Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Fastentuch#

Klosterneuburger Jubiläums-Fastentuch 2014 von E. F. Wondrusch (c) Stift Klosterneuburg

Fastentuch 2014 'Passion - Leidenschaft' von Andrea Bischof für die Johannes-Nepomuk-Kapelle, Wien 9. Foto: Doris Wolf

Seit dem 11. Jahrhundert war es üblich, von Aschermittwoch bis zur Karwoche den Altar mit einem großen, schwarzen oder violetten Tuch (Velum) zu verhüllen. Der Gekreuzigte war auf den Kreuzesdarstellungen der Romanik nicht der leidende, geschundene Christus, sondern der Triumphierende, über den Tod Siegende. Da in der Fastenzeit die Passion, das Leiden Jesu, im Vordergrund stehen sollte, hat man diese Darstellungen mit Tüchern verhüllt. Später sollte die Verhüllung der prächtigen Altäre das Auge zum Fasten bringen. Büßer wurden in der alten Kirche von der Feier der Eucharistie für eine gewisse Zeit ausgeschlossen. In der Fastenzeit verstanden sich alle Christen vor Gott als Büßer. Der verdeckte Altar sollte den Ausschluss von der Eucharistie nachahmen. Die synoptischen Evangelien berichten, dass der Vorhang im Tempel im Augenblick des Todes Jesu entzwei riss (Mt 27,51; Mk 15,38; Lk 23,45). Das vor dem Altar hängende Tuch symbolisierte den Vorhang im Jerusalemer Tempel. Es wurde am Mittwoch in der Karwoche, am Karfreitag oder vor der Ostervigil abgenommen, um die Befreiung aus Sünde und Tod durch den Kreuzestod Jesu anzudeuten. Im späteren Mittelalter und zur Zeit der Gegenreformation erhielten die Hungertücher Darstellungen der Leidensgeschichte. Berühmt ist das 89 m² große Gurker Fastentuch aus dem Jahr 1458, das größte und älteste Kärntens. Meister Konrad von Friesach malte 99 biblische und historische Darstellungen. Nach zweijähriger Restaurierung ist das Kunstwerk von Aschermittwoch bis Karsamstag 2021 wieder im Gurker Dom zu sehen.

Eine Revitalisierung ging 1976 vom bischöflichen Hilfswerk Misereor, Aachen, aus, das Künstler aus Asien, Afrika und Lateinamerika mit Entwürfen beauftragte. Seither erinnerten sich viele Pfarren ihrer Hungertücher oder gestalteten neue. Die von Otto Wagner erbaute Johannes-Nepomuk-Kapelle am Währinger Gürtel (Wien 9) beauftragt seit mehreren Jahren Kunstschaffende mit der Gestaltung. 2014 schuf Andrea Bischof das Fastentuch zum Thema "Passion - Leidenschaft". In seinem Jubiläumsjahr - 2014: 900 Jahre - veranstaltete das Stift Klosterneuburg einen Wettbewerb für ein modernes Fastentuch für den barocken Hochaltar der Stiftskirche. Dabei ging das - 8,50 x 4,20 m große - Werk des in Klosterneuburg lebenden Künstlers Ernst Ferdinand Wondrusch als Sieger hervor. Die abstrakte Gestaltung bezieht das Kreuzsymbol mit ein und enthält Elemente, die die Dreifaltigkeit symbolisieren. Das Velum auf Leinwand entstand in dreimonatiger Arbeit im Stift.

Das größte Fastentuch der Welt mit 40 biblischen Szenen - 100 m lang und 1,50 m hoch - befindet sich im Dominikanerinnen-Kloster Kirchberg am Wechsel (Niederösterreich). Sepp Jahn (1907-2003) und Edith Hirsch haben es Ende der 1990er Jahre unter dem Motto "Nie wieder Krieg" angefertigt. In vierjähriger Arbeit entstanden, wird es in zweijährigem Rhythmus zur Fastenzeit im Kreuzgang ausgestellt. Es soll, so der Künstler, "an der Schwelle zum 3. Jahrtausend der heillosen zerstrittenen Welt das Heilsgeschehen in Erinnerung rufen“.

