Evangelimann #
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden sich Straßensänger, Werkelmänner und Evangelimänner in den Höfen der Wiener Häuser ein. Die Bewohner entlohnten sie mit Münzen, die sie in Papier gewickelt aus dem Fenster warfen. Mit schwarzem Gehrock und Zylinder gekleidete, ältere Männer lasen am Wochenende mit monotoner Stimme das jeweilige Evangelium vor oder sprachen es auswendig. Manche hielten Lehrbuben. Ihre Konkurrenz waren Bettelstudenten, die das Privileg hatten, gegen Spenden geistliche Lieder und Texte vorzutragen.
Der Komponist Wilhelm Kienzl (1857-1941) schrieb 1894 eine Oper mit dem Titel "Der Evangelimann". Das damals sehr erfolgreiche Werk beruht auf Polizeiakten. Ein Priester von Paudorf (Niederösterreich) wurde zu Unrecht verdächtigt, einen Brand gelegt zu haben.
Quelle:
Otto Krammer: Wiener Volkstypen. Wien 1983. S. 13