Maulgabe#
Entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung des Stallviehs erfuhr dieses Zuwendung magisch-religiöser Art. Helmut Paul Fielhauer (1937-1987) hat dem Thema 1973 einen wissenschaftlichen Film und Aufsatz gewidmet. Der Volkskundler untersuchte den Brauch im Niederösterreichischen Voralpengebiet bei Wieselburg. Am Heiligen Abend, zu Silvester und Dreikönig erhielten die Rinder und Pferde der "Wagner-Haberleiten" eine Maulgabe: Die Bäuerin schnitt für jedes Tier zwei fingerdicke Scheiben einer Rübe und versah diese mit Dreikönigssalz und je drei Weidenkätzchen vom Palmbuschen. Bevor sie die Doppelschnitten verfütterte, segnete sie diese mit Weihwasser, das sie mit einem Büschel aus sieben Getreideähren versprengte. Nach dem Kalben erhielten Kühe eine Maulgabe bestehend aus Most, Schnaps, Weihwasser, Brot und Palmkätzchen. Beim Verkauf eines Rindes oder Pferdes bekam dieses ebenfalls ein Stück "Glücksbrot". Andere Bauern der Region gaben dem Vieh Kletzenbrot, Brot mit Heilkräutern, etwas Grünes oder Hagebutten.
Fielhauer beobachtete die Maulgabe - "normierte Verabreichung bestimmter ausgewählter Genussmittel, denen entweder eine empirsch festgestellte Wirkung für das Wohlbefinden eigen ist oder ein magisch-religiöser Schutzcharakter zugeschrieben wird" - nicht nur zum Mittwintertermin. Auch in der Osterzeit, beim Weidegang, Kauf, Verkauf und Krankheit fand er den Brauch. Interessant erschien ihm, dass der Brauch nicht nur in katholischen, sondern auch in evangelischen Kreisen auftrat. Hier aber nicht als Sakramentale verstanden, sondern aus medizinischer Erfahrung motiviert.
Quelle:
Helmut P. Fielhauer: Maulgabe und Mahlgemeinschaft. In: Volkskunde als demokratische Kulturgeschichtsschreibung. Wien 1987. S. 88-131
Siehe auch:
Heimatlexikon
Maulgabe in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015