Alfred Wolf#
NEUn Wege im 9.#
4. UM DEN DOM DES ALSERGRUNDES#
Weg: U-Bahn-Station Schottentor-Universität - Universitätsstraße - Franckplatz - Otto Wagner-Platz - Frankgasse - Schwarzspanierstraße - Garnisongasse - Beethovengasse - Schwarzspanierstraße - Währinger Straße - Rooseveltplatz - Ferstelgasse - Frankgasse - Rooseveltplatz - Währinger Straße - U-Bahn-Station Schottentor-Universität
Wir verlassen die U-BAHN-STATION SCHOTTENTOR-UNIVERSITÄT und begeben uns in das anschließende Verkehrsbauwerk, von den Wienern "Jonasreindl" genannt. Franz Jonas war 14 Jahre lang Bürgermeister (1951-1965), danach bis zu seinem Tod 1974 Bundespräsident. Unter seiner Ägide wurde 1961 die damalige Kreuzung der Ringstraße durch den Bau der Anlage entschärft. Ein "Porta Scotorum" genanntes, turmbewehrtes Tor der Stadtmauer befand sich 1276 an Stelle des Verkehrsbauwerks. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Tor und Turm als Wohnhaus umgebaut und 1839 abgebrochen. Das 1656 errichtete und 1840 erneuerte "äußere Schottentor" stand bis 1862 Schottengasse 4 und 5, Reste erhielten sich bis 1900.
Wir stehen vor der Votivkirche, die Heinrich Ferstel als erstes Monumentalgebäude der Ringstraßenzone plante. Doch vorerst gilt unser Interesse dem südlich davor gelegenen Teil des einstigen Glacis. Dieses war vom Ärar noch nicht zur Verbauung freigegeben, als 1856 die Errichtung der Kirche begann. Sie entstand daher am Rand und erhebt sich etwas abseits der Prachtstraße. Als Glacis bezeichnete man die außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer gelegenen, großteils freien Flächen, wo sich nur vereinzelt kleine Siedlungen (Lucken) befunden hatten. Nach deren Zerstörung in der Ersten Türkenbelagerung (1529) wurde 1588 vor der Stadtmauer ein Bauverbotsrayon verfügt. Die Breite dieser Zone, die anfangs bei knapp 100 m lag, wuchs im folgenden Jahrhundert auf mehr als das Vierfache und betrug ab 1683 fast einen halben Kilometer. Wieder knapp ein Jahrhundert später, 1770, ordnete Kaiser Joseph II. die Anlage von Straßen und Fußwegen auf dem Glacis an. Er sorgte für dessen Beleuchtung und Verschönerung mit Grünflächen und 3.000 Alleebäumen. Das Erholungsgebiet unterstellte er dem Magistrat, und die Wiener machten gerne von der "Esplanade" Gebrauch.
Weit reicht der Blick über den Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche. 1985, 100 Jahre nach Freuds Ernennung zum Privatdozenten, erfolgte die Benennung der Grünfläche und die Enthüllung eines Gedenksteins. Unter den Buchstaben Psi und Alpha - von Freud als Abkürzung für Psychoanalyse verwendet - befand sich die Inschrift "Die Stimme der Vernunft ist leise". Im Original lautet das Zitat jedoch: "Die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör verschafft hat." (Ges. Werke XIV/1927c, 377). In den 1990er-Jahren hat man die Inschrift korrigiert.
Unter der Grünfläche finden in einer der ersten Tiefgaragen der Stadt 630 PKW Platz. Beim Bau versetzte man alte Bäume erfolgreich in einen anderen Teil des Parks. In der Amtszeit von Umweltstadtrat Peter Schieder (1941-2013)wurde hier unter der Devise "Ganz Wien trägt Grün" die Rasenfreiheit ausgerufen. Noch immer herrscht rege Nachfrage nach den erstmals 2009, unter dem Motto "Wien liegt gut", angebotenen Gratis-Liegestühlen.
Dem Zeitgeist der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprechend, war hinter der Votivkirche eine "Wiener Akropolis" geplant, um das Andenken bedeutender Männer aus Kunst und Wissenschaft zu ehren. So schlug der Ringstraßenarchitekt Theophil Hansen die Anlage eines Plateaus vor, auf dem sich die Ruhmeshalle und ein Staatsmuseum erheben sollten. Dieses und ähnliche Projekte wurden nicht verwirklicht, nur für Militärs entstand (im Arsenal, Heeresgeschichtliches Museum) eine Ruhmeshalle. 1889 entbrannte ein Expertenstreit. Der Städtebauer Camillo Sitte stellte fest, dass "die neuen Riesenplätze beim Rathaus, bei der Votivkirche etc. … für Monumentaufstellungen untauglich sind." Der Bannfluch wirkte fast ein Jahrhundert und so findet man hier keine Denkmäler im Ringstraßenstil, sondern einige moderne Kunstwerke:
- Im Sigmund-Freud-Park an der Universitätsstraße: Freud-Stele, seit 1985;
- Im Sigmund-Freud-Park: 1997 pflanzte die Europäische Union zum 40. Gründungsjubiläum einen Baumkreis mit 15 Bäumen. Anlässlich der EU-Erweiterung 2004, wurde er mit einem Granittisch und zehn Sitzgelegenheiten (für die neuen Mitglieder) ergänzt;
- Im Sigmund-Freud-Park: "Der zerbrochene Globus", Eisenplastik von Karl Anton Wolf aus dem Jahr 1971;
- An der Nordostecke des Sigmund-Freud-Parks: Parkskulptur aus weißem Marmor, von Rudolf Moratti, aus dem Jahr 2001;
- Rooseveltplatz, südlich neben dem Hauptportal der Votivkirche: St. Antonius von Padua, Bronzeplastik von Erich Ghezzi aus dem Jahr 1990;
- Rooseveltplatz, nordöstlich der Votivkirche: Denkmal für Antonio Vivaldi von Gianni Arico aus weißem Marmor, seit 2001.
Die Universitätsstraße macht uns die Breite des Glacis deutlich. Auf Nr. 1 liegt das Gebäude der Wiener Universität, vom selben Architekten, Heinrich Ferstel, doch Jahrzehnte später als sein "Dom auf der Wiese" erbaut. Erst als die Stadtbefestigung geschleift und statt dieser die Ringstraße neu angelegt worden war, konnte man an eine Verwertung der citynahen Zone denken. Auch die Anbindung der Verkehrswege, die bisher vom Schottentor der Stadtbefestigung ausgingen, war von größter Bedeutung für das Zusammenwachsen der Inneren Stadt mit dem Alsergrund.
Nichts mahnt mehr an jene Zeiten, als am Beginn der Alser Straße die berüchtigten drei K den Ton angaben: Krankenhaus, Kriminalgericht und Kaserne. Das Allgemeine Krankenhaus hat sich zum Campus der Universität Wien gewandelt. 3. "Vom Neuen zum Alten AKH" Das "Graue Haus" an der Landesgerichtsstraße besteht noch in seiner ursprünglichen Funktion. Statt der Alser Kaserne und ihrem Vorgängerbau befinden sich die Grünanlage des Otto-Wagner-Platzes, der Ostarrichi-Park und der Bau der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).
1688 bis 1749 bestand hier die Landschaftsakademie der Niederösterreichischen Stände. Sie bot Söhnen von Adeligen eine standesgemäße Ausbildung, die neben Kriegsübungen, Reiten und Fechten u.a. Mathematik, Architektur, Geographie, Rechtswissenschaften, Tanzen und Sprachunterricht in Spanisch, Italienisch und Französisch umfasste. Prominente Professoren unterrichteten hier, wie der kaiserliche Oberstleutnant und Festungsbaumeister Leander Anguissola und der Hofmathematiker Johann Jakob Marinoni. Beide schufen 1706 einen Plan der Stadt Wien mit den Vorstädten, der bis heute zu den genauesten zählt. Marinoni war auch für die Trassierung des 1704 errichteten Linienwalls verantwortlich. 1. "Über-Blick von der U-Bahn" 1730 wurde die Landschaftsakademie vergrößert, doch schon im folgenden Jahr an die Hofkammer verkauft.
An Stelle dieser Akademie wurde die Alser Kaserne errichtet und 1753 bezogen. Von dem 27.000 m² großen Areal war die Hälfte so verbaut, dass sich sieben Höfe ergaben. Die Kaserne stand bis 1912 und fasste 6.000 Mann. Ihr Schutzobjekt war das Schottentor. Der Belag bestand zumeist aus den nicht deutsch sprechenden Angehörigen der Kronländer. Zuletzt, ab 1902, lagen in ihr die bosnisch-herzegowinischen Infanterieregimenter 1 und 4. Die Bosniaken trugen als Kopfbedeckung den Fez. Eine Soldatenmoschee befand sich ebenso wie die Kapelle "Zum hl. Josef" in der Kaserne. Der Kapellenhof der Alser Kaserne bot mit seinen italienisch wirkenden Arkaden fast das Bild eines südlichen Palazzo. Die Kapelle besaß zwei Glocken. Die eine läutete bei freudigen, die andere bei traurigen Anlässen. Zu den freudigen zählte die Ablösung der Burgwache, der "Burgmurrer". Da marschierte die halbe Vorstadt mit und der Ausruf "die Banda kommt" war populär. Karl Komzak jun. wohnte seit 1882 als Militärkapellmeister neun Jahre in der Kaserne. Er schuf über 300 Kompositionen, darunter den beliebten 84-er Regimentsmarsch der zeitweilig hier einquartierten, nach der Farbe ihrer Uniformaufschläge so genannten, "roten" Deutschmeister.
