Handwerker#
Zusammenschlüsse von Berufsgenossen (Innungen, Zünfte, Gilden, Bruderschaften) hatten im 12. - 16. Jahrhundert ihre Blütezeit. Diese unterlagen der Aufsicht des Landesherrn oder der Stadt, ermöglichten jedoch Selbstbestimmung bei Gericht, Gewerbeaufsicht und Verwaltung. Die Zunft gliederte sich in Meister, Gesellen und Lehrlinge. Die Zugehörigkeit war verpflichtend (Zunftzwang), die Mitglieder unterlagen strengen Regeln. Eine Voraussetzung für die Aufnahme war die ehrliche (eheliche) Geburt. Nach Abschluss der Lehrzeit gingen die Gesellen "auf die Walz". Diese Wanderung hatte den Sinn, in anderen Orten Berufserfahrung zu sammeln und Platz für neue Lehrlinge zu machen. Beim Abschied vertraute ihnen der Meister unter dem Siegel der Verschwiegenheit den "Handwerkergruß" an. Dieser Spruch öffnete in der Fremde die Tore zur Herberge und zur neuen Arbeitsstätte. Um nach der Rückkehr den Meisterstatus zu erlangen, war es - im Handwerk wie im Handel hilfreich, die Witwe eines Meisters zu ehelichen, die einen Betrieb geführt hatte. In Wien machten seit dem 16. Jahrhundert hofbefreite Handwerker, die vom Kaiserhaus eigene Privilegien erhielten, den bürgerlichen Konkurrenz. Durch neue wirtschaftliche Strukturen wie Hausindustrie und Verlagssysteme nahm die Bedeutung der Zünfte ab. Ihre Privilegien wurden von Joseph II. nicht mehr bestätigt und durch die Gewerbeordnung 1859 offiziell aufgehoben.
Hofbefreite Handwerker und Hofhandwerker unterstanden nicht dem Zunftzwang. Ihre Aufgabe war es, den Kaiser und seinen Hof auf Reisen zu begleiten, um die notwenigen Dienstleistungen zu erbringen. Außer den Handwerkern - wie Schneider und Schuster - gab es auch Hofhandelsleute (Hofhändler). Sie hatten den Hofstaat mit Rohprodukten zu versorgen und (ausländische) Luxusgüter bereit zu stellen. Dafür wurden sie regelmäßig besoldet. Hofbefreite wurden nur bei Bedarf herangezogen und nach ihrer Leistung bezahlt. Privilegien für die Hoffreiheit wurden mit einem ad personam ausgestellten Frei- und Schutzbrief bestätigt. Sie waren auch an die Person des Kaisers gebunden. Der Hofbefreite war berechtigt, in der Residenzstadt Wien und überall, wo sich der Hofstaat gerade befand, einen "offenen Laden" zu unterhalten. Die städtischen Handwerksmeister mussten die ungeliebte Konkurrenz unbehelligt lassen. Hofbefreite hatten keine Bürgerrechte und -pflichten (z.B Steuern). Sie durften Lehrlinge und Gesellen beschäftigen. Auf ihren Dienstreisen mit dem Hof brauchten sie weder Maut noch Zoll zahlen. 1683 gab es etwa 230 hofbefreite Handelsleute, Künstler und Handwerker. Die größte Gruppe waren die Händler mit Spezereien, Weißwaren und Kurzwaren. An zweiter Stelle folgten die Schneider. 1768 verfügte Maria Theresia das Ende des Hof- und hofbefreiten Handwerks. In 19. Jahrhundert kam der mit hohem Prestigegewinn verbundene Hof- und Kammertitel auf. Damit war jedoch keine Verbindung zum Hofstaat mehr gegeben. Der Antrag auf den Titel war kostenpflichtig. Geprüft wurden die Person des Antragstellers und sein Betrieb. (Dauer des Bestands, Umsatz, Solidität und Etablierung.) Der Inhaber musste seine fachliche Geschicklichkeit, Unbescholtenheit und Wohlstand nachweisen. Der Titel lautete "Kaiserlicher und königlicher Hoflieferant". Die so Ausgezeichneten durften den kaiserlichen Adler und das Wappen verwenden. Sie hatten aber keinen Rechtsanspruch auf Aufträge des Hofes.
Zahlreiche Berufsbräuche begleiteten das Arbeitsjahr. Dazu kam die pflichtgemäße Teilnahme an städtischen Festen, wie der Prozession zuFronleichnam. Wichtig waren auch Schwellenbräuche (Rites de passage) am Übergang vom Lehrling zum Gesellen, wie das Gautschen der Buchdrucker, die unter den Handwerkern eine geachtete Sonderstellung einnahmen. Zur Repräsentation der Vereinigung dienten Zunftgeräte wie Zinnkrüge, Fahnen, Truhen, Werkzeug, Aushängeschilder oder Wappen.
Die meisten Gegenstände, die als "Volkskunst" bezeichnet werden, sind Handwerkskunst. Tischler, Möbelmaler, Glasbläser, Hafner, Schmiede, Tischler, Wagner oder Zimmerleute dachten nicht nur an die Funktion ihrer Erzeugnisse, sondern auch an die Auszier. Für das Mobiliar der bäuerlichen Haushalte hat Klaus Beitl 1976 den Ausdruck "Landmöbel" geprägt. "Bauernmöbel" verleite zu falschen Vorstellungen über die Art ihrer Herstellung: "Die Hersteller waren vielmehr Landmeister … Mit dem Aufblühen der Städte und ihrer Zünfte im Spätmittelalter kamen die Vorbilder städtischer Lebensformen über Vermittlung des Handwerks, der Grundherrschaft und der Klöster auch bald aufs Land hinaus und brachten hier eine Entwicklung in Gang, die im Bereich des landstädtischen und dörflichen Haus- und Wohnwesens die Ausbildung einer eigenständigen Kultur bewirkte, die, in ständiger Berührung mit der Stadt, im 17. und 18. Jahrhundert ihre schönste Entfaltung fand und mit dem Ende der vorindustriellen Zeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgeklungen ist." Häufig verwendete Muster auf diesen Möbeln - wie Dreispross oder Zirkelschlag - , wurden von der älteren Volkskunde gern symbolisch gedeutet. Als Handwerkskunst haben sie jedoch, dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend, rein dekorativen Charakter.
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 323 f.
Klaus Beitl: Landmöbel. Salzburg 1976. S. 10 f.
Herbert Haupt: Das Hof- und hofbefreite Handwerk im barocken Wien 1620 bis 1770. Wien 2007. S. 13 ff.
Bild:
Wagenbauer, Wien 9. Foto um 1900. Gemeinfrei
Siehe auch:
Essay Handwerk