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Helga Maria Wolf#

Klöster, Kirchen und Kultur#

Stift Klosterneuburg. Foto: Doris Wolf, 2020

Klöster und Kultur sind untrennbar verbunden. Das seit dem 17. Jahrhundert bezeugte Wort Kultur - von lateinisch cultura - bedeutet sowohl "Bodenkultur" als auch "Geisteskultur". Dieser Doppelsinn prägt die Tätigkeit der Klöster. Sie folgen dem benediktinischen Ideal "bete, arbeite und lies!" Mönche machten das Land urbar und pflegten die Wissenschaft, unter anderem in ihren Schreibstuben.

Im Zisterzienserstift Zwettl bestand schon im 12. Jahrhundert ein Scriptorium. Vom Anfang des 14. Jahrhunderts stammt die "Bärenhaut" - eine Handschrift, die zu den wichtigsten Quellen der Landesgeschichte zählt. Um 1400 betrieben die Mönche Philosophie und Dialektik (als allgemeiner Wissenserwerb). Heute führt das Stift die - als solche ausgezeichnete - "innovativste Schule Niederösterreichs". Die HLUW Yspertal gilt als "Projekt für die Zukunft" - wie vor mehr als 875 Jahren, als die ersten zwölf Mönche begannen, das abgeschiedene Grenzland zu kolonisieren. Damals rodeten sie große Waldflächen, heute tragen die AbsolventInnen der Höheren Lehranstalt für Umwelt und Wirtschaft zur Bewahrung der Schöpfung bei.

Joachim Angerer (1934-2019), der tatkräftige Abt des Prämonstratenserstiftes Geras, sprach von "einer Art Entwicklungshilfe", welche die Stifter im Mittelalter den Waldviertler Klöstern auftrugen. Einer von ihnen war Graf Ulrich II. von Pernegg aus einer Nebenlinie der Babenberger. Er wollte seine Burg den Chorherren und -frauen des Prämonstratenserordens als Doppelkloster zur Verfügung stellen. Nur die Chorfrauen ließen sich jedoch zwischen 1153 und 1586 in Pernegg nieder, die Chorherren im zehn Kilometer entfernten Geras. Ihre barocke Stiftskirche - seit 1953 Basilica minor - geht auf eine dreischiffige romanische Anlage zurück. Zuletzt schuf Thomas Munz (1929–2011) den neuen Hauptaltar.

Ein besonderer Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart gelang im Benediktinerkloster Altenburg. Grabungen des Bundesdenkmalamtes legten um die zweite Jahrtausendwende Zeugnisse des Klosterlebens seit der Gründung im Jahr 1144 frei. Das Büro Jabornegg & Pálffy verwandelte sie in zukunftsweisende Architektur. Bekannt ist Altenburg als "Trogerstift". Der Südtiroler Künstler Paul Troger schuf hier zehn Kuppelfresken. Allein die Fläche der Hauptkuppel der Kirche umfasst mehr als 700 m². Weitere Fresken malte er für die Kaiserstiege und die Bibliothek, ein Hauptwerk des europäischen Hochbarock. Musikalisch sind der Chor der Altenburger Sängerknaben und das Kammermusikfestival "Allegro Vivo" mit dem Kloster verbunden. Im und rund um dieses wurden in den letzten Jahren fünf Themengärten neu angelegt.

Weiter führt die Klösterreise vom Waldviertel in die Benediktinerabtei Göttweig an der Donau. Sie bildet ein wesentliches Element der Kulturlandschaft Wachau, einer der zehn UNESCO-Welterbestätten Österreichs. Seit 1094 betreuen Benediktiner das von Bischof Altmann von Passau als Augustiner-Chorherrenstift gegründete Kloster. Der (unvollendete) Bau ist ein Werk Johann Lucas von Hildebrandts. Das größte Barocktreppenhaus Österreichs führt zum Museum im Kaisertrakt. Die Kunstsammlungen, besonders das Graphische Kabinett, sind von überregionaler Bedeutung.