Nach dem Abbruch der Kaserne und des benachbarten Roten Hauses (Garnisongasse 5-11, Rotenhausgasse 6-10, Frankgasse 6-10), das sukzessive demoliert wurde, entstanden am Beginn der Alser Straße ausgedehnte freie Flächen. Der Fall der Stadtmauer hatte ab 1858 das Tabu des Bauverbots auf dem Glacis gebrochen, und es begann hier nun die Errichtung von pompösen Bauwerken der Gründerzeit. Die Staatsbank besetzte das Areal der Infanteriekaserne zur Gänze.
Der erste Privatbau war das "Hosenträgerhaus", UNIVERSITÄTSSTRASSE 12/ GARNISONGASSE 1 / GARELLIGASSE 2. 1888 von Otto Wagner geplant, war es von 1905 bis zum Ende der Monarchie im Besitz des kaiserlichen Familienfonds. Im Blickpunkt der "Zweierlinie" stehend, wurde das Gebäude durch seine Gliederung mit vier gleichen Geschoßen richtungweisend für den späteren Wohnhausbau. Das weit vorkragende Traufgesims und der breite Balkon setzen waagrechte Akzente. Er verbindet die Senkrechten der Lisenen, die dem Gebäude seinen Spitznamen eintrugen. An den genuteten Seitenfronten blicken die Gestalten der Venus und der Pallas Athene aus ihren Nischen. Ein Entwurf sah nach dem Zweiten Weltkrieg die Verlängerung der Landesgerichtsstraße bis zum kaum 800 m entfernten Arne-Karlsson-Park vor. Da das Haus (mit einigen weiteren) dem Projekt zum Opfer gefallen wäre, hat man es 1967 unter Denkmalschutz gestellt. Zu Ehren des Architekten wurde der nahe Platz schon 1925 nach Otto Wagner benannt.
Die Bezeichnungen einiger Verkehrsflächen rundum nehmen sich etwas seltsam aus: Der winzige Frankhplatz findet jenseits der Zäsur der Alser Straße Fortsetzung: Der Trakt des Landesgerichts trägt die Nummer Frankhplatz 1 und die Alser Straße beginnt erst mit der Hausnummer 7. 1925 bis 1935 hieß der Frankhplatz Alser Platz, weil die Alser Straße hier ihren Ausgang nimmt. Neuer Namensgeber wurde Joseph Frankh, der 1686 seine Grundstücke zum Bau des späteren Allgemeinen Krankenhauses testierte. Durch die Umbenennung kommt es leicht zu Verwechslungen mit der wenige Meter weiter gelegenen Frankgasse, benannt nach Johann Peter Frank, einem Direktor der Anstalt. Die Thavonatgasse, von der sich nun das Karlik-Tor in den 1. Hof des Campus der Universität Wien öffnet, hat weder Hausnummern noch eine Fahrbahn. Die Haulerstraße, ebenfalls ohne Hausnummern, ist mit 40 m die kürzeste "Straße" des 9. Bezirks. 1925 angelegt, hieß sie bis 1934 nach dem ersten Floridsdorfer Bezirkshauptmann Paul Hoch, seither ist sie nach dem als Schulbuchautor bekannten Altphilologen Johann Hauler benannt.
Der Baublock OTTO-WAGNER-PLATZ 5 erstreckt sich auch auf den Frankhplatz, in der Haulerstraße und Frankgasse. 1923 erwarb die Oesterreichische Nationalbank zur Arrondierung ihres Besitzes das Grundstück, das sie nach wenigen Jahren an die "Phönix"- Versicherungsgesellschaft verkaufte. Diese ließ dort 1928/29 ihr Direktionsgebäude errichten, das mit seinem übergroßen Mittelrisalit den kleinen Frankhplatz zu erdrücken scheint. Architekt war Ernst Epstein, von dem in Wien rund 100 Häuser stammen und der als Bauleiter des Looshauses am Michaelerplatz fungiert hatte. Viele alte Wiener verbinden mit dem "Phönix"-Gebäude - in dem sich nun die Österreichische Finanzmarktaufsicht befindet - eine böse Erinnerung. Als 1936 die Versicherungsgesellschaft zusammenbrach, wurden 300.000 Personen geschädigt. Der Schuldenstand hatte 250 Millionen Schilling betragen. Der Vogel Phönix, Symbol der Unsterblichkeit und Wiedergeburt aus der Asche, erhob sich nimmer mehr, er war zum Pleitegeier des Ständestaates geworden.
An Stelle der Alser Kaserne wollte die Oesterreichisch-ungarische Bank in Ringstraßennähe ein Bankpalais und als Nebengebäude ihre Notendruckerei errichten. Sie erwarb 1909 das Grundstück, wie es heißt "sehr günstig", um 3,5 Millionen Kronen von der Gemeinde Wien. Im folgenden Jahr wurde ein beschränkter Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Otto Wagner, dessen revolutionäres Postsparkassengebäude kurz zuvor den Betrieb aufgenommen hatte, war dazu nicht eingeladen. Die Entscheidung fiel zugunsten seines Schülers Leopold Bauer, eines Repräsentanten der offiziell anerkannten Architektur. Ohne Rücksicht auf die Umgebung plante er einen 100 m langen und 85 m breiten Palast des Geldes im Stil des Neoklassizismus. Mit seinem turmartigen Aufbau, der samt Kuppel 84 Meter hoch werden sollte, hätte Wien das erste "an amerikanische Wolkenkratzer gemahnende" Gebäude erhalten. Mit dem nicht einmal halb so großen Zweckbau der Banknotendruckerei dahinter, wäre der Palast mit einer dreigeschoßigen Brücke über die Schwarzspanierstraße verbunden worden. Nach dem Ende der Monarchie war an ein solches Prestigeprojekt nicht mehr zu denken. Nördlich davon hatte jedoch schon der Bau der Banknotendruckerei begonnen, die nun zum Hauptgebäude umfunktioniert wurde. Darin befindet sich seit den 1980er Jahren das Geldmuseum. Es dokumentiert die Entwicklung des Geldwesens von den Anfängen bis in die Gegenwart und macht Währungspolitik im Spiegel der Geschichte einem breiten Publikum zugänglich. Das Geldmuseum Wien gehört mit dem Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums und des Grazer Landesmuseums Joanneum zu den größten numismatischen Sammlungen Österreichs. Zu den rund 200.000 Objekten zählen 30.000 Münzen, Bestände zur Geschichte des österreichischen Papiergeldes, wie Banknoten, Druckplatten, Zeichnungen und Entwürfe sowie andere Zahlungsmittel. Seit September 2018 präsentiert sich das Geldmuseum neu.
Mit der Adresse OTTO-WAGNER-PLATZ 3 wurde das von Ferdinand Glaser und Rudolf Eisler umgeplante Gebäude 1925 eröffnet. Der mächtige Quadersteinbau trägt reichen Figurenschmuck, der sich mit allegorischen Gestalten auf Handel, Verkehr und Industrie bezieht, doch zeigt das Programm auch Adam und Eva, die Schlangen des Neides, Personifikationen von Ruhm und Vernichtung. 1938 wurde die OeNB aufgelöst und ihre Gold- und Devisenbestände von der Deutschen Reichsbank übernommen. 1939, mit Beginn des Zweiten Weltkriegs, schützten leichte Flugabwehrgeschütze das Gebäude, dessen eindrucksvolle Fassade sich im Wasser eines davor angelegten Löschteichs spiegelte. Splittergräben durchzogen den Park. Für die US-Besatzungsmacht war das repräsentative Objekt seit 1945 sechs Jahre lang Headquarter.
Übrigens erinnerte (vor der U-Bahn-Baustelle) unweit davon, am Frankhplatz, inmitten geparkter Autos, der "Eckstein der Freiheit" aus dem Jahr 1948 als einziges Denkmal in Wien an die US-Besatzung. Der Text auf der Metallplatte, die in den Würfel aus Indiana-Kalkstein eingelassen ist, gipfelt in dem Lob "Wahrlich kann man Österreich als das Herz der europäischen Gemeinschaft bezeichnen."
1979 vernichtete ein Großbrand fünf Geschoße des letzten neo-klassizistischen Gebäudes Wiens. Im Zuge der Instandsetzung wurde das Dachgeschoß ausgebaut und der mit einem Glasdach versehene Kassensaal bis zur Unkenntlichkeit verändert.
