark) Illustration aus: Kronprinzenwerk, 1891
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