Kaufhaus#
Kaufhäuser entstanden, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Industrialisierung und Massenproduktion führten zur Weiterentwicklung der Fachgeschäfte zu großen Einzelhandelsbetrieben. Sie bieten Waren aus einer (oder einigen) Warengruppe/n in vielen Ausführungen, Preislagen und Qualitätsstufen an. Ihre Blütezeit dauerte rund ein Jahrhundert, bis sie durch die Einkaufszentren am Stadtrand Konkurrenz erhielten. Die "Kathedralen des Konsums" signalisieren den Wechsel von der produktions- zur konsumorientierten Wirtschaft. Die neu entstehende Käuferschicht städtischer Konsument/innen fand, in Abteilungen gegliedert, ein modernes Angebot vor. Die monumentale Kaufhaus-Architektur veränderte die Physiognomie der europäischen Hauptstädte. Sie dienten als Kulisse für das Flanieren, den neuen Schaufenster- und Einkaufsbummel. Entscheidend für die Dramaturgie des Verkaufens war nicht nur die Außen- und Innenarchitektur, der Aufbau der Waren, das Glitzern durch Spiegel und Licht (Glasdächer) sondern auch das Service-Angebot mit Kaffeehäusern, der fehlende Kaufzwang, sowie die Auszeichnung der Waren mit festen Preisen. Diese konnten dank Großeinkauf und niedrigerer Spannen günstiger sein als in anderen Geschäften.
Das erste Kaufhaus in Wien wurde vom tschechischen Kaufmann August Herzmansky 1863 - spezialisiert auf Textilien - in der Mariahilfer Straße 26-30 / Stiftgasse 3 gegründet. (Seit 1998 Peek & Cloppenburg.) In der Stiftgasse sieht man noch ein Stück der historistischen Fassade. 1879 erhielt Herzmansky durch seinen ehemaligen Lehrling Alfred Gerngroß erbitterte Konkurrenz. Dieser eröffnete genau daneben sein Stoffgeschäft nach dem Kaufhauskonzept - Fixpreis und großer Umsatz durch mäßigen Aufschlag. Beide Firmen versuchten in der Folge, die dominierende kommerzielle Präsenz auf der Mariahilfer Straße zu erlangen. Herzmansky galt als das größte Textilhaus in Österreich-Ungarn.
Gerngroß entwickelte sich bis zum 1. Weltkrieg zum größten Kaufhaus der Monarchie. 1902 bis 1904 errichteten die prominenten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer für das Kaufhaus Gerngroß eine fünfstöckige Betonständerkonstruktion mit fünf Aufzugsanlagen und einer Rolltreppe.1979 brach bei Umbauarbeiten ein Brand aus, nach dem die historische Bausubstanz abgetragen wurde. 1997 eröffneten neue Eigentümer das "Gerngross CityCenter" nach dem Shop in Shop -Konzept mit 40 Marken. Im Herbst 2010 erfolgte die Neueröffnung nach völligem Umbau.
1910/11 baute der Architekt und christlich-soziale Politiker Jakob Wohlschläger (1869-1934) am Ende der Mariahilfer Straße (Nr. 120) den "Mariahilfer Zentralpalast", später bekannt als Stafa. Das "Erste Wiener Warenmuster- und Kollektivkaufhaus" sollte 100 Kleingewerbetreibenden Platz für Verkauf und Ausstellungszwecke bieten. (Im Gegensatz zum eher spezialisierten Kaufhaus gibt es im Warenhaus "Waren aller Art", auch Lebensmittel). Zu den Attraktionen des neungeschossigen zylindrischen Baus mit glasüberdachtem Innenhof zählten gastronomische Betriebe, ein Tanzlokal und eine Aussichtsterrasse mit Fernrohren. Figurenreliefs von Anton Hanak (1875-1934) zierten die Fassade. Das soziale Experiment scheiterte nach wenigen Jahren. 1925 kam das Gebäude an die Konsumgenossenschaft. , 2003 wurde es - nach mehrmaligen Verkäufen - umgebaut und "La Stafa" genannt . 2012 hatte eine Tochterfirma des Immobilienentwicklers Richard Schöps & Co AG das Gebäude um 30 Millionen Euro gekauft, ab 2014 wurde umgebaut und 2015 als "Stafa Tower" eröffnet. 2016 erwarb die Bayerische Versorgungskammer das markante Rundgebäude. Es umfasst 12.600 m² und hat zehn Etagen, davon acht überirdisch. Je die Hälfte der Fläche wird
als Hotel (186 Zimmern und Rooftop-Bar) und von Einzelhändlern genutzt.
1873 begannen Karl Kastner und Hermann Öhler in Tschechien mit der Gründung einer Textilhandelskette, ein Jahrzehnt später folgte der Grazer Standort, spezialisiert auf billige Gelegenheitskäufe. 1887 startete Kastner & Öhler den damals neuen Versandhandel nach Katalogen. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg errichtete das Architekturbüro Fellner & Helmer einen luxuriösen Neubau in der Grazer City. 2010 wurde er um 40 Millionen Euro revitalisiert und modernisiert. Die neue Dachterrasse mit Café und Skywalk ermöglicht einen faszinierenden Ausblick über die Dächer der Stadt und zum Schlossberg. 2011 erhielt Kastner & Öhler beim "A.R.E. Design Award", einem der begehrtesten Architektur- und Designpreise der Welt, den "Grand Prix" in der Kategorie "Department Store".
Kaufhäuser mit einer Kombination von Erzeugung und Vertrieb der "Kleider von der Stange" waren um 1900 etwas völlig Neues. (Herzmansky, Gerngroß, Esders, Palmers, Schöps). Zuvor ließ man sich die Kleider, die man lange trug, von der Schneiderin anfertigen. Für die Oberschicht gab es Modesalons, wie jenen von Emilie Flöge (1874-1952).
Quellen:
Chaloupek, Günther et al.: Österreichische Handelsgeschichte. Wien, Köln, Weimar 2012
Gudrun M. König: Konsumkultur
Stafa, publiziert 21. Juni 2016
Siehe auch:
Handel