Bild 'Dom 20-1'
Bild 'Dom 20-4'
Bild 'Dom 20-5'
Bild 'Dom 20-6'
Bild 'Dom 20-7'
Bild 'Dom 20-3'


Seit 2013 bildet das Fastentuch im ´Stephansdom eine „wandelbare Projektionsfläche für die zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzung mit der österlichen Bußzeit“. 2020 und 2021 hatte die Dompfarre Erwin Wurm (Träger des Großen Österreichischen Staatspreises 2015), engagiert. Er verkleidete den barocken Hochaltar mit einem 80 Quadratmeter großen gestrickten violetten Pullover. Dazu kamen Wurms bekannte Skulptur „Big Mutter“ - eine überdimensionierte Wärmeflasche auf menschlichen Füßen vor dem Dom - sowie Skulpturengruppen im Kircheninneren.

2024 wird Kunstprojekt von Gottfried Helnwein zu sehen sein. In jeweils drei großformatigen Triptychon-Darstellungen wird der Künstler das christliche Zentralgeheimnis von Jesu Tod, Auferstehung und Geistaussendung darstellen. Das dreiteilige Kunstwerk sollte ab Aschermittwoch bis zur Langen Nacht der Kirchen am 7. Juni zu sehen sein. Die geplante Präsentation in drei Schritten wird nicht wie geplant realisiert. Nur während der Fastenzeit war das in liturgisch violetten Bildtönen gestaltete Tuch vor dem Hochaltar mit dem nach unten gerichteten Antlitz Jesu des Turiner Grabtuches zu sehen. Auf den beiden seitlichen Kredenzaltären waren Motive des „Memento mori“ platziert, die auf die Vergänglichkeit des Menschen hinweisen. Am Karsamstag sollte das zweite Triptychon das zentrale christliche Glaubensgeheimnis der Auferstehung Christi vor dem Hochaltar im jugendlichen, aber schon von der Kreuzigung und den Wundmalen gezeichneten Christus erkennen lassen. Kurz vor Pfingsten sollte bis zur Langen Nacht der Kirchen in einem dritten Triptychon die Geistaussendung durch rötliche Flammen des Heiligen Geistes gezeigt und damit die Hoffnung auf das Heil für alle symbolisiert werden. Wie das Domkapitel am Donnerstag vor der Karwoche bekannt gab, wurde das Kunstprojekt abgebrochen. Das 14 m hohe Ostertuch (Kind mit Wundmalen) würde Menschen verstören und polarisieren.

Auch das Fastentuch in der Michaelerkirche sorgte 2024 für Diskussionen. Das zwölf mal sechs Meter große Werk von Jakob Kirchmayr ist 140 m² groß. Der Stoff wurde in kleinen Teilen verbrannt, vergraben, dem Regen ausgesetzt und - mit Hilfe von flüchtlingen - wieder zusamengefügt. Das Fastentuch soll, so der Künstler, "den Zustand der Welt beschreiben" und als Hilferuf verstanden werden.


Quellen:
Pressestelle Stift Klosterneuburg, 2014
Information St. Stephan
Fastentuch Kirchberg
"Heute", 23.2.2023
2024, publiziert 9.2.2024
"Oe24", 22.3.2024 "Heute", 21.2.2024

Bilder:
Klosterneuburger Jubiläums-Fastentuch 2014 von E. F. Wondrusch (c) Stift Klosterneuburg
Fastentuch 2014 "Passion - Leidenschaft" von Andrea Bischof für die Johannes-Nepomuk-Kapelle, Wien 9. Foto: Doris Wolf
Fastentuch und Skulpturen im Stephansdom. Fotos mit frdl. Genehmigung des Dompfarrers Toni Faber von Helga Maria Wolf, 20.2.2020


Bild 'sim-link'
Austria-Forum Beiträge in ähnlichen Gebieten