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Handel#

Parfumerie Schartel, Wien 9, um 1900. Gemeinfrei

Redensarten wie "Handel und Wandel" oder "Lauf ist Kauf" erinnern daran, dass der wandernde Kaufmann das "Urbild allen Handels" war. Reisende Fernkaufleute im Früh- und Hochmittelalter waren u.a. Juden, Syrer, Venezianer, Angelsachen, Friesen, Skandinavier, Sachsen, Slawen und Franken. Sie handelten vor allem mit hochwertigen Gütern, oft aus dem Orient, waren den größten Teil des Jahres unterwegs und verbrachten meist nur den Winter daheim. Die Unsicherheit der Straßen und die Gefahren auf dem Meer veranlassten die Fernhändler, in Karawanen von Ort zu Ort, von Markt zu Markt und von Messe zu Messe zu reisen. Seit der ausgehenden Karolingerzeit wurden die fremden Händler mehr und mehr durch Einheimische verdrängt. Diese waren häufig von Herrschern oder geistlichen Würdenträgern privilegiert und dadurch von ihnen abhängig. Sie handelten im Auftrag ihrer Herren. Mit dem Aufblühen der Städte im Spätmittelalter erlangten die städtischen Händler, Handwerker und Gewerbetreibenden eine gewisse Freiheit. Im 13. Jahrhundert hatte der Wandel vom Karawanenhandel zum sesshaften Handel eingesetzt. Die Handesherren schlossen sich zu Genossenschaften (Gilden) zusammen, leiteten von den Kontoren aus ihre Geschäfte und errichteten Niederlassungen in den Städten. Die Deutsche Hanse bestand zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert als Vereinigung deutscher Kaufleute. Ihr Ziel war die Sicherheit der Überfahrt und die Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen. Außerdem engagierten sich ihre Mitglieder politisch und kulturell. Als Städtehanse umfasste sie 300 See- und Binnenstädte Nordeuropas. Unabhängig von der „großen“ norddeutschen Hanse nannten sich auch andere Kaufmannsverbände und Bruderschaften, bis nach Österreich, so.

Im 18. Jahrhundert hoffte Österreich nach dem Vorbild von England und den Niederlanden, den Fernhandel durch "orientalische Kompanien" zu fördern. (1719-1736 "orientalische", 1722-1731 "ostendische/ostindische" Kompanie) Beide hatten nur wenige Jahre Bestand. 1725 gründete Ferdinand Graf Mallenthein, ein Kammerherr Maria Theresias, mit kaiserlichem Privileg in Groß-Siegharts (Niederösterreich) eine Textilindustrie für die orientalische Kompanie. Binnen weniger Jahre entstanden in dem 100-Seelen Dorf im Waldviertel 200 Häuser für Arbeiter, die Baumwolle gesponnen und gewebt haben. Obwohl Mallenthein schon bald Konkurs anmelden musste, liegt hier die Wurzel für das sprichwörtliche Bandelkramerlandl und den Wanderhandel.

Im Sinne der merkantilistischen Wirtschaftspolitik sollte sich der Handel fördernd auf das Gewerbe auswirken. Protektionistische Maßnahmen zum Schutz der eigenen Produktion spielten immer wieder eine Rolle. Unter Maria Theresia und Joseph II. wurden Zölle nach außen verstärkt, Binnenzölle und Mauten abgebaut. Im 18. und 19. Jahrhundert war die Bedeutung des Handels mit 3 % der Beschäftigten vergleichsweise gering.

Krämer war im mittelalterlichen Wien die Bezeichnung für einen Einzelhändler mit Waren aller Art an einem fixen Standort. Gemischtwarenhändler verkauften entweder im eigenen Lokal oder in - von der Stadt gemieteten - Krambuden auf öffentlichen Plätzen. Aus dem 15. Jahrhundert sind mehrfach Kompetenz- und Konkurrenzkonflikte mit Laubenherren und Leinwatern sowie Kaufleuten überliefert. Schiedsrichter dafür war der Landesfürst. Wie angesehen die Krämer damals waren, zeigt die Reihenfolge in der Fronleichnamsprozession, bei der ihre Zunft unter 61 Gruppen die vierte Stelle einnahm. In der Barockzeit zählten die Kurzwarenhändler nur noch zur Gruppe der unbürgerlichen Kommerzialgewerbe. 1792 wurde in den Wiener Vorstädten die Gliederung in "Klassenhandlungen" aufgegeben und Gemischtwaren-Handlungen eingerichtet. Die bürgerlichen Gemischtwarenhändler sollten dann überall möglichst die gleichen Waren anbieten. Die Spezialisierung sollte nur in der Stadt, wo es viele Geschäfte gab, erhalten bleiben.