Die Kirche des Augustiner-Chorherrenstifts Herzogenburg geht auf eine Gründung Kaiser Heinrich II. (1014) zurück. Das barocke Kloster planten Jakob Prandtauer und sein Neffe Joseph Munggenast, die neue Stiftskirche dessen Söhne Franz und Matthias Munggenast. Markant ist der 75 m hohe Kirchturm, dessen Spitze Herzogshut und Stiftskreuz krönen. Die Deckenfresken der Prälatenstiege, des Festsaales und der Kirche malte Bartolomeo Altomonte. Stift Herzogenburg besitzt eine der bedeutendsten Sammlungen gotischer Tafelbilder (Donauschule). Von der Wertschätzung moderner Kunst zeugen die 1999 geweihte Osterkapelle sowie Hauptaltar und Ambo von Wander Bertoni in der Stiftskirche.

Das Benediktinerstift Melk war seit dem 12. Jahrhundert eine besondere Kulturstätte. Vermutlich lebte hier Frau Ava, die als erste deutschsprachige Dichterin bekannt ist. Die von Abt Erkenfried verfassten Reimdichtungen zählen zu den besten ihrer Zeit. Im 15. Jahrhundert gab die Melker Reform dem Ordensleben starke Impulse. Der Neubau des bedeutendsten barocken Benediktinerstifts Österreichs ist ein Werk Jakob Prandtauers. Paul Troger und Johann Michael Rottmayr schufen die Fresken in der Kirche und der Bibliothek des Klosters. Es birgt Kunstschätze wie das goldene Kreuzreliquiar aus dem 11. Jahrhundert und einen Flügelaltar von Jörg Breu (1502) mit 16 Tafelbildern.

Das Benediktinerstift Seitenstetten besteht seit 1114 als Abtei. Der "Vierkanter Gottes" im Mostviertel wurde 1630-1707 - sowie 1719 durch Joseph Munggenast - barockisiert. Die Mittel dazu lieferten vor allem das Kupferbergwerk in der Radmer (Steiermark) und das Messinghüttenwerk Reichraming (Oberösterreich). 1996 waren die Milleniumsfeiern Anlass für die Revitalisierung des Barockparks und des Landschaftsgartens. Die "Gartenakademie" zählt ebenso zu den Bildungsstätten des Hauses wie das 1870 gegründete Stiftsgymnasium.

Das Zisterzienserstift Lilienfeld gründete der Babenberger Leopold IV. um 1202. Die größte erhaltene zisterziensische Klosteranlage Mitteleuropas ist eines der schönsten Denkmäler mittelalterlicher Baukunst in Österreich. Das Stift galt wegen seiner wissenschaftlich tätigen Mönche als "Nobelkloster" und war zugleich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Alpenvorland, Die stiftliche Grundherrschaft erschloss Bergwerke und Straßen. Die Äbte erweisen sich als Mäzene der Musik und Malerei. 1976 fand hier die Niederösterreichische Landesausstellung "1000 Jahre Babenberger" statt und der Papst verlieh der Stiftskirche den Titel Basilica minor.

Das Zisterzienserkloster Heiligenkreuz, eine Gründung Markgraf Leopold III., ist das zweitälteste durchgehend bestehende Zisterzienserkloster der Welt. Im 13. Jahrhundert galt es als "Hotspot der Gelehrsamkeit". Sein Abt Gutolf schrieb wegweisende Werke auf den Gebieten der Grammatik, Geschichte und Rechtslehre. Der theologische Lehrbetrieb reicht weit in das Mittelalter zurück. Die (seit 2007 Päpstliche) Hochschule zählt mehr als 300 Studierende. Die Choralschola "The Cistercian Monks of Stift Heiligenkreuz" erlangte mit ihren CD-Produktionen internationale Anerkennung und mehrere Gold- und Platin-Auszeichnungen. Architektonisch beeindruckend sind die romanische Basilika mit gotischem Hallenchor und das Brunnenhaus mit Glasgemälden der Stifterfamilie.

