Kienzls Oper aus Graz war einst weltberühmt #
Wilhelm Kienzl der Ältere war zwölf Jahre lang Grazer Bürgermeister, sein Sohn Wilhelm jun. Komponist der einst weltberühmten Oper „Der Evangelimann“, die 1893/94 in Graz entstanden ist. #
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Kennen Sie die Evangelimanngasse, die im Bezirk Jakomini die Conrad-von-Hötzendorfstraße mit der Münzgrabenstraße verbindet? Oder kennen Sie gar den „Evangelimann“ selbst?
Das ist kein frommes Vorstadtgasthaus – „Der Evangelimann“ ist vielmehr die erfolgreichste Oper des Komponisten Wilhelm Kienzl. 1893/94 schrieb er sie in der elterlichen Wohnung im „Paradeishof“ in Graz, 1895 wurde sie in Berlin uraufgeführt. Schon ein halbes Jahr später kam auch Graz in den Genuss einer Aufführung dieses musikalischen Schauspiels Opus 54, das laut Fachkritik an Richard Wagner und den italienischen Verismus mit seinem gesteigerten Realismus und dem leidenschaftlichen Handeln der Personen anknüpft. Im Theater am Stadtpark, dem Thalia-Theater, fanden die umjubelten Aufführungen statt. Das Opernhaus musste ja erst gebaut werden.
Wilhelm Kienzls Vater hieß ebenfalls Wilhelm Kienzl und wurde 1827 in Graz als Sohn eines Riemermeisters geboren. Riemer ist ein alter, heute ausgestorbener Beruf des Leder verarbeitenden Gewerbes.
Kienzl wird Bürgermeister #
Wilhelm Kienzl der Ältere besuchte in Graz die Schule, danach studierte er in Wien Rechts- und Staatswissenschaften und wurde Hof- und Gerichtsadvokat in Waizenkirchen (Oberösterreich). Dort wurde am 17. Jänner 1857 sein Sohn Wilhelm geboren. Schon 1861 übersiedelte aber die Familie Kienzl wieder nach Graz und bezog eine Wohnung im „Paradeishof“ nahe der Mur – dort,wo einst die evangelische Stiftsschule und später ein Clarissinnenkloster untergebracht waren. In Graz baute Wilhelm Kienzlsen eine angesehene Anwaltskanzlei auf, wurde Gemeinderat und war von 1873 bis 1885 sogar Grazer Bürgermeister. In seine Amtszeit fallen die Errichtung des Städtischen Schlachthofes, der Pferdebahn, des Mädchenlyzeums, die Beschlussfassung, auf den alten Neutorgründen den Justizpalast und das Hauptpostgebäude zu bauen ebenso wie die Reformierung der städtischen Markt- und Bauordnung und die Gründung der städtischen Dienstbotenkrankenkasse. Aber auch der Skandal um die Don-Alfonso-Affäre, die Kienzl den Unmut Kaiser Franz Josephs einbrachte. Darüber habe ich aber schon am 23. Jänner 2011 berichtet. Vater Kienzl war überzeugter Liberaler, der sogar die Erhebung in den Adelsstand ablehnte. Nach ihm ist dieWilhelm-Kienzl-Gasse im Bezirk Geidorf benannt.
Kienzls Wohnung war ein Zentrum des gesellschaftlichen Grazer Lebens. Hier verkehrten zahlreiche Künstler, es wurde viel diskutiert und musiziert. Das wird die Kinder der Familie sehr beeinflusst haben, denn der 1865 geborene Sohn Hermann wurde Redakteur, Kunstkritiker und Schriftsteller in Graz und Berlin. Sein Bruder Wilhelm wandte sich der Musik zu, lernte bereits mit sieben Jahren Klavier, später Geige und begann schon früh zu komponieren – immer gefördert von seiner literarisch begabten und sozial sehr engagierten Mutter Anna, einer geborenen Kafka aus einer böhmischen Advokatenfamilie. Kein Wunder, dass Wilhelm junior früh schon eine künstlerische Laufbahn ergreifen wollte. Auf Wunsch seiner Eltern aber sollte er vorerst etwas „Normales“ lernen. Also studierte er Physik und Musikgeschichte in Graz, Prag und Wien, widmete sich aber daneben stets seiner musikalischen Ausbildung. Auf zahlreichen Studienreisen traf er bedeutende Künstler, sammelte in Bayreuth als Assistent Richard Wagners Erfahrungen und lernte dort auch seine spätere Frau kennen, die Sängerin Pauline Hoke. Wilhelm Kienzl war Opernkapellmeister in Amsterdam, in München und 1866 in Graz, von 1887 bis 1917 war er hier Dirigent und Leiter des Steiermärkischen Musikvereins. Zu seinen engsten Freunden zählten Peter Rosegger und Robert Hamerling, die Sommer verbrachte die Familie Kienzl stets in Bad Aussee.
3500 Aufführungen weltweit #
In Graz und Aussee entstanden auch seine erfolgreichen volkstümlichen Opern „Der Evangelimann“ und „Der Kuhreigen“ (1911). Aber mit keinem anderen Werk konnte Wilhelm Kienzl an den Erfolg der populären Oper „Der Evangelimann“ anschließen, die weltweit über 3500 Aufführungen erlebte. Die tragische Geschichte der Liebes- und Brandtragödie entnahm der Komponist den Wiener Sittenbildern „Aus den Papieren eines Polizeicommissärs“ des Wiener Polizeijuristen und Schriftstellers Leopold Florian Meißner, der darin eine Begebenheit publiziert hatte, die sich um 1812 im Hellerhof bei Paudorf zugetragen hatte. In diesem Hellerhof hat die Marktgemeinde Paudorf seit 2002 übrigens ein „Wilhelm Kienzl Museum“ eingerichtet.
1917 übersiedelte der Komponist nach Wien. Von ihm stammt auch die Melodie zur Staatshymne der Ersten Republik, zu der Karl Renner den Text „Deutschösterreich, du herrliches Land“ verfasste, aber die Melodie war nicht sehr populär, der Text nicht volksnah. Da Österreich nach den Bestimmungen des Vertrages von Saint-Germain den Namen „Deutschösterreich“ nicht führen durfte, wurde die Hymne 1929 durch die auch nicht unproblematische Hymne „Sei gesegnet ohne Ende“ des deutschnationalen Dichters Ottokar Kernstock ersetzt...
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