Die Wiener Bezeichnung "Greißler" für "Viktualienhändler mit Gewölbe" könnte sich von "Grieß" oder von "Griuze" (mhd. Getreidekörner, Grütze) ableiten. Sie verkauften Waren aller Art, wie Lebensmittel, Spirituosen, Textilien, Galanteriewaren und Toiletteartikel, Material- und Farbwaren, Eisenwaren, Haus- und Küchengeräte, Sprengmittel, Benzin, Papier- und Schreibwaren, Bücher, Trafikwaren. So war der Greißler die sprichwörtliche Gemischtwarenhandlung, wo "die Leute haben aufschreiben lassen, und der Powidl neben der Schmierseife steht", wie der populäre Heinz Conrads (1913-1986) in einem Wienerlied sang. Die minder bemittelten Kunden erhielten vom Kaufmann Kredit und bezahlten erst nach dem nächsten Ersten, wenn sie ihren Lohn erhalten hatten. Man konnte sich dort nicht nur mit Waren eindecken, sondern auch mit Neuigkeiten. Die kommunikative Tratsch-Funktion ist auch für die Kundschaft der modernen der Greißler wichtig, die sih in jüngster Zeit zunehmend als "Grätzl-Treffpunkt" etablieren.

Bis ins 19. Jahrhundert kennzeichneten Kleinbetriebe den Einzelhandel. Um 1840 gab es in Wien 3.600 Handelsgeschäfte. 1859 brachte die Gewerbefreiheit viele Möglichkeiten, doch wurde sie 1883 teilweise zurückgenommen. Wie kein anderer Wirtschaftszweig war der Handel von selbstständigen Unternehmern geprägt: um 1900 waren 45 % der im Handel Berufstätigen selbstständig, in 40 % der Betriebe arbeitete nur eine Person. 1934 waren immer noch 40 % der Handelspersonen selbstständig, 1964 waren es 19 %, 1995 ca. 10 %.

Die Urbanisierungswelle Ende des 19. Jahrhunderts brachte eine bisher unbekannte Dynamik in die europäische Handelslandschaft. 1862 eröffnete Julius Meinl I. (1824-1914), der Sohn eines Bäckermeisters aus Böhmen, sein erstes Kolonialwarengeschäft in der Wiener Innenstadt. Die Firma spielte ein Jahrhundert lang eine führende Rolle. Zur gleichen Zeit begann der Aufstieg der Konsumvereine. 1953 eröffnete Karl Wlaschek (1917-2015), später der drittreichste Österreicher, eine Diskontparfümerie in Wien 5. Nach sieben Jahren zählte seine Firma WKW (Warenhandel Karl Wlaschek) bereits 45 Filialen. 1961 gründete er "Billa" (billiger Laden), 1969 Merkur, 1980 die BIPA Parfümerien GmbH. 1996 konnte Wlaschek 1611 Filialbetriebe an den deutschen Rewe-Konzern verkaufen. Es war die größte Transaktion der österreichischen Handelsgeschichte. Seit 1980 gewinnt der Supermarkt zwischen 400 und 1000 m² an Bedeutung.


Quellen:
Chaloupek, Günther et al.: Österreichische Handelsgeschichte. Wien, Köln, Weimar 2012
Donauhandel
"Regal", September 2022
"Kurier", 10.5.2023

Bild:
Parfumerie Schartel, Wien 9, um 1900. Gemeinfrei


Siehe auch:

--> Donauhandel
--> Gottscheer Wanderhändler
--> Kroatische Wanderhändler
--> Slowakische Wanderhändler
--> Tiroler Wanderhändler
--> Hausierer


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