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Helga Maria Wolf

Handwerk#

„Handwerk hat goldenen Boden“, sagten die einen, andere waren „auf den Hund gekommen“. Die Redensarten erinnern an eine ferne Zeit, in der die Zünfte ihre Schätze in Truhen aufbewahrten. Auf deren Boden war ein Hund aufgemalt, wurde das Bild sichtbar, bedeutete dies das Gegenteil des goldbedeckten Bodens.

Der Sozialhistoriker Gustav Otruba („Gewerbe und Zünfte in Niederösterreich“, St. Pölten 1989) setzt den Beginn des Zunftwesens in Niederösterreich im 13. Jahrhundert an. Er nennt u. a. Handwerksordnungen der Lederer in St. Pölten, anno 1260, Bäcker- und Fleischerordnungen in Melk aus den Jahren 1281 und 1297.

Klemens M. Hofbauer-Denkmal. Foto: Helga Maria Wolf
Klemens M. Hofbauer-Denkmal. Foto: Helga Maria Wolf

Die Bezeichnung „Zunft“ für den Zusammenschluss von Gewerbetreibenden verwandter Berufe auf genossenschaftlicher Basis taucht hier erst im 18. Jahrhundert auf. Vorher sprach man von Zechen und Bruderschaften, was auf religiöse Vereinigungen hinweist. Diese Gemeinschaften hatten dem Beruf entsprechende Schutzpatrone. Die Bäcker verehrten den hl. Antonius, später Clemens Maria Hofbauer (der den Beruf erlernt hatte). Metallhandwerker und Bergleute wählten die hl. Barbara als Zunftheilige, Rauchfangkehrer und Bierbrauer den hl. Florian, holzverarbeitende Gewerbe verehrten den hl. Josef. In der Barockzeit gründete ein Lilienfelder Abt eine St.-Josefs-Bruderschaft für Zimmerleute, das Stift erfreute sich daraufhin regen Zuspruchs als Wallfahrtsziel.

Meist fungierten Adelige als Zunftstifter. Die Grafen Hardegg privilegierten 1591 die Fleischhauer von Gmünd, die Grafen Auersperg 1706 die Schneider von Purgstall. Als Voraussetzung galt die Tätigkeit mehrerer Meister eines Faches an einem Ort, vor allem in den Städten. Am ehesten traf dies auf die Hersteller von Nahrungsmitteln, die Bekleidungsgewerbe und die Schmiede zu. Bis zur Auflösung der Zünfte im Jahr 1859 bestanden in 49 Orten Niederösterreichs Müllerzünfte, in 42 Bäckerzünfte und in 34 Fleischhauerzünfte.

Das „geheiligte Symbol der Organisation“ stellt die Zunfttruhe (Bruderlade) dar. Sie war kunstvoll verziert und mit mehreren Schlössern versehen, deren Schlüssel verschiedene Meister verwahrten. Die zu bestimmten Terminen fixierten Versammlungen durften nur „vor geöffneter Lade“ stattfinden. Auf der Tagesordnung standen u. a. das Aufdingen und Freisprechen von Lehrlingen, Streitfälle und das Kassieren der Umlagegelder. Gasthäuser und Herbergen, in denen die Treffen stattfanden, waren durch ein Schild mit Symbolen oder dem Bild des Patrons der Vereinigung kenntlich. Auch ihr Stammtisch trug das Emblem. Für die Mitglieder war der Besuch kirchlicher Veranstaltungen, vor allem der Fronleichnamsprozession, verpflichtend. Je näher ein Handwerk beim „Himmel“ – dem Baldachin, unter dem die Monstranz mit dem Altarsakrament getragen wurde – gehen durfte, umso höher war sein Ansehen. Deshalb kam es immer wieder zu Streitigkeiten. Wer nicht teilnahm, musste Strafe zahlen. Für Benehmen und Kleidung während des Jahres gab es strenge Regeln, deren Verstöße geahndet wurden. Die Strafgelder dienten zur Unterstützung verarmter oder erkrankter Mitglieder, aber auch zur Finanzierung von Zechgelagen. Taxen bildeten die wichtigste Einnahmequelle. Die meisten Ausgaben verursachten Messstipendien, Begräbniskosten und Erhaltung der Herbergen.