Stift Klosterneuburg. Foto: Doris Wol, 2020

Das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg ist das erste im "Klösterreich", das man, von Wien kommend, nach der Landesgrenze erkennt. 1114 gründete Leopold III. in unmittelbarer Nahe seiner neuen Residenz ein religiöses, soziales und kulturelles Zentrum. 1133 übergab er es den Augustiner-Chorherren. Ein halbes Jahrhundert jünger ist der Verduner Altar, eines der bedeutendsten Kunstwerke des europäischen Mittelalters. Im Zusammenhang mit der Heiligsprechung Leopolds III. (1485) entstand der acht mal vier Meter große Babenberger-Stammbaum. Nach der Barockisierung der romanischen Stiftskirche - seit 1936 Basilica minor -wollte Kaiser Karl VI. in Klosterneuburg eine Klosterresidenz errichten. Das Großprojekt gedieh nur zu einem Viertel. 1834-42 verlieh ihm Architekt Joseph Kornhäusel sein heutiges Erscheinungsbild. Dazu zählt die Bibliothek - mit mehr als 270.000 Bänden die größte Privatbibliothek des Landes. Neben der Geisteskultur war und ist Stift Klosterneuburg in der Bodenkultur erfolgreich. Das älteste Weingut, Österreichs besteht seit dem Gründungsjahr 1114.

Derzeit gibt es in Niederösterreich 29 Ordensniederlassungen. Rund 100 wurden im Lauf der Jahrhunderte aufgehoben. 1999 konstituierte sich "Klösterreich" als Verein zur Förderung der kulturellen und touristischen Aktivitäten der Klöster, Orden und Stifte. Derzeit hat er 27 Mitglieder, von den 22 österreichischen befinden sich zehn in Niederösterreich.

In Obersiebenbrunn erwarb die koptisch-orthodoxe Kirche das einst kaiserliche Marchfeldschloss. Seit 2001 befinden sich darin das Kloster St. Antonius und das Koptische Museum.

Im 16. Jahrhundert bekannten sich 90 Prozent der in Niederösterreich lebenden Menschen zur evangelischen Kirche. Der Adel war der Garant und die verantwortliche Instanz für das protestantische Kirchenwesen. Sichtbarer Ausdruck dessen waren die Grabdenkmäler in den Patronatskirchen, wie in Murstetten (Althan) oder Maria Laach am Jauerling (Kuefstein). Bürger machten ihre reformatorische Gesinnung an den Fassaden ihrer (Sgrafitto-)Häuser öffentlich. Die Betonung des Bibellesens förderte die Buch- und Bibliothekskultur und damit die Lesekundigkeit der Bevölkerung. Evangelische Lateinschulen in Städten und Märkten leisteten einen wichtigen kulturellen Beitrag, die Landschaftsschulen in Loosdorf und Horn erreichten Universitätsniveau.

Der Islam ist in Österreich seit 1912 als Religionsgesellschaft anerkannt. Seit 2007 besteht in Bad Vöslau ein Islamisches Kulturzentrum. In einem beispielgebenden Mediationsverfahren einigte man sich mit der Gemeinde auf ein modernes Gebäude mit offenen Glasfronten und angedeuteten Dachaufbauten aus Glas anstatt der klassischen Minarette. Anliegen der Betreiber ist die Integration der örtlichen türkischstämmigen Mitbürger, u. a. durch Deutschkurse.

1983 war Österreich das erste Land Europas, das den Buddhismus als Religion staatlich anerkannte. In Niederösterreich sind seine Orden in Gutenstein, Neunkirchen, Purkersdorf und Scheibbs Mitglieder der buddhistischen Religionsgesellschaft. Seit 2019 erhebt sich der 32,5 m hohe Friedensstupa weithin sichtbar inmitten von Weingärten auf einer Geländestufe des Wagram nächst der Bahnstation Wagram-Grafenegg. Dazu heißt es: Alle Menschen, unabhängig von ihrer Konfession, sind eingeladen, hier Stille und Besinnung zu finden. Der Bau steht in der Tradition der buddhistischen Weltauffassung, die Zuwendung, Harmonie und Weisheit anstrebt.

Literatur:
Der Große Duden Etymologie. Mannheim 1963
Joachim Angerer - Gerhard Trumler: Klösterreich. Wien 1980
Joachim Angerer: Ist Niederösterreich ein Klösterreich? In: Manfred Wagner (Hg.): Niederösterreich. Menschen und Gegenden. Band 1. Wien, Köln Weimar 2004
Dieter Knall (Hg.): Auf den Spuren einer Kirche. Wien 1987
Gustav Reingrabner: Protestanten in Österreich. Wien 1981
Herwig Wolfram (Hg.): Geschichte des Christentums in Österreich. Wien 2003
Niederösterreich eine Spurensuche. Wien 2017
Niederösterreich. 50 Spuren durch das Land. Wien 2019


Erschienen in Schaufenster Kultur.Region 2022


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