In der Nachbarschaft ihres Hauptgebäudes ließ die OeNB vom Architektenteam Erich Boltenstern und Eugen Wachberger OTTO WAGNER-PLATZ 4-4a das "Osttor Nord" als Bürohaus und das "Osttor Süd" als Mitarbeiter-Wohnhaus mit 42 Wohnungen, 12 Garconnieren und Geschäftslokalen errichten. Der Architekturkritiker Friedrich Achleitner lobte die Osttor-Blöcke: "Sie gehören zum Besten, was auf diesem Gebiet in den Fünfziger Jahren entstanden ist." Nord- und Hauptgebäude sind mit einer Glasbrücke über die Alfred-Grünfeld-Gasse verbunden, auch unterirdisch bestehen Verbindungsgänge. Alfred Grünfeld war ein musikalisches Wunderkind, Franz Liszt förderte sein Studium. Grünfeld konzertierte als Pianist vor Kaiser Franz Joseph und war auf internationalen Tourneen erfolgreich. Er komponierte auch Klavierstücke und Operetten. Die 70er- Jahre des 20. Jahrhunderts standen hier im Zeichen großer Aktivitäten im Tief- und Hochbau. Nach der Aushebung einer Garage mit 420 Stellplätzen und der Neuanlage eines öffentlich zugänglichen Parks sind nun wesentliche Bedürfnisse für Bankbeamte und Anrainer gedeckt. Die ca. 1.000 m² große Grünfläche erhielt im Jubiläumsjahr 1996 die Benennung Ostarrichi-Park. Damals herrschte rege Bautätigkeit für das neue Geldzentrum, dessen Grundstein zwei Jahre zuvor gelegt worden war. 3. "Vom Neuen zum Alten AKH".
Derzeit ist der Park eine wieder eine Großbaustelle für die U5-Station Frankhplatz, die erste neue Station der vollautomatischen Linie U5. Sie soll über vier Zugänge von allen Seiten barrierefrei erreichbar sein. Am Frankhplatz ist ein Zugang vorgesehen, der das Alte AKH direkt an das U-Bahn-Netz anbindet. Die Fahrgäste können dann in die Straßenbahnlinien 43 und 44 umsteigen. Vom Ausgang Schwarzspanierstraße sind es ca. 250 Meter bis zu den Straßenbahnlinien 37, 38, 40, 41 und 42. Anfang 2022 sollen die unterirdischen Außenmauern der Station fertig sein und die Station 2026 in Betrieb gehen.
Die Frankgasse verbindet den Otto-Wagner-Platz über die Garnisongasse hinweg mit dem Rooseveltplatz. Sie trägt ihren Namen seit 1875 nach dem international angesehenen Mediziner und Philosophen Johann Peter Frank, der als Direktor des Allgemeinen Krankenhauses, dieses grundlegend reformierte. Der 180 m lange, gerade Straßenzug ist durchgehend mit 4- bis 6-geschoßigen, späthistoristischen Zinshäusern verbaut, die zum Teil aufwändige Fassaden, Dachaufbauten und stuckierte Foyers aufweisen. Hier wohnten prominente Ärzte nächst ihrer Wirkensstätte, FRANKGASSE 10 Moritz Oppenheim und Leopold Arzt. Beide Dermatologen waren, vor ihrer Vertreibung 1938, Mitglieder des Lehrkörpers der Medizinischen Universität.
FRANKGASSE 8 ist als Billrothhaus der Gesellschaft der Ärzte bekannt. Die 1837 gegründete Vereinigung ist eine der traditionsreichsten medizinischen Gesellschaften in Österreich. Ihre Hauptaufgabe besteht statutengemäß in der Fortbildung von Medizinern und der Präsentation neuer medizinischer Forschungsergebnisse. Die Gesellschaft der Ärzte in Wien hat aktuell etwa 2500 Mitglieder. Der Architekt des Billrothhauses war Ludwig Richter, dem auch die Rossau einige repräsentative Miethäuser verdankt. Auf dem Dach des palaisartigen Gebäudes standen seit 1893 die Statuen Apollos und Äskulaps sowie der Hygiea und Minerva. Im Zweiten Weltkrieg erheblich beschädigt, wurde das Haus generalrenoviert und 1956 feierlich wieder eröffnet. Doch hatten sich bei dieser Gelegenheit die antiken Götter und Göttinnen schon verabschiedet. Jetzt steht das revitalisierte repräsentative Gebäude mit seinem 184 m² großen historischen Festsaal für Kongresse, Symposien, Seminare und andere Events zur Verfügung.
FRANKGASSE 6 / GARNISONGASSE 5 lebten der Gynäkologe Rudolf Chrobak, der 1904 den Neubau der Frauenkliniken leitete und deren medizinische Einrichtung mitfinanzierte, später der Direktor des Pathologisch-Anatomischen Instituts Hermann Chiari, welcher Vizepräsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war.
FRANKGASSE 5 / GARNISONGASSE 3 wohnte Adolf Lorenz, der als Orthopäde durch die unblutige Einrichtung der angeborenen Hüftgelenksverrenkung Weltruhm erlangte. Sein älterer Sohn Albert wurde sein Mitarbeiter und Nachfolger an der Universitätsklinik. Als früher Fan der Motorisierung schilderte er seine Erfahrungen humorvoll in dem Buch "Alte Autos - junge Liebe". Der jüngere Sohn Konrad Lorenz promovierte in Medizin und Philosophie (Zoologie) und erhielt 1973 zusammen mit zwei anderen Verhaltensforschern den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.
Wir biegen nun nach links in die Garnisongasse ein, die einst zum Garnisonsspital I. führte. 3. "Vom Neuen zum Alten AKH" Das markante Eckhaus GARNISONGASSE 7 / SCHWARZSPANIERSTRASSE 8 aus dem Jahr 1891 trägt den Namen Albrecht-Hof. Es ist ein Werk des Ringstraßenarchitekten und Mitglied des Hofbau-Komitees, Emil Förster. Der 9. Bezirk verdankt ihm mehrere markante Gebäude, wie das Palais Angerer (heute Hotel Regina, Rooseveltplatz 15), den Maximilian-Hof, Währingerstraße 6-8 und das Polizeigebäude, Berggasse 41-43 / Rossauer Lände 5-9. Försters Gebäude fanden wegen ihrer Monumentalität, der durchdachten Raumanordnungen und vornehmen Wohnungsausstattungen stets große Zustimmung. Auch der Albrecht-Hof wirkt repräsentativ durch Erker, Eckturm, Dachaufsätze, Gitterportal und Stuck im Foyer. Im Hof, der Loggien aufweist, steht eine weibliche Sandsteinfigur aus der Erbauungszeit des Hauses. Seiner Dignität entsprechend waren auch die Mieter, alle Universitätsprofessoren der Medizin: Der Kinderarzt Arthur Schüller, der langjährige Vorstand der chirurgischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses und Bürger der Stadt Wien, Hans Finsterer, der Larygologe Leopold Rethi, der 1912 die interdisziplinäre Österreichische Gesellschaft für Experimentelle Phonetik gründete, um Probleme der Stimme zu behandeln, schließlich Karl Fellinger, einer der international angesehensten österreichischen Ärzte des 20. Jahrhunderts.
Schräg gegenüber, SCHWARZSPANIERSTRASSE 13, dominiert die Schauseite der einstigen Klosterkirche der Benediktiner von Montserrat. Sie hatten ein schwarzes Ordenskleid, zum Unterschied von den gleichfalls aus Spanien nach Wien gekommenen Trinitariern, die einen weißen Habit trugen. Da ihre Klöster nahe beinander lagen, unterschied man die Mönche nach der Farbe ihrer Kutten. Die Schwarzspanierkirche "im Schotteneck" mit einer Fassade nach römischen Vorbildern wurde 1739 geweiht. Ein Jahrzehnt später erhielt sie in der Garnisongasse einen Glockenturm, der als schönster Wiens galt. Er überragte nur sechs Jahre, fast auf den Tag genau, das Gotteshaus. Dann wurde er vom Blitz getroffen und abgetragen. Im Zuge der Kirchenreformen Kaiser Joseph II. erfolgte 1783 die Auflösung des Schwarzspanierklosters. Die Kirche wurde ausgeräumt und das anschließende Prälaturgebäude versteigert. Ein Handelsmann erwarb das Kloster und adaptierte es als Zinshaus. Aus der Kirche wurde ein Militärbettendepot, das die Bevölkerung "Flöhmagazin" nannte. Nach der Profanierung wurden im Inneren alle Wandgemälde übertüncht und zum besseren Transport der ärarischen Gegenstände das von Säulen getragene Hauptportal beseitigt. Dieser Zustand währte bis 1861. In diesem Jahr erließ Kaiser Franz Joseph das Protestantenpatent, welches für das entweihte Gotteshaus die Verwendung als evangelische Garnisonskirche vorsah. Das Ende der Monarchie bedeutete den vorläufigen Schlussstrich dieser Funktion. Die Republik hatte zunächst keine Verwendung des leer stehenden Gebäudes, bis man es 1930 russischen Emigranten als Gotteshaus zur Verfügung stellte. Eine Ikonostase erhob sich im Altarraum und die Messe wurde nach orthodoxem Ritus zelebriert. 1938 übernahm die deutsche Wehrmacht für ihre rund 7.000 evangelischen Angehörigen das inzwischen sehr herabgekommene Bauwerk und restaurierte es. Dabei kamen wieder die Fresken von Antonio Pellegrini zum Vorschein. Das Domkapitel stellte das Hochaltarbild von Joachim Sandrart bei. Die Einweihung erfolgte im Mai 1943, die Bombardierung im September 1944. Die Bundesgebäudeverwaltung übernahm die Ruine. Projekte für eine Großgarage oder ein Magazingebäude waren im Gespräch. Sie scheiterten, da die unbeschädigte Fassade unter Denkmalschutz steht. Die breite, hochbarocke Schauseite blieb nach dem Umbau zu einem evangelischen Studentenheim, dem Albert-Schweitzer-Haus, GARNISONGASSE 14-16 erhalten. Architekt Fritz Rollwagen machte aus der zerbombten Kirche ein zweckmäßiges Objekt. Nach der Generalsanierung 2007 durch Nickl & Partner Architekten, München, beherbergt das Seminar- und Veranstaltungszentrum Albert-Schweitzer-Haus in sieben Etagen ein StudentInnenheim mit 177 Plätzen in modern ausgestatteten, barrierefreien Einzelzimmern, die zu unterschiedlich großen zeitgemäßen Wohneinheiten zusammengefasst sind.