Schon bevor ein Lehrling seine Berufslaufbahn begann, musste er Bedingungen erfüllen, wie eheliche Geburt, ehrliche Abkunft und katholische Religion. Aufgedungen wurden nur „Jungen“ zwischen 12 und 18 Jahren. Sie lebten wie Familienmitglieder im Haus des Meisters. Oft mussten sie Lehrgeld zahlen, während der Lohn im Ermessen des Lehrherrn stand. Nach mehrwöchiger Probezeit erfolgte das „Einkaufen in die Zeche“, wofür die Eltern und der Meister zur Kasse gebeten wurden. Dieser sollte dem Lehrling fachliche Kenntnisse beibringen, ihn verköstigen, bekleiden und erziehen (wozu auch die Prügelstrafe zählte). Verpönt war es, berufsfremde Reinigungs- und Haushaltsarbeiten zu fordern. Trotzdem gaben schlechte Kost und Behandlung oft genug Anlass zum „Entlaufen“ während der Lehrzeit. Sie endete – nach einem bis sechs, meistens drei Jahren - mit der feierlichen Freisprechung bei geöffneter Lade und der Überreichung des Gesellenbriefs.

Der Übergang zum Stand der Gesellen erfolgte mit einem Mahl und meist ziemlich groben Initiationsritualen. Die Betroffenen wurden im wahrsten Sinn des Wortes "über den Tisch gezogen" und traktiert. Die Tischler nannten das Hobeln, die Binder Schleifen, die Weißgerber Taufen. Bei den Buchdruckern musste der "Cornute" einen Hut mit Hörnern tragen. Diesen wurde er erst los, nachdem er nach überstandenem "Depositionsspiel" geschworen hatte, niemandem die schlechte Behandlung zu vergelten. Danach wurde er mit Rosmarin bekränzt und vom Lehrherrn feierlich freigesprochen. 1771 ließ Kaiserin Maria Theresia die "albernen Gebräuche" abschaffen. Doch die Buchdrucker erfanden einen neuen, das Gautschen. Der Begriff bezeichnete das Entwässern bei der Papiererzeugung, in diesem Fall die "Taufe" des Ausgelernten. Der Spruch dazu lautete: "Packt an, Gesellen, lasst seynen Corpus Posteriorum fallen / auf diessen nassen Schwamm, bis trieffen beyde Ballen / der durst'gen Seele gebt ein Sturtzbad obendrauff / das ist dem Jünger Gutenbergs seyn'n beste Tauff' ". Die Gesellenzeit war nur eine Zwischenphase zur Meisterschaft, obwohl sie lange dauern konnte. Die „Junggesellen“ verbrachten zwei bis zehn Wanderjahre („auf der Walz“) und ein bis zwei Mutjahre, während der sie das Meisterstück anfertigten. Dabei standen sie unter der strengen Aufsicht des Meisters, der Material und Werkstatt zur Verfügung stellte, und den Vertretern der Zunft.

Bevor sich ein Bewerber in diese „einkaufen“ konnte, musste er in den Städten das Bürgerrecht erwerben. Dieses wiederum setzte Hausbesitz, Wehrpflicht und die Zahlung kommunaler Steuern voraus. Weiters wurde vom jungen Meister erwartet, dass er sich in Jahresfrist verehelichte. Bevorzuge Kandidatinnen waren katholische Töchter oder Witwen von Meistern seiner Zunft. War der Hausstand gegründet und alle anderen Bedingungen erfüllt, konnte sich der Handwerker endlich selbstständig machen, und seine eigenen Lehrlinge und Gesellen aufnehmen.

Erschienen in Schaufenster Kultur.Region, 2013


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