Gegenüber, bei GARNISONGASSE 11 / ROTENHAUSGASSE 10 zeichnet sich das 1898 errichtete späthistoristische Eckhaus durch Neorenaissance-Gliederung, Erker und ein Gitterportal aus. Charakteristisch sind die großen Nischenfiguren Vulkan und Hygiea. Die Rotenhausgasse trägt ihren Namen nach einem der größten damaligen Zinshäuser Wiens, das hier stand. 1712 erwarb der Palatin des Königreiches Ungarn, Paul I. Fürst Esterházy, die vier Häuser umfassende Realität. Paul II. etablierte im Hof eine gedeckte Reitschule, in der Kunstreiter ihre Darbietungen zeigten. Nikolaus II. ließ den Gebäudekomplex 1802 neu errichten und 1810 erweitern. Über vier Höfe und 20 Stiegenhäuser waren 150 Wohnungen zu erreichen. Auch die 36.000 Bände umfassende Esterházy'sche Bibliothek befand sich im Roten Haus. Es ragte wie ein großer Erker in das Glacis und bot eine entsprechende Aussicht auf die Stadt, zu den Kleinen Karpathen oder auch zum Schneeberg. So war es kein Wunder, dass Ludwig van Beethoven von Mai bis Oktober 1804 hier wohnte. Er schätzte die Weite der Landschaft, die ihn inspirierte. Der Komponist war 1787 das erste Mal nach Wien gekommen und als Pianist und Komponist bald in Kreisen des Adels bekannt geworden. Sein Freund Gerhard Breuning beschrieb ihn: "Beethovens Aussehen war kräftig, die Statur mittelgroß, sein Gang energisch, wie seine lebhaften Bewegungen."
Von alledem ist in der tristen Sackgasse, wie in einer Schlucht, nichts mehr zu sehen. Ihre nördliche Seite wird von den Mauern des ehemaligen Allgemeinen Krankenhauses (heute Campus) begrenzt. 1834 errichtet, stehen sie auf den Gräbern des Mariazeller Gottesackers, dem einstigen Nobelfriedhof Wiens. GARNISONGASSE 15 ist die Aufschrift über dem Tor - auf Deutsch: "Zum Heil und Trost der Kranken" - jener in der Alser Straße 4 nachgebildet, Jahreszahl und Kaisernamen jedoch auf "Franciscus I., 1834" geändert.
Gegenüber betreten wir die abgewinkelte Beethovengasse. Sie folgt bis zur Lackierergasse der Hauptachse des einstigen Klostergartens der Schwarzspanier. Nach Aufhebung des Klosters 1783 wurde er 1840 in zehn Baustellen geteilt und diese versteigert. Auf den früheren acht großen Blumenrabatten schossen wie Pilze viergeschoßige Zinshäuser empor. Einige sind erhalten und geben Zeugnis von der Wohnkultur des Biedermeier.
Im Blickpunkt unseres Spazierganges steht jedoch das Haus BEETHOVENGASSE 4. Es trägt an seiner Neo-Empirefassade die Aufschrift "Beethoven-Hof" und die Jahreszahlen 1843 und 1912. 1843 erwarb Anna Dirnböck das Grundstück an der neu eröffneten Gasse. Sie war die Gattin des Buchhändlers und Verlegers des satirischen Wochenblattes "Hans Jörgel von Gumpoldskirchen", Jacob Dirnböck. Bis 1881 blieb das Haus im Familienbesitz. 1912 erfolgte der Neubau, in dem dann u.a. der Psychiater Hans Hoff wohnte.
Einige Häuser weiter, BEETHOVENGASSE 8, kündet eine Relieftafel, dass der große Sozialreformer Wiens, Stadtrat Univ. Prof. Dr. Julius Tandler hier wohnte. Als Wissenschaftler beschäftigte er sich mit der Konstitutionslehre und verfassste ein vierbändiges Anatomie-Lehrbuch. Die Blutbuche (Fagus sylvatica Athropunicea) mit der Nr. 777 auf der Liste der Wiener Naturdenkmale steht im Garten.
Am nördlichen Punkt unserer Wanderung wenden wir uns um und gehen zum Durchgang des Schwarzspanierhauses in die gleichnamige Straße. Lange Zeit war sie als Begleitstraße des Glacis nur einseitig verbaut. SCHWARZSPANIERSTRASSE 15 stand seit 1689 das Kloster der Benediktiner von Montserrat. Nach den Josephinischen Reformen wechselten die Besitzer mehrmals, bis 1845 die Anlage an die Zisterzienserabtei Heiligenkreuz (Niederösterreich) kam, die sie auch heute besitzt. Das Stift ließ entlang der verlängerten Beethovengasse ein mehrhöfiges Zinshaus, den Schwarzspanier-Hof, errichten. 1827 war Ludwig van Beethoven im alten Haus gestorben, vor dem Abbruch 1903 nahm man mit einer Gedenkfeier Abschied von dem durch den Komponisten berühmt gewordenen Gebäude. Der Abt überließ die wenigen Überreste der Wohnung Beethovens der Stadt Wien. Über dem prunkvollen Portal des 1904 errichteten Straßentraktes befinden sich Bronze-Medaillons. Sie zeigen Nikolaus Lenau (eigentlich Franz Niembsch von Strehlenau) den schwermütigen Lyriker, der hier 1833-1835 gewohnt hatte, und Ludwig van Beethoven, der hier seine letzten beiden Lebensjahre verbrachte. Die Gesamtausgabe von Beethovens Werken umfasst 38 Bände. Er schuf neun Symphonien, die Oper "Fidelio", zwei Messen, Ouvertüren und Bühnenmusik, ein Violinkonzert, fünf Klavierkonzerte, 32 Klaviersonaten, 91 Klavierlieder, zehn Violinsonaten, 16 Streichquartette, Konzertarien, Lieder, Tänze, Rondos, Menuette, Ländler und andere Instrumentalkompositionen.
WÄHRINGER STRASSE 13 befand sich 1713 das Palais des Hof- und Kammerjuweliers Johann Caspar Prenner. 1768 erwarb Theodor Graf Batthyány, eine der eindrucksvollsten adeligen Unternehmerpersönlichkeiten seiner Zeit, die Häuser Währinger Straße 13 und 13a. Er richtete darin eine Battistfabrik ein, die bis 1783 bestand. Später beschäftigte sich der Graf mit dem Problem stromaufwärts fahrender Schiffe. 1793 erhielt er ein Privileg für Schiffbau und -fahrt. Aus der Textilfabrik war inzwischen die Gewehrfabrik geworden und das Palais Prenner wurde in diese einbezogen. Die Gewehrfabrik versorgte von 1787 bis 1852 die kaiserliche Armee mit Handfeuerwaffen. In der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Funktion des Häuserblocks grundlegend.
1886 erbauten Dominik Avanzo und Paul Lange WÄHRINGER STRASSE 11-13 das Anatomische Institut der Universität. Im markanten Stiegenhaus steht das Denkmal des römischen Arztes Galenius, der einer der bedeutendsten Mediziner der Antike und Leibarzt von Kaiser Marc Aurel war. Es hat die schweren Bombenangriffe ebenso überstanden, wie die Tafel "Doctrina fundamentum artis" , die wir an der Fassade zwischen WÄHRINGER STRASSE 13a und 15 sehen. Der Wiederaufbau nach Kriegsende benötigte sechs Jahre. Währinger Straße 13a war 1903 als Seitentrakt das Pharmakologische Institut entstanden, dessen historischer Hörsaal 1980 demoliert wurde. 1904 kam im mittleren Hintertrakt das Physiologische Institut dazu.
Betritt man den Hof durch die breite Einfahrt, wähnt man sich eher in einem Fabriksbau, da die Fassaden in Sichtziegelbauweise ausgeführt sind und der Schlot des ehemaligen Kesselhauses, mit dem der Komplex vor einem Jahrhundert zentral beheizt wurde, emporragt. Derzeit befinden sich zwischen Währinger und Spitalasse der Hörsaal Histologie, Elektronenmikroskopie, Zentrum für Anatomie und Zellbiologie, Studienberatung der ÖH, Kapelle, Institut für Pharmakologie und Institut für Physiologie.
Mit Gesundheit und Krankheit beschäftigt sich auch das gegenüber liegende Pharma- und Drogistenmuseum WÄHRINGER STRASSE 14. 10.000 Exponate, darunter wertvolle Herbarien, illustrieren die Geschichte des Berufsstandes. Es befindet sich im "Kom.Rat Hans Zellhofer Stiftungshaus für Drogisten". Die Fassade trägt diese Aufschrift und eine Gedenktafel für den Pionier des Drogistenstandes.
Ein Bombentreffer zerstörte das Eckhaus WÄHRINGER STRASSE 9 / SCHWARZSPANIERSTRASSE 22. An seiner Stelle entstand 1953 der Albert-Appel-Hof, eines der ersten Gebäude mit Eigentumswohnungen. Eine Bronzetafel erinnert an den Namensgeber. Albert Appel gründete 1908 den Christlichen Arbeiter-Touristenverein, aus dem der Österreichische Touristenverein hervorgegangen ist, und die österreichische Bergsteigervereinigung, deren erster Obmann er war.
Zur Ringstraßenzone gehört bereits der neobarocke Bau WÄHRINGER STRASSE 5-7. Es handelt sich um ein Werk der in der ganzen Monarchie für ihre Theaterbauten bekannten Architekten Fellner & Helmer, deren Bürogemeinschaft in der Servitengasse 7 ihren Sitz hatte. Der mit reichem Stuckdekor angelegte Stiegenaufgang wird durch eine Glaskuppel belichtet, ebenso die Einfahrt, die zum Hof führt. In ihm befindet sich ein Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa), der mit Nr. 702 unter Naturschutz steht. Der Blauglockenbaum war der Lieblingsbaum von Kaiser Franz Joseph, der viele davon pflanzen ließ. Zu seinen Regierungsjubiläen wurden in den Parks der Monarchie zahlreiche "Kaiserbäume" gesetzt. Im Atelier des Hausgartens schuf der Bildhauer Hans Mauer das Denkmal des Predigers Marco d'Aviano, welches 1935 an der Kapuzinerkirche, Wien 1, aufgestellt wurde.
WÄHRINGER STRASSE 3, erbaut 1884, besitzt eine weitläufige Einfahrt und eine neomanieristische Fassade mit Erkergliederung. Drei Schriftsteller schätzten es als Domizil: Peter Altenberg (eigentlich Richard Engländer), Gustav Davis, der erste Herausgeber der Kronenzeitung (er druckte sein Blatt Pramergasse 28, 9. "Im Oberen Werd" und Sigmund Spielmann, Vorstandsmitglied des Wissenschaftlichen Weltsprache-Vereins Volapük in Wien.
WÄHRINGER STRASSE 1 / ROOSEVELTPLATZ 15 bildet mit dem ehemaligen Palais Angerer eine Einheit. Das Hotel Regina, Stammhaus der Kremslehner Hotels, wird dort in nunmehr vierter Generation von der Familie geführt. In den frühen 1890er- Jahren kam Georg Kremslehner nach Wien und arbeitete zuerst als Kellner in der "Alt-Pilsenetzer Bierhalle“, wo seine spätere Frau Christine Köchin war. Nach der Hochzeit pachteten sie das Lokal. 1907 erhielt Georg Kremslehner die Hotelkonzession, kaufte das Haus und adaptierte es als elegantes Großstadthotel, wobei die Bierhalle bis in die 1920er-Jahre bestehen blieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg renovierte sein Sohn Rudolf das Hotel grundlegend und kaufte das angrenzende Haus dazu. Heute umfasst das 4-Sterne Hotel Regina 165 Zimmer. Interessant ist die auf Alt-Wien bezogene Ausmalung der Speisesäle. Ein Extrazimmer ist mit Erinnerungen an den Gründer und seine Familie gestaltet.
Hier, angesichts von Kirche, Park und Platz, lässt es sich gut ruhen, die Aussicht genießen und Einsicht erhalten über die mehrmalige Umbenennung der Umgebung. Der ältere Bruder des Kaisers Franz Joseph, Maximilian (eigentlich Ferdinand Maximilian, auch Max genannt), der spätere unglückliche Kaiser von Mexiko, war der erste, nach dem diese Fläche benannt wurde. Ihm, als Initiator des Kirchenbaus, gebührte die Ehre, dass sein Name auf einen Platz der prächtigsten Bauten an der flankierenden Währinger Straße übertragen wurde. In der Nähe trugen auch das k. k. Maximilians-Gymnasium (heute Wasagymnasium, BG 9), ein Café, und der Maximilian-Hof (Währinger Straße 6-8) seinen Namen.
1920 wurde der Platz auf Freiheitsplatz umbenannt. Die dritte Benennung erfolgte nach Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, der 42-jährig im "Juliputsch" der Nationalsozialisten 1934 erschossen wurde. Er hatte die Demokratie in Österreich abgeschafft und den Ständestaat errichtet. Dieser währte nur vier Jahre und wurde durch das "Dritte Reich" abgelöst. Eine Straßentafel am Hotels Regina mit "Dollfuß-Platz" wurde in den so genannten Umbruchstagen 1938 durch eine provisorische Tafel "Adolf-Hitler-Platz" ersetzt. Diese Benennung erfolgte nicht offziell, sondern emotional und wurde bald dahingehend korrigiert, dass der "Führer" den Platz vor dem Rathaus erhielt, sein Palatin Hermann Göring aber den Platz vor der Votivkirche zugewiesen bekam. Hier wäre der Volkswitz zu erwähnen, der in den letzten Jahren des "1000-jährigen Reiches" diesen "Meierplatz" nannte. Das kam so: Göring, Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, prahlte zu Kriegsbeginn mit dem Worten "Wenn je ein feindliches Flugzeug über unsere Grenzen fliegt, will ich Meier heißen." Doch als diese später zu Hunderten kamen, erinnerte sich mancher spöttisch an das Versprechen und nannte den Platz so. Nach Kriegsende erhielten wir wieder unsere Freiheit und der Platz danach seinen früheren Namen. Doch wollten die Besatzungsmächte in ihren Zonen Personen durch Umbenennungen von Verkehrsflächen ehren. So erhielt Wien in der sowjetischen Zone einen Stalinplatz (als Teil des Schwarzenbergplatzes) und der Alsergrund in der US-Zone einen Rooseveltplatz. Franklin D. Roosevelt war 1933-1945 der 32. Präsident der USA und ein erklärter Feind Hitler-Deutschlands gewesen.
Wir umrunden den Rooseveltplatz gegen den Uhrzeigersinn. Ein städtebauliches Ensemble umschließt im Halbkreis die Votivkirche, von der strahlenförmig drei Gassen (Günther-, Ferstel- und Frankgasse) ausgehen. Dieser "Circus" gibt sich in seinen Fassaden keineswegs monoton, sondern zeigt, dem Stil des Historismus verpflichtet, sehr unterschiedliche Lösungen. Prominente Ringstraßenarchitekten waren hier am Werk. Emil Förster, den wir schon beim Albrecht-Hof kennengelernt haben, schuf 1876/77 das Palais Angerer (Hotel Regina, Rooseveltplatz 15) und 1880 das Wohnhaus ROOSEVELTPLATZ 13. Die Fassade zeigt die Büste einer Dame, ein eherner Adler krönt den Giebel.
Das Haus ROOSEVELTPLATZ 12 ist (ebenso wie Rooseveltplatz 6 und 11) ein Werk von Ludwig Tischler. Zunächst Chefarchitekt der Wiener Baugesellschaft, gründete er 1875 ein eigenes Büro und wurde zu einem der meist beschäftigten Architekten im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Ein markantes Beispiel seiner rund 250 Häuser ist im 9. Bezirk der Maria-Theresien-Hof, Währinger Straße 2-4. Rooseveltplatz 12 leitet im stumpfen Winkel zur Günthergasse über. Anton Günther war Weltpriester und Religionsphilosoph.
ROOSEVELTPLATZ 11, dessen Haustor Delphine zieren, bildet die Ecke zu GÜNTHERGASSE 1. Der überkuppelte Eckturm, ein markantes Motiv der Tischler-Bauten, erhielt nach einem Bombenschaden sein charakteristisches Aussehen durch die angepasste Wiederherstellung der Kuppel. Gedenktafeln erinnern an den Hofschauspieler Friedrich Mitterwurzer und an den Kulturstadtrat und Publizisten Jörg Mauthe. Hier wohnten auch der Anatom Emil Zuckerkandl und seine Frau, die Schriftstellerin Berta Zuckerkandl-Szeps. Emil Zuckerkandl setzte das Werk seines Lehrers Hyrtl fort. Er begründete die wissenschaftliche Anatomie der Nasenhöhlen und ermöglichte dadurch die Entwicklung der modernen Rhinologie. Berta Zuckerkandl-Szeps war die Tochter des liberalen Zeitungsverlegers Moritz Szeps. Als Kultur-Journalistin war sie eine Vorkämpferin für die Secession, die Wiener Werkstätte und Mitbegründerin der Salzburger Festspiele. In ihrem Salon traf sich die künstlerische und wissenschaftliche Elite Österreichs.
ROOSEVELTPLATZ 10 wurde vom Erbauer der Votivkirche, Heinrich Ferstel, und seinem Schwager Carl Koechlin 1880/81 gestaltet und war das Wohnhaus Ferstels. Ein dreigeschoßiger Volutengiebelaufsatz und Fassadenfiguren geben dem 2012 renovierten Haus seine Charakteristik.
ROOSEVELTPLATZ 9, ebenfalls von Ferstel, weist mit seinem Neorenaissance-Eckrisalit zur Ferstelgasse 1. Markant ist sein Mansarddach mit dem reichen Firstgitter. In diesem Haus wohnte Josef Thenen, Präsident der Wiener Ärztekammer.
Die Ferstelgasse läuft vor der Fassade der ehemaligen Schwarzspanierkirche auf den Chor der Votivkirche zu. Ihre späthistoristische Verbauung zählt zum Ensemble des Rooseveltplatzes. Ein Projekt aus dem Jahr 1941 sah die Verlängerung der Gasse quer über das Alte Allgemeine Krankenhaus bis zur Stadtbahnstation Michelbeuern vor.
FERSTELGASSE 3 logierten weitere medizinischen Kapazitäten: der Chirurg Paul Fuchsig und der Herzspezialist Kurt Polzer. Das von Carl Schumann, der als viel beschäftigter Ringstraßenarchitekt auch an der Umgestaltung der Hofburg mitwirkte, errichtete palaisartige Haus ist ein Beispiel für die "Neu-Wiener Renaissance". Es zeigt Ädikulafenster, Balkone und Volutenpilaster, im Stiegenhaus Stuckdekor, Figurenleuchter und figurale Ätzglasscheiben.
FERSTELGASSE 5 wohnte der deutsche Schriftsteller Ludwig Ganghofer, der durch Heimatromane bekannt wurde. Weitere Mieter waren sein Freund, der Schriftsteller Vinzenz Chiavacci und der Chirurg Carl Gussenbauer, der hier starb. Er leitete als Nachfolger Billroths die II. Chirurgische Universitätsklinik und schuf neue Operationsmethoden. Als Bergsteiger erschloss Gussenbauer Gebirge in seiner Kärntner Heimat. Im 9. Bezirk ist seit 1910 eine Gasse nach ihm benannt.
FERSTELGASSE 6 / SCHWARZSPANIERSTRASSE 10 von Oskar Merz ist ein strenghistoristischer Bau in altdeutschen Formen. Der unvermeidliche Eckturm weist einen Rundbalkon auf. Das Foyer zieren Putten mit Darstellungen der Jahreszeiten. Felix Mandl besaß hier eine Wohnung. 1933 bis 1938 war er Chef der chirurgischen Abteilung des S. Canning-Childs-Spitals, der ehemaligen Frauenheilanstalt des Sanatoriums Loew, das nach dem "Anschluß" arisiert wurde. Er war eines der wenigen Mitglieder der medizinischen Fakultät, die, obwohl im Ausland beruflich etabliert, 1945 nach Wien zurückkehrten. 1948 zum a.o. Professor ernannt, fungierte er 1949-1952 auch als SPÖ-Mandatar im Gemeinderat.
ROOSEVELTPLATZ 8, der Pfarrhof der Propstei, ist wie die Votivkirche von Heinrich Ferstel. Das schmale Haus zeigt im Giebel eine Madonnenfigur. Die Pröpste waren auch Domherren zu St. Stephan, wie Weihbischof Godfried Marschall (1905 - 1910 Generalvikar der Erzdiözese Wien) oder Alois Wildenauer. 1929 infulierter Propst an der Votivkirche, schied er 1946 wegen Altersgründen aus und war seither Domkapitular und Erzdechant. Alois Wildenauer war einer der bekanntesten Bergsteiger und Höhlenfachleute Österreichs. Er hat mehr als 4.000 Berggipfel der Ost- und Zentralalpen bestiegen und sich um die Erschließung der Hohen Wand verdient gemacht. Der Priester und Musiker Raimund Weißensteiner war als katholischer Widerstandskämpfer zwei Jahre lang inhaftiert. Nach 1945 wirkte er als Kaplan an der Votivkirche, er war Komponist und Dirigent.
ROOSEVELTPLATZ 7 / FRANKGASSE 2, ist ebenfalls ein Ferstel-Bau. Die Neorenaissance-Fassade ist reich dekoriert, der runde Eckturm trägt eine hohe Kuppel. Die hier abzweigende, 1875 benannte, Frankgasse konnte erst nach 50 Jahren über die Garnisongasse verlängert werden, da noch Reste des Roten Hauses standen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, FRANKGASSE 1, zieren Kriegerputten das Portal. Es war das Haus des Architekten Emil Förster, der hier sein Atelier einrichtete. Er baute es sich 1886 nach einer längeren Studienreise in Italien, wo er die Formen der Renaissance studierte, die er hier als "Neue Wiener Renaissance" vertrat. Förster errichtete an die 80 Wohnhäuser - Villen, Zinshäuser und Palais - und öffentliche Bauten, im 9. Bezirk u. a. das Miethaus Albrecht-Hof Garnisongasse 7/ Schwarzspanierstraße 8. Außerdem war er Vorstand des Departements für Hochbau im Ministerium für Inneres, Mitglied des k. u. k. Hofbaukomitees, der Stadterweiterungskommission und der Vorläuferinstitution des Bundesdenkmalamts. Prominente Mieter waren u. a. der Schriftsteller und Arzt Arthur Schnitzler, der hier 1894-1903 wohnte und der Orthopäde Hans Spitzy, der 1913-1928 im Haus lebte. Eine Gedenktafel kündet: "In diesem Haus wurde am 15. April 1945 die Universität Wien wiedereröffnet." Die Absicht, alle Gebäude des Rooseveltplatzes für universitäre Nutzung in Bundesbesitz zu bringen, gelang nur bei Nr. 2 und 3 und Ferstelgasse 5.
Weiter auf dem ROOSEVELTPLATZ wandernd, finden wir wieder die Namen bekannter Ringstraßen-Architekten: Nr. 6 Ludwig Tischler, Nr. 4-5 Karl Schumann (markanter Dachgiebel mit Figur) Nr. 1-3 - symmetrisch zum Hotel Regina - Heinrich Ferstel und Carl Koechlin.
Der Umgang an der Rückseite der Votivkirche führt durch die kleine Parkanlage und beginnt sinngemäß mit der Tympanondarstellung von Adam und Eva am südlichen Seitenportal. Die prachtvoll gestaltete Chorpartie mit dem Kapellenkranz zwischen den zierlichen Strebepfeilern und den Strebebogen, die wie Spangen einer Krone aufwärts leiten, erinnert an die Kathedrale Notre Dame in Paris. Wäre da nicht die Gedenktafel an Josef Hawala, der 1946 bis zu seinem Tod Propst der Votivkirche war und deren Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg betrieb. Der ruhige Park besitzt ein Denkmal von Gianni Arico für Antonio Vivaldi, der in Venedig als Komponist und Geiger tätig war und sein letztes Lebensjahr in Wien verbrachte. Er schrieb 38 Opern und zahlreiche Violinkonzerte. Das Monument entstand auf Initiative der Lions-Clubs. Die Vorbereitungen gestalteten sich schwierig, da nach der Absiedlung einer Tankstelle, Tonnen kontaminiertes Erdreich zu entsorgen waren. Die Denkmalenthüllung am 16. Juni 2001 fand anlässlich der 260. Wiederkehr des Todestages Vivaldis statt.
Bevor wir uns nach der Einkreisung durch das linke der drei Portale in die VOTIVKIRCHE begeben, sollte doch der Grund zu ihrer Erbauung genannt werden. Am 18. Februar 1853 hatte der ungarische Schneidergeselle Johann Libenyi versucht, Kaiser Franz Joseph zu ermorden. Das Attentat war aber gescheitert, und zum Dank regte Erzherzog Maximilian die Errichtung einer Kirche an. Für den Bau wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den der junge Architekt Heinrich Ferstel gewann. Er hatte sein Siegerprojekt unter der Fahne "weißes Kreuz auf blauem Grund", eingereicht. Diese Kombination entspricht dem Staatswappen Griechenlands oder der Fahne der Shetland-Inseln. Am 22. April 1856 fand die Grundsteinlegung statt, die Einweihung geschah am Tag der Silbernen Hochzeit des Kaiserpaares am 24. April 1879. Die Fassade der Kirche ist mit Werken der Bildhauer Johannes Benk, Hanns Gasser und Franz Melnitzky geschmückt. Leider ist der Wöllersdorfer, Mannersdorfer und Mühldorfer Kalkstein, der zum Kirchenbau verwendet wurde, ein nicht sehr widerstandsfähiges Material.
Die Votivkirche war als österreichische Ruhmeshalle gedacht - ein Gegenstück zur Londoner Westminsterabtei. Es ist bei der Aufstellung des Salmgrabdenkmals geblieben, das Kaiser Ferdinand I. seinem obersten Feldhauptmann Niklas Graf Salm, dem Verteidiger Wiens während der Ersten Türkenbelagerung in der Wiener Dorotheerkirche setzen ließ. Nach der Schließung dieser Kirche durch Kaiser Joseph II. im Jahre 1782 brachte die Familie Salm das Kunstwerk auf ihr Familiengut nach Raitz /Rájec-Jestřebí in Mähren. 1879 wurde es dann in der Votivkirche aufgestellt. Die Seitenwände der Tumba zieren zwölf figurenreiche Schlachtenbilder, auf dem Deckel sieht man die liegende lebensgroße Figur des Kriegshelden. Das für die Entwicklung der mitteleuropäischen Plastik bedeutende Denkmal stammt aus dem Umkreis des deutschen Renaissance-Bildhauers Loy Hering um 1530.
Ein einzigartiges Kunstwerk ist der um 1460 entstandene Antwerpener Passionsaltar, der schon zweimal einiger Figuren beraubt wurde. Seit 2000 steht er sicher im Museum der Kirche (im ehemaligen Hoforatorium oberhalb des Chorumganges). Der dreiteilige Altar gilt als das bedeutendste Schnitzwerk mit originaler Polychromie aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Er zeigt in der Mitte die Kreuzigung, links die Kreuztragung, rechts die Kreuzabnahme und die Beweinung Christi. Das Kunstwerk gelangte nach mehrmaligem Besitzerwechsel in das Eigentum des - auch an der Votivkirche tätigen - Bildhauers Hanns Gasser, von dem ihn Kaiser Franz Joseph 1858 kaufte. Sein ehemaliger Erzieher, Joseph Othmar Rauscher - Wiener Erzbischof und Kardinal - motivierte den Kaiser, den Altar der Votivkirche zu schenken. Hanns Gasser führte die Ergänzungsarbeiten durch. In den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts erfolgte eine Restaurierung durch das Bundesdenkmalamt. Weitere Exponate des Museums sind wieder entdeckte Werke der Brüder Karl und Franz Jobst, die in der Übergangsphase vom Historismus zum Secessionismus viele Kirchen und Schlösser mit Wandmalereien versahen. In der Votivkirche wurden aus Geldmangel nicht alle Vorhaben verwirklicht, doch sind zahlreiche Kartons für die Wandmalereien und die verlorengegangenen Glasmalereien erhalten geblieben. Im rechten Seitenschiff der Kirche wird eine Kopie der Madonna von Guadelupe (Mexiko) verehrt. Wirkungsvoll ist auch das der Exekutive gewidmete Mal von Clemens Holzmeister, das in seinem stelenartigen Aufbau im Mittelteil Kreuz und Dornenkrone, in den Seitenteilen im Flachrelief Angehörige der Exekutive zeigt.
Eine am Barbara-Altar angebrachte, 30,5 cm starke, vier Meter hohe Kerze wiegt 264 kg und hat laut Inschrift eine Lebensdauer von 100 Jahren. In der Gruft der Bischofskapelle ruht Weihbischof Godfried Marschall. Daneben, im rechten Querschiff, befand sich das Kaiserfenster, das wie auch die anderen, im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Gemeinde Wien ließ es nach den vorhandenen Zeichnungen von Eduard Steinle wieder herstellen. Die Neuverglasung der Fenster in der Größe von 1.200 m2 illustriert auch die jüngste Geschichte Österreichs. Neu sind das Mauthausen-Fenster und das Jägerstätter-Fenster (Franz Jägerstätter wurde als Kriegsdienstverweigerer hingerichtet und 2007 selig gesprochen). Bomben und Granaten hatten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs dem Dom des Alsergrundes arg zugesetzt. Sämtliche Fenster gingen zu Bruch, das Dach wurde undicht und zahlreiche Zierate der Fassade drohten abzustürzen. Diese Bauschäden sind inzwischen behoben, doch die zur Routine gewordene Restaurierung wird noch Jahrzehnte dauern. Bei einer Inspektion 2001 schätzte das Bauamt der Erzdiözese Wien die Kosten der Außensanierung auf rund 32 Millionen Euro und die Baudauer auf 20 Jahre. 2021 erstrahlen zumindest die markanten Türme wieder in ihrem ursprünglichen weißen Farbton. Im Pfarrgebiet der Votivkirche leben rund 2.700 Katholiken. Sie ist auch die Heimstätte verschiedener fremdsprachiger Gemeinden, der Schwerpunkt liegt auf der Touristenseelsorge.
Die Kirche durch das Hauptportal verlassend, erblicken wir vor uns den weiten Platz. Seit seinem Bestehen und ungeachtet seiner Umbenennungen war er stets ein Versammlungsort von Vereinen und politischen Parteien. Besondere Bedeutung hatte er zur Zeit der Monarchie, als vor dieser römisch-katholischen Garnisonskirche mit großem militärischem Pomp die Leichenbegängnisse hoher Offiziere stattfanden. Artillerie fuhr auf, und ihre Salutschüsse donnerten weithin hörbar über den Platz. Die Militärkapelle, die zum Kondukt gehörte, spielte Trauermärsche, doch bei ihrem Abrücken schon wieder heitere Melodien. An der jetzigen Liegewiese mit ihren modernen Skulpturen vorbei begeben wir uns zur Währinger Straße, wo noch einige Sehenswürdigkeiten auf uns warten.
Das 1910 erbaute markante Eckhaus WÄHRINGER STRASSE 12 / TÜRKENSTRASSE 1 zeigt einen dekorativen Fries mit Putten. Es zählt zu den ersten Stahlbetonbauten Wiens. Im Souterrain befindet sich ein Lichtspieltheater. 1912-1985 hieß es Votivpark Kino. Nach der Übernahme durch den Filmverleih "Filmladen" erhielt es die kürzere Bezeichnung Votiv Kino. Es umfasst drei Säle. Seit 2007 wird es gemeinsam mit dem nahe gelegenen De-France-Kino am Schottenring geleitet. Seit der Nachkriegszeit bis 1985 befand sich im Haus das 400 m² große Fotostudio Simonis. 1917 sattelte der Cafetier Julius Simonis auf die Fotografie um. Sein Atelier befand sich in der Nussdorfer Straße 26 (nächst jenem, das Albin Mutterer schon vier Jahrzehnte zuvor betrieben hatte). Der Sohn Heinz Simonis übersiedelte mit der Firma in die Währinger Straße. Hier entstanden die offiziellen Fotos der Staatsmänner für Schul- und Amtshäuser, ebenso wie Bilder von Prominenten, Presse- Werbe- und Tierfotos. Mit seinen Weichzeichner- und Retouchetechniken schuf Simonis einen eigenen Stil und fertigte als erster Fotograf Farbportraits an.
Ein eindrucksvoller Bau ist das 1871 von Ferstel errichtete Chemische Institut, WÄHRINGER STRASSE 10 / HÖRLGASSE 8 / WASAGASSE 9 / TÜRKENSTRASSE 2. Der Architekt unternahm zuvor mit dem Initiator der Anstalt, dem Chemiker Josef Redtenbacher, 1868 eine Studienreise nach Bonn, Berlin, Stuttgart und Leipzig. Es entstand ein Sichtziegelbau mit zum Teil glasierten Terrakottaverzierungen. Durch 30 Jahre war Adolf Lieben Leiter des Instituts. Der Mitbegründer der Strukturchemie veröffentlichte Untersuchungen über Alkohole, Adehyde, Säuren und Kohlenwasserstoffe. Er entwickelte die nach ihm benannte Jodoformreaktion. Lieben stellte sein Labor gerne jungen Forschern zur Verfügung. So wurde die Erfindung des Gasglühlichts durch Carl Auer von Welsbach dort durchgeführt. Vor dem Chemischen Institut befand sich bis 1884 das alte Laternanzünderhaus, ein Gasthaus. Hier trafen sich jene Männer, die mit weißen Arbeitsmänteln bekleidet, für die öffentliche Gasbeleuchtung sorgten.
1887 entstand nach den Plänen Emil Försters das pompöse Gebäude des Maximilian-Hofes, WÄHRINGER STRASSE 6-8 / HÖRLGASSE 2/ KOLINGASSE 1. Die ursprünglich reichen Kuppelaufbauten wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Im Maximilian-Hof befand sich die Marinesektion des k. u. k. Reichskriegsministeriums, inklusive der Wohnung ihres Admirals Maximilian Daublesky Sterneck zu Ehrenstein, der seit 1884 Marinekommandant war. Hier lebte auch Fritz Reuter, langjähriger Leiter des Gerichtsmedizinischen Instituts und später des Volksgesundheitsamtes. An ein früher hier befindliches Lederwaren- und Pelzgeschäft erinnert die Steinskulptur "Zur Robbe" an der Ecke zur Kolingasse.
Das Pendant, der Maria-Theresien-Hof, WÄHRINGER STRASSE 2-4 / KOLINGASSE 2 / MARIA-THERESIEN-STRASSE 1, hatte Ludwig Tischler 1885 erbaut und mit reichem Fassadenschmuck versehen. Auf dem oberen Architrav stehen sechs Figuren, zwischen den Fenstern acht Büsten. Zwei Atlanten flankieren das Portal, und eine Figurengruppe stellt Handel, Industrie und Gewerbe dar. Wie beim benachbarten Maximilian-Hof wurde das Dachgeschoß mit den großen, charakteristischen Kuppeln zerstört, doch hier in einer modernen Interpretation ergänzt.
Auf dem Areal des Maximilian- und des Maria-Theresien-Hofes stand die Wiege des österreichischen Parlamentarismus. Hören wir, was der Lokalhistoriker Leopold Donatin berichtet: "Als im Jahre 1861 der Reichsrat wieder ins Leben trat, sollte schleunigst ein provisorischer Neubau für das Abgeordnetenhaus errichtet werden. Am 12. März begann man damit, eine ungeheure 'Miststätte' in der Nähe zu reinigen und auszufüllen. Hierauf wurde Tag und Nacht, auch an Sonn- und Feiertagen, fieberhaft gearbeitet. Da sich das elektrische Licht als 'unpraktisch' erwies, erhellte man die Finsternis durch Fackeln. Rasch wurde aus Balken ein hölzerner Rahmen aufgestellt und dieser durch dünne Ziegelmauern ('Riegelwände') ausgefüllt. Auf dem Bauplatze arbeiteten oft 400 - 500 Menschen, in den Werkstätten der Tischler, Schlosser usw. 300 - 400. Türen und Fenster brachte man fix und fertig - selbst schon angestrichen - hierher. Die Wände wurden mit Mörtel beworfen, einige Figuren als Schmuck aufgestellt und so machte das Haus den Eindruck eines soliden und hübschen Baues. Auch die innere Ausschmückung und die Möblierung geschah mit fabelhafter Schnelligkeit, so daß am 25. April alles vollkommen fertig und eingerichtet war." Bis zum Neubau des Parlamentsgebäudes auf dem Dr.-Karl-Renner-Ring wurde hier getagt.
Am Beginn des 20. Jahrhunderts fand man ca. 1,5 m unter der Fahrbahn im Bereich Währinger Straße 2-10 ein 10 m langes, 6 m breites Teilstück der Limesstraße. Sie war die bedeutendste Durchzugsstraße im Wiener Raum aus der römischen Kaiserzeit (50 - 500 n. Chr). Der Verlauf Nussdorfer Platz - Döblinger Hauptstraße - Nussdorfer Straße - Währinger Straße - Schottengasse - Herrengasse gilt als gesichert. Sie führte entlang des Abfalls der Donau zum Michaelerplatz und weiter. Votivsteine und Altäre säumten die römischen Straßen. Als 1557 der Stadtgraben beim Schottentor vertieft wurde, stieß man auf einen Votivstein, einen anderen fand man 1960 im Sigmund-Freud-Park. Dort erstreckte sich ein Gräberfeld, das Funde von Münzen aus dem 1. und 2. nachchristlichen Jahrhundert erbrachte. Auch ein Sarkophag und verschiedene Beigaben waren bereits im 19. Jahrhundert entdeckt worden.
Bei der U-BAHN-STATION SCHOTTENTOR-UNIVERSITÄT ist unsere Wanderung beendet. Sie hat gezeigt, welche Vielzahl von künstlerisch, medizinisch und sonst bedeutenden Menschen hier auf relativ engem Raum wohnen oder gewohnt haben, die in ihrer Bedeutung weit über den 9. Bezirk und Wien hinaus bekannt geworden sind.
Personendaten:
Altenberg, Peter (1859-1919), Schriftsteller;
Anguissola, Leander (1653-1720), Kartograph;
Auerswald, Wilhelm (1917-1981), Arzt;
Appel, Albert (1871-1947), Bergsteiger;
Arzt, Leopold (1883-1955), Arzt;
Auer von Welsbach, Carl (1858-1929), Chemiker;
Avanzo, Dominik (1845-1910), Architekt;
Batthyány, Theodor (1765-1812), Fürst;
Bauer,Leopold (1872-1938), Architekt;
Beethoven, Ludwig van (1770-1827), Komponist;
Benk, Johannes (1844-1914), Bildhauer;
Boltenstern, Erich (1896-1991), Architekt;
Prenner, Johann C. (+ 1713), Juwelier;
Breuning, Gerhard (1813-1892), Arzt;
Chiari, Hermann (1897-1969), Arzt;
Chiavacci, Vinzenz (1847-1916), Schriftsteller ;
Chrobak, Rudolf (1843-1910), Arzt;
D' Aviano, Marco (1631-1699), Prediger;
Daublesky, Maximilian (1829-1897), Admiral;
Davis, Gustav (1856-1951), Journalist;
Dollfuß, Engelbert (1892-1934), Politiker;
Donatin, Leopold (1862-1918), Lehrer;
Eisler, Rudolf (1881-1977), Architekt;
Epstein, Ernst (1881-1938), Architekt;
Fellinger, Karl (1904-2000), Arzt;
Fellner, Ferdinand II. (1847-1916), Architekt;
Ferdinand I. (1503-1564) Kaiser;
Ferdinand II. (1578-1637), Kaiser;
Ferstel, Heinrich (1828-1883), Architekt;
Finsterer, Hans (1877-1955), Arzt;
Förster, Emil (1838-1909), Architekt;
Frank, Johann Peter (1745-1821), Arzt;
Frankh, Joseph (um 1680), kais. Rat;
Franz I. (1768-1835), Kaiser;
Franz Joseph (1830-1916), Kaiser;
Freud, Sigmund (1856-1939), Arzt;
Fuchsig, Paul (1908-1977), Arzt;
Galenius (129-199), Arzt;
Ganghofer, Ludwig (1855-1920), Schriftsteller;
Gasser, Hanns (1817-1868), Bildhauer;
Glaser, Ferdinand (1880-1961), Architekt;
Göring, Hermann (1893-1946), Politiker;
Grünfeld, Alfred (1852-1924), Musiker;
Günther, Anton (1783-1863), Philosoph;
Gussenbauer, Carl (1842-1902), Arzt;
Gustav II. Adolf (1594-1632), König;
Hansen, Theophil (1813-1891), Architekt;
Hauler, Johann (1829-1888), Philologe;
Hawala, Josef (1889-1961), Priester;
Helmer, Hermann (1849-1919), Architekt;
Hering, Loy (1484/85 - 1564), Bildhauer;
Hoff, Hans (1897-1969), Arzt;
Holzmeister, Clemens (1886-1983), Architekt;
Jägerstätter, Franz (1907-1943), Bauer;
Jobst, Franz (1840-1890), Maler;
Jobst, Karl (1835-1907), Maler;
Jonas, Franz (1899-1974), Politiker;
Joseph II. (1741-1790), Kaiser;
Koechlin, Carl (1828-1894), Architekt;
Komzak, Karl jun. (1850-1905), Komponist;
Kremslehner, Georg (1853-1930), Hotelier;
Kremslehner, Christine (1866-1856), Unternehmerin;
Kremslehner, Rudolf (1901-1976), Hotelier;
Lange, Paul (1850-1890), Architekt;
Lenau, Nikolaus (1802-1850), Dichter;
Libenyi, Johann (1832-1853), Attentäter;
Lieben, Adolf (1836-1914), Chemiker ;
Liszt, Franz (1811-1886), Komponist;
Lorenz, Adolf (1854-1946), Arzt;
Lorenz, Albert (1885-1970), Arzt;
Lorenz, Konrad (1903-1989), Verhaltensforscher;
Mandl, Felix (1892-1957), Arzt;
Marc Aurel (121-180), Kaiser;
Marinoni, Johann Jakob (1676-1755), Mathematiker;
Marschall, Godfried (1840-1911), Priester;
Mauer, Hans (1879-1962), Bildhauer;
Mauthe, Jörg (1924-1986), Politiker;
Maximilian (1832-1867), Erzherzog;
Melnitzky, Franz (1862-1876), Bildhauer;
Merz, Oskar (1830-1904), Architekt ;
Mitterwurzer, Friedrich (1844-1897), Schauspieler;
Moratti, Rudolf (1942-2000), Bildhauer;
Mutterer, Albin ( 1806-1873), Fotograf;
Nikolaus II. Esterhazy (1765-1833), Fürst;
Oppenheim, Moritz (1876-1949) Arzt;
Paul I. Esterházy (1635-1713), Fürst;
Paul II. Esterházy (1711-1762), Fürst;
Pellegrini, Antonio (1675-1741), Maler;
Polzer, Kurt (1909-1985), Arzt;
Rauscher, Joseph Othmar (1797-1875), Priester;
Redtenbacher, Josef (1810-1870), Chemiker;
Reuter, Fritz (1875-1959), Arzt;
Richter, Ludwig (1855-1925), Architekt;
Roosevelt, Franklin D. (1882-1945), Politiker;
Salm, Niklas (1459-1530), Feldherr;
Sandrart, Joachim (1606-1688), Maler;
Schnitzler, Arthur (1862-1931), Schriftsteller;
Schüller, Arthur (1874-1957), Arzt;
Schumann, Carl (1827-1898), Architekt;
Simonis, Heinz (1943-1985), Fotograf;
Spitzy, Hans (1872-1956), Arzt;
Steinle, Eduard J. (1810-1886), Maler;
Tandler, Julius (1869-1936), Arzt;
Thenen, Josef (1866-1949), Arzt;
Tischler, Ludwig (1840-1906), Architekt;
Toldt, Carl (1840-1920), Arzt;
Vivaldi, Antonio (1678 -1740), Komponist;
Wachberger, Eugen (1904-1971), Architekt;
Wagner, Otto (1841-1918), Architekt;
Wallenstein, Albrecht (1583-1634), Feldherr;
Weißensteiner, Raimund (1905-1997), Priester;
Wildenauer Alois (1877-1967), Priester;
Wolf, Karl A. (1908-1989), Bildhauer;
Zellhofer, Hans (1879-1953), Drogist;
Zuckerkandl, Emil (1849-1910), Arzt;
Zuckerkandl-Szeps, Berta (1864-1945), Schriftstellerin.
Quelle für U2XU5: Frankplatz
© Text: Prof. Ing. Alfred Wolf, Wien (2010), aktualisiert von Helga Maria Wolf (2012 und 2021), Fotos: Doris Wolf. Nachdruck nur mit Genehmigung der